Bumerang-Praxis ist ineffizient

Die meisten Unternehmen führen nicht Buch über sogenannte «Bumerang-Mitarbeiter» – also Mitarbeiter, die aus einer Position im Unternehmen entlassen werden, aber an anderer Stelle im selben Unternehmen wieder eingestellt werden. Das sollten sie aber, denn die Kosten einer solchen Praxis sind immens.

Eine gute Frage, die sich schwer beantworten lässt: «Wie viel geben wir dafür aus, Mitarbeiter zu entlassen und sie innerhalb eines Jahres wieder einzustellen?» Gestellt wurde die Frage von einem Personalleiter. Gerichtet war die Frage an das Leitungsteam der Personalabteilung. Die Reaktion: Nervöses Hin und Her. Denn, wie so viele Arbeitgeber führte dieses Unternehmen ebenfalls keine offiziellen Aufzeichnungen über seine sogenannten «Bumerang-Mitarbeiter».

Schliesslich eine Antwort von einem der Befragten: «Es sind ganz sicher Millionen von Dollar». Lautes Schlucken unter den Zuhörern.

In vielen Unternehmen belaufen sich die finanziellen Ressourcen, die für die Entlassung und Wiedereinstellung derselben Mitarbeiter verschwendet werden auf Summen, die selbst gestandene Personaler zur Verzweiflung bringen können.

Verschwendung im Talentmanagement

Nach den uns vorliegenden Daten, stellen grössere Unternehmen durchschnittlich 10 bis 15 Prozent der von ihnen entlassenen Mitarbeiter irgendwann wieder ein.

Die wichtigere Frage dabei ist jedoch: Was kann man tun, um diese verschwenderische Praxis einzudämmen oder ganz einzustellen? Die Antwort ist komplex. Eine Lösung besteht jedoch darin, eine Umstrukturierungsstrategie einzuführen. Und zwar nicht einfach im Rahmen der Entlassungspraxis, sondern im Rahmen einer breiter angelegten Strategie zur Talentbindung.

Anhand eines strategischen Personalplans samt integrierter Umstrukturierungsstrategie, kann ein Unternehmen jede Entscheidung über eine Entlassung dahingehend analysieren, ob der betroffene Mitarbeiter nicht in anderer Rolle im Unternehmen wertvoll einsetzbar ist. Oder seine Kompetenzen und Erfahrungen zeitnah doch wieder gebraucht werden.

So werden talentierte Mitarbeiter nicht versehentlich entlassen und die Unternehmen haben zudem die Möglichkeit, wertvolle Mitarbeiter allenfalls umzuschulen. Dies ist oftmals günstiger und sicherer als externes Anwerben.

Die Realität sieht oft anders aus

2018 wollte Lee Hecht Harrison in einer Befragung von den Unternehmen wissen, ob sie eine Vergleichsanalyse der Kosten für die Entlassung von Mitarbeitern und der Kosten für deren Wiedereinstellung durchgeführt haben. Beachtliche 61 Prozent antworteten mit «Nein». Von denen, die die Frage positiv beantworteten, haben nur 19 Prozent als Konsequenz eine Umstrukturierungsstrategie eingeführt.

Weshalb ist das so? Von den vielen Faktoren, die wirksamen Umstrukturierungsstrategien in Unternehmen im Wege stehen, sind Struktur und Kultur im Personalwesen selbst sicherlich das grösste Hemmnis. Dazu drei Gedankengänge:

  • Zu viele Sackgassen: Um wirksam zu sein, muss Umstrukturierung alle Bereiche des Talentmanagements miteinbeziehen: Von Suche, Anwerbung und Einstellung über Weiterbildung und Karriereentwicklung bis hin zu beruflicher Neuorientierung. Leider, das beklagen viele Personaler, ist das aufgrund mangelnder Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Bereichen des Personalwesens nicht möglich. Die Folge ist, dass Entscheidungen über die Entlassung und Wiedereinstellung oftmals ohne wirksame fachübergreifende Zusammenarbeit in Personalabteilungen getroffen werden.
  • Mangelnde Unterstützung seitens der Vorstandsebene: Umstrukturierungsprogramme erfordern meist Mandate von ganz oben, damit interne Bewerber vorrangig vor externen berücksichtigt werden können. Dann können interne Personaler mit Talentmanagern zusammenarbeiten, um den Personalbedarf festzustellen und qualifizierte interne Bewerber für Stellen zu finden. Ohne ein solches Mandat wird es keine Bereitschaft für Umstrukturierungs-Massnahmen geben.
  • Tendenz zum Horten: Manager unterer Führungspositionen tendieren dazu, Talent zu horten. Das geht so weit, dass man Mitarbeiter lieber in begrenzteren Rollen hält, statt sie in neue, anspruchsvollere Rollen in einem anderen Bereich desselben Unternehmens weiterziehen zu lassen. Dies verwehrt anderen Bereichen des Unternehmens die Nutzung der Vorteile von Umstrukturierung oder Umbesetzung durch Umschulung.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Man stelle sich ein Sinfonieorchester vor, in dem alle Musiker unterschiedliche Melodien in ihrem eigenen Tempo spielen. Das Ergebnis wäre – wenig überraschend – schrecklich.

Chronischer Fachkräftemangel kostet

Überall auf der Welt sind die Beschäftigungszahlen auf dem höchsten Stand seit der weltweiten Rezession 2008. Die sinkt seit Jahren und wird Ende 2018 voraussichtlich auf 5,3 Prozent, im Folgejahr sogar auf 5,1 Prozent gesunken sein. Die US-Behörde für Arbeitsmarktstatistiken legte diesen Sommer einen Bericht vor, nach dem die Zahl der offenen Stellen erstmals höher war als die der Arbeitslosen. Ähnlich sieht es aus in EU Ländern: In Deutschland beispielsweise waren es 3,5 Arbeitslose für jede offene Stelle. Das ist in etwa gleich viel wie in der Schweiz, zeigen Zahlen vom September 2018.

Aber: Laut Einschätzung des Weltwirtschaftsforums WEF sind die Kosten des Fachkräfte- und Talentmangels für Arbeitgeber extrem hoch. In China belaufen sich die Kosten der Wirtschaft für die vergebliche Suche nach Talenten pro Jahr auf 250 Milliarden US-Dollar. In den USA sind es jährlich 160 Milliarden US-Dollar.

Es fehlt an allen Ecken und Enden

Eines der grössten Hemmnisse für Umstrukturierungsmassnahmen ist, dass viele Unternehmen nicht über die Strukturen oder Verfahren verfügen, um das Talent, das sie im Hause haben, zu überblicken. Abgesehen von groben Stellenbeschreibungen wissen sie meist nicht, über welche Talente ihre Mitarbeiter sonst noch verfügen, welche Qualifikationen oder Kompetenzen sie im Job erworben haben oder welche Karriereziele sie verfolgen.

Vielen Arbeitgebern fehlt es zudem an einem System, mit dem Mitarbeiter regelmässig über Stellenausschreibungen in anderen Bereichen des Unternehmens informiert werden.

Neben den Ersparnissen bei Abfindungen und Rekrutierung, liegen die Vorteile einer Umstrukturierungsstrategie in höheren Einstellungsraten, höherer Talentflexibilität und der Bindung von wertvollen Mitarbeitern.

Talentmobilität ist nicht nur für Arbeitgeber gut

Auch die Arbeitnehmer können profitieren, wenn sie die Regie über ihre berufliche Entwicklung übernehmen und sich für die Chancen des Erwerbs neuer Kompetenzen oder der Übertragung von Kompetenzen in einen völlig anderen Bereich im Unternehmen öffnen.

Talent ist derzeit Mangelware. Unternehmen, die Umstrukturierungsstrategien bereits erfolgreich umgesetzt haben, sparen nicht nur in erheblichem Umfang finanzielle Ressourcen, sondern geniessen auch einen Wettbewerbsvorteil im «Kampf» um Talente.

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Murielle Antille ist Senior Vice President Industry and Government Affairs bei Lee Hecht Harrison.

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