HR Today Nr. 11/2016: HR Consulting

Elefantenrunde

Die vier grössten Wirtschaftsberatungsunternehmen der Welt bauen infolge der beschleunigten technologischen und gesellschaftlichen Transformation neuerdings ihre HR-Beratungsdienstleistungen immer stärker aus. Grund genug, die HR-Chefs der Schweizer Big Four zum Roundtable zu laden.

Als HR-Verantwortliche der Schweizer Big Four sind Sie in einem hochkompetitiven Umfeld tätig. Wie sind eigentlich Ihre eigenen HR-Organisationen aufgestellt?

Michaela Christian Gartmann: Als Nummer eins der Big Four in der Schweiz beschäftigen wir rund 3000 Personen, wobei mein Team rund 70 Vollzeitstellen umfasst. Dabei rapportiere ich direkt an den CEO und COO. An den Geschäftsleitungssitzungen vertrete ich die HR-Themen. Als «People Business» in einem hart umkämpften Markt investieren wir viel in unsere Attraktivität als Arbeitgeber und in die Entwicklung und Umsetzung von neuen Lösungen. Zentrale Themen sind für uns Ausbildung, Digitalisierung, Kulturwandel und Business- sowie HR-Transformation. Hier stehe ich in einem fruchtbaren Austausch mit unserem HR-Consulting, welches unsere Kunden an vorderster Front berät.

Mario Vieli: Angesichts der 2700 Mitarbeitenden bei EY in der Schweiz und des durchschnittlichen Mitarbeiterzuwachses von annähernd 10 Prozent pro Jahr ist unsere HR-Organisation mit 27 Vollzeitstellen vergleichsweise schlank aufgestellt. Die fünf Vollzeitstellen für das Payroll- und die drei für das Global-Mobility-Management sind dabei nicht mitgezählt, da diese beiden Bereiche bei EY für den deutschsprachigen Raum durch Finance von Deutschland aus betreut werden. Ich rapportiere einerseits an den HR-Lead für den deutschsprachigen Raum und andererseits an den Managing Partner, der das Ressort «Talent» in der Schweiz verantwortet. Dabei nehme ich an allen Geschäftsleitungssitzungen teil, auch wenn ich kein formelles GL-Mitglied bin.

Daniel Sommer: Bei KPMG Schweiz betreuen wir mit rund 50 Vollzeitstellen im HR rund 2000 Mitarbeitende. Dies umfasst, teilweise im Gegensatz zu unseren Mitbewerbern, auch Funktionen wie Payroll oder Global Mobility. Ich nehme an allen Geschäftsleitungssitzungen teil, an denen HR-Themen zur Sprache kommen. Wie Frau Gartmann rapportiere ich sowohl an den CEO als auch an den COO.

Susanne Berger: Deloitte Schweiz ist hierzulande in den letzten Jahren sehr stark gewachsen, allein im letzten Jahr um 24 Prozent. Inzwischen beschäftigen wir über 1700 Mitarbeiter. Ich bin nicht Mitglied der Geschäftsleitung, sondern dem Managing Partner Talent unterstellt. Sie verantwortet HR in der Geschäftsleitung. Mein HR-Team zählt derzeit 28 Vollzeitstellen. Mit der Payroll, die wir an unser Human Capital Consulting und damit quasi an uns selbst ausgelagert haben, sowie dem internen Mobility-Team, wären es über 35 Stellen.

Welche Erkenntnisse aus Ihrer HR-Beratung fliesst auch bei Ihrer HR-Transformation ein?

Gartmann: Ich bin gerade daran, einen längeren HR-Transformationsprozess abzuschliessen. Hier habe ich eng mit unseren internen HR-Beratern zusammengearbeitet und wir haben dabei die Trends in unserer neuen HR-Organisation einfliessen lassen. Dies mit dem Ziel, unsere Effizienz zu erhöhen, uns strategischer auszurichten und uns fit für die Zukunft zu machen. Wir hatten eine sehr heterogene HR-Organisation mit eigenen Lösungen pro Fachbereich. Um unsere Effizienz zu steigern, wurden transaktionale Aufgaben in HR Operations gebündelt, auch um die HR-Business-Partner von administrativen Fragestellungen zu entlasten. Wir haben Centres of Excellence aufgebaut und unser Recruiting zentralisiert, um schneller zu sein. Nun sind wir daran, mit Success Factors ein integriertes HR-System einzuführen von der Rekrutierung bis zum Offboarding. Dies bedingt, dass wir alle Prozesse harmonisieren.

Vieli: Bei uns war in den letzten zwei Jahren die Transformation der HR-Organisation ebenfalls ein grosses Thema, wobei der Effizienzgewinn durch Offshoring im Vordergrund stand. Wir haben dabei eine zeitgemässe HR-Organisationsstruktur implementiert: HR-Business-Partnering, HR-Services inklusive Kundendienst, einem Recruiting Center of Expertise, das mit Unterstützung unseres Shared Services Centers in Polen agiert, und einem Talent Development Center of Expertise, das Unterstützung aus Indien in Anspruch nimmt. Im Nachgang zu den strukturellen Anpassungen werden uns in einem nächsten Schritt insbesondere die Optimierung von Prozessen und Infrastruktur beschäftigen. Bei EY verwenden wir aktuell SAP in Kombination mit Peoplesoft von Oracle. Im Rahmen der Transformation werden wir punktuell durch das Inhouse-HR-Beratungsteam People Advisory Services unterstützt. Als Gründungsmitglied von «Digital Switzerland» unterstützen wir unterschiedliche Standortinitiativen, um die Schweiz als Digital Hub auf der Weltkarte zu etablieren. Das Thema fordert auch HR heraus. Gerade wenn wir für Digital Natives als Arbeitgeber attraktiv sein wollen, kann es nicht sein, dass die HR-Prozesse noch vorwiegend papierlastig daherkommen.

Sommer: Wir haben für HR-Beratung in der Schweiz keinen eigenen Geschäftsbereich. Selbstverständlich beschäftigen wir uns aber im Rahmen unserer Unternehmensberatung sehr wohl auch mit HR-Themen und ziehen bei Bedarf die Expertise anderer Ländergesellschaften hinzu. Mit unserer Organisation befinden wir uns ebenfalls in einem Transformationsprozess. Nachdem wir uns im Oktober 2014 aus der europäischen Dachorganisation herausgelöst hatten, haben wir uns die Frage gestellt, wie wir gemeinsam unterwegs sein wollen und welche Werte uns verbinden. Insofern haben wir die letzten zwei Jahre sehr viel Energie darauf verwendet, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zum Nutzen unserer Kunden zu fördern und eine gemeinsame Wertebasis zu schaffen. Aktuell arbeiten wir an der konsequenten Harmonisierung der Prozesse und Systeme. Wir führen Mitte nächsten Jahres mit Microsoft Dynamics ein neues ERP-System ein. Das ist für das Gesamtunternehmen ein wegweisender Entscheid, der zur Erreichung unserer ambitionierten Ziele einen wichtigen Beitrag leisten wird.

Berger: Mit meinem Wechsel zu Deloitte habe  ich die HR-Transformation in die Wege geleitet. Wir haben die Administration zentralisiert und zu einem Teil an unsere Shared-Services-Organisation nach England ausgelagert. Per 1. September haben wir auch einen Teil des Recruitings an einen Managed-Service-Provider nach Polen ausgelagert. Wir sind in beide Himmelsrichtungen am Auslagern und behalten diejenigen HR-Dienstleistungen in der Schweiz, die für unsere Organisation einen wirklichen Zusatznutzen darstellen. Den HR-Transformationsprozess haben wir grösstenteils aus eigener Kraft gestemmt. Punktuell nahmen wir auch die Adhoc-Unterstützung von Experten aus unserem eigenen Human-Capital-Consulting hinzu. Bei allem haben wir versucht, Best-Practice-Ansätze aus dem Verbund zu nutzen und für die Schweiz anzupassen. Vom HR-IT-System her sind wir mit SAP HR im Moment noch eher altmodisch unterwegs und verfügen derzeit noch über keinen integrierten Prozess. Aber ich bin sehr gespannt, was auf diesem Gebiet die Zukunft bringt, weil wir kürzlich mit Apple ein globales Partnership-Agreement eingegangen sind und nun auf eine iOS-Solution setzen. Das ist für mich Neuland.

Michaela Gartmann, Territory Human Capital Leader, PwC Schweiz

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Michaela Gartmann (43) hat ihre HR-Karriere bei Pricewaterhouse nach der kaufmännischen Ausbildung gestartet, wo sie das HR-Handwerk «von der Pike auf» erlernt. Während mehreren Jahren beschäftigt sie sich im EMEA-Raum vorrangig mit Organisationsentwicklung und Change Management. Danach wechselt sie zur GE Money Bank und wird nach vier Jahren von PwC als HR-Leiterin für den Bereich Tax&Legal zurückgeholt, übernimmt die Verantwortung für den Bereich «Talent» und ist nun seit vier Jahren HR-Chefin der PwC Schweiz mit heute 3000 Mitarbeitern und einem HR-Team von 70 Vollzeitstellen. Gartmann verfügt über einen Master of Advanced Studies in Human Resources Management und hat sich auf den Gebieten Human Resources, Change Management und Organisationsentwicklung laufend weitergebildet. Sie ist glücklich verheiratet und lebt in einem 180-Seelen-Weiler im Zürcher Oberland. In ihrer Freizeit geniesst sie die Bewegung in der Natur, kocht sehr gerne und verbringt Zeit mit ihrer Familie und Freunden.

Welche Transformationsthemen stehen für Sie künftig im Vordergrund?

Gartmann: Für mich sind es vorrangig drei Themen. Erstens, die HR-Transformation insgesamt. Also die Frage, wie HR für die künftigen Herausforderungen aufgestellt ist. Neben den HR-Prozessen geht es dabei namentlich auch um die Neudefinition von Rollen und Verantwortlichkeiten. Ein zweites Thema ist der Kultur- und Wertewandel und damit eng verbunden das Generationenmanagement. Als drittes zentrales Thema die Digitalisierung, die einen enormen Einfluss auf die gesamte HR-Wertschöpfungskette hat.

Sommer: Die digitale Transformation wird sich spürbar auf unsere Personalstruktur und die erforderlichen Kompetenzen auswirken. Beispielsweise werden wir mit der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung der Wirtschaftsprüfung für die Auswertung grosser und komplexer Datensätze zunehmend Spezialisten benötigen, die mit Big Data effizient und effektiv umzugehen wissen. Ein weiterer Aspekt ist das gegenseitige Verständnis zwischen den Generationen im Unternehmen. Millenials und ältere Generationen unterscheiden sich in wichtigen Punkten, können aber sehr viel voneinander lernen. Für die Führungsarbeit und die Ausgestaltung der Infrastrukturen hat dies aber teils weitreichende Konsequenzen.

Unkenrufen zufolge soll das von Ihnen gepflegte Partnermodell die jüngere Generation immer weniger incentivieren. Teilen Sie den Eindruck?

Vieli: Auf Stufe der Senior Manager streben immer noch viele den Partner-Status an. Bei den Millenials und Generation Y sehe ich diese Ambition weniger. Da stehen zunehmend andere Werte und Bedürfnisse im Vordergrund, etwa Flexibilität und eine offenen Organisationskultur sowie spannende Aufgaben. Es kann für unsere Partner eine Herausforderung sein, die Ansprüche der Mitarbeitenden mit den Kundenansprüchen unter einen Hut zu bringen, da viele Kunden eine ständige Verfügbarkeit unserer Berater fordern.

Sommer: Wir sind in gewissen Themen auf Spezialisten angewiesen, deren oberste Priorität es nicht ist, Partner zu werden, sondern die auch andere Ziele verfolgen. In diesem Zusammenhang beschäftigen wir uns zunehmend auch mit innovativen Arbeitszeitmodellen. Generell stelle ich fest, dass immer weniger Leute mit dem klaren Ziel eintreten, 10 oder 15 Jahre lang auf den Partnerstatus hinzuarbeiten.

Gartmann: Die jüngere Generation stellt andere Bedürfnisse in den Vordergrund. Diese müssen wir noch stärker in der individuellen Karriereplanung berücksichtigen und Wünsche nach beispielsweise flexiblen Arbeitszeitmodellen oder Auszeiten proaktiv unterstützen. Das bedeutet, dass die Karrierepfade heterogener werden. Aus meiner Sicht wird der klassische Karriereweg zum Partner dennoch weiterbestehen.

Berger: Das Modell ist nicht ausgehebelt, aber ich glaube auch, dass ein Wandel stattfindet. Wir stellen fest, dass heute die Loyalität gegenüber einem Projekt oder einem Team oft höher ist als gegenüber dem Arbeitgeber. Es geht mehr um die aktuelle Arbeit selbst. Macht die Zusammenarbeit mit dem Team Spass, bietet der Inhalt der Aufgabe genug Herausforderung oder Sinn? Deshalb ist es oft so, dass, wenn ein Projekt zu Ende geht, auch die Motivation sinkt. Es ist kein Geheimnis, dass die Fluktuationsrate in unserer Branche relativ hoch ist.

Vieli: Wir streben bewusst ein gesundes Fluktuationsniveau an und verstehen uns gewissermassen auch als Talentenprovider für die Wirtschaft. Wir haben relativ viele Mitarbeitende, die in ein klassisches Unternehmen wechseln und nach ein paar Jahren wieder zu uns zurückkehren. Diese Profile sind für uns durchaus interessant, weil sie das «Handwerk» aus verschiedenen Perspektiven kennenlernen und dabei wichtige Netzwerke aufbauen.

Mario Vieli, Head Human Resources, EY - Ernst & Young Schweiz

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Mario Vieli (44) ist seit dem 1. August 2016 Head Human Resources bei Ernst & Young Schweiz. Er trat 2008 bei EY ein, leitete zahlreiche Kundenmandate mit Fokus auf Risk Management und war massgebend an der Entwicklung des Geschäftsbereichs Financial Services beteiligt. Insgesamt war er 20 Jahre in leitenden Funktionen in der Finanzindustrie tätig. Von Haus aus Naturwissenschaftler mit Studien in Geografie und Biologie an der Universität Zürich, absolvierte er 2005 ein Executive MBA an der University of Strathclyde Business School in Glasgow. Vieli ist als Sohn eines Schweizer Auswanderers in Brasilien aufgewachsen. Er ist verheiratet, Vater zweier Töchter im Teenageralter und lebt in Zürich. Seine Freizeit verbringt er am liebsten im Wallis mit Familie und Berner Sennenhund.

Gibt es klassische Bewegungsmuster, wenn Leute innerhalb der Big Four den Job wechseln?

Berger: (lacht) Als «New Kid on the Block» wachsen wir derzeit sicher am stärksten. Besonders im Consulting. Betreffend Abwanderung beobachte ich weniger das Phänomen, dass innerhalb der Big Four die Stelle gewechselt wird, sondern eher, dass die Leute in kleinere Beratungsfirmen oder zu Start-ups wechseln, wo sie sich mehr Verantwortung versprechen.

Vieli: Vereinzelt verlassen uns Mitarbeitende zu zweit oder zu dritt, um eigene Firmen zu gründen. Damit kann ich gut leben. Es ist ja auch ein Zeichen, dass wir die Leute gut entwickelt haben. Was viel mehr schmerzt, sind Wechsel zur Konkurrenz. Da muss man sich schon die Frage stellen, ob man etwas noch besser machen könnte.

Gartmann: Der Wechsel zur Konkurrenz ist oft auch mit einem Karriereschritt verbunden, der in der angestammten Firma nicht möglich war. Wir analysieren die Austrittsgründe sehr genau, da wir ein Interesse daran haben, dass gute Leute bei uns bleiben und wir sie in die richtigen Positionen weiterentwickeln können. Deshalb gewinnt der Bereich des Coachings und Mentorings bei uns weiter an Bedeutung.

Die Fluktuation in der Beraterbranche wird auf Arbeitgeberbewertungsplattformen wie Kununu teilweise von harschen Kommentaren begleitet. Wie gehen Sie mit diesem Phänomen um?

Sommer: Ich bin der Meinung, dass man sich dort aktiv und steuernd einbringen sollte. Wir beantworten ungefähr die Hälfte aller Kommentare. Undifferenzierte Voten oder Beiträge ohne Begründungen lassen wir aber auch einfach mal stehen. Was nichts bringt auf einer solchen Plattform, sind Rechtfertigungen. Arbeitgeberbewertungsplattformen wie Kununu sind im Rahmen unserer Employer-Branding-Strategie ein wichtiges Thema, dem wir uns ernsthaft angenommen haben. In gewissen Situationen setzen wir auch proaktiv an. Nach Abschluss des Recruitingsprozesses fordern wir – auch nicht berücksichtigte – Kandidaten dazu auf, uns auf Kununu zu bewerten.

Berger: Wir haben Kununu bisher eher wenig Beachtung geschenkt, gehen das Thema aber jetzt mit mehr Aufmerksamkeit  an. Es macht sicher Sinn, auf gewisse Kommentare zu reagieren. Einige Kommentare waren jedoch eindeutig Bashings von Leuten, die uns verlassen haben und einfach ihren Frust ablassen wollten. Da kann man eigentlich nur verlieren.

Vieli: Das war bei uns bisher ähnlich. So haben wir zurzeit weder eine Kununu-Unternehmensseite, noch bewirtschaften wir Kununu-Kommentare aktiv. Aber ich bin überzeugt, dass wir hier aktiver werden sollten.

Gartmann: Ich beantworte ausnahmslos jeden Kommentar. Seither erhalte ich vermehrt Anfragen von Kandidaten, die meine Einträge gelesen haben und deshalb auf mich zukommen. Aus meiner Sicht lohnt es sich, dazu zu stehen, wenn Dinge nicht gut gelaufen sind, und damit zu signalisieren, dass Kritikpunkte aufgenommen werden. Bei Bashings frage ich zurück, ob die Kritik auch intern angebracht wurde, denn wir streben eine offene Feedbackkultur an.

Daniel Sommer, Leiter Human Resources, KPMG Schweiz

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Daniel Sommer (47) hat einen Fachhochschulabschluss in Chemie, ergänzt durch ein Nachdiplomstudium in Betriebswirtschaft und den Personalmanagement-Kurs SKP Executives. Nach sechs Jahren als Chemiker stieg er 1998 in der Maschinenindustrie bei Huber+Suhner ins HR ein. Bei Telekurs (heute Six Group) beschäftigt er sich Ende der 90er-Jahre während der Dotcom-Ära mit der Rekrutierung von IT-Fachkräften und verlässt Telekurs als HR-Leiter für den Zahlungsverkehrsbereich und Verantwortlicher für Compensation & Benefits für die Telekurs Gruppe. Seit fast zehn Jahren ist Sommer bei der KPMG im HR tätig, seit Ende 2013 in der Rolle des Personalleiters. KPMG beschäftigt in der Schweiz rund 2000 Mitarbeitende, während sein HR-Team rund 50 Mitarbeitende umfasst. Sommer hat als Klarinettist sein Studium finanziert und ist bis heute leidenschaftlicher Fan klassischer Musik. Daneben ist er als Touren-Motorradfahrer gerne auf Europas Strassen unterwegs.

Apropos Feedbackkultur: Das neue Performance Management-Modell von Deloitte sorgt in der Branche gerade für reichlich Aufsehen.

Berger: Wir sind der Auffassung, dass die Art, wie Performance Management heute betrieben wird, revolutioniert gehört: Schluss mit Jahresendgesprächen und Forced Ratings! Wir haben deshalb in unserem globalen Netzwerk nach Best-Practice-Ansätzen gesucht und sind bei dem Modell, das unsere US-amerikanische Mitgliedsfirma seit 2014 erfolgreich einsetzt, fündig geworden. Ein wichtiges Element des neuen App-basierten Performance-Management-Systems ist die Feedbackkultur ohne Rücksicht auf Hierarchie. Der Ansatz wird nun bei Deloitte global umgesetzt. Die Schweiz ist Teil der ersten Welle. Bei der Einführung arbeiten wir intensiv mit unserer Consulting-Practice zusammen, da wir diesen Ansatz zeitgleich ja auch Kunden anbieten. Das beinhaltet einen gewissen Mut zum Risiko, weil wir nicht alle Fragen beantworten können.

Sommer: Mir stellt sich hier die Frage, ob man das eine zu Gunsten eines anderen Systems gleich abschaffen muss oder vielleicht nicht besser beides machen sollte, zumindest in einer Übergangsphase. Die rasche Abschaffung der Ratings beurteile ich sehr kritisch. Ein solches System stellt beispielsweise hohe Anforderungen an die Führungskräfte. Dem müssen wir Rechnung tragen. Aber ich bin einverstanden, dass wir den Feedback-Approach fundamental renovieren müssen. Vielleicht liegt die Lösung auch in einer sinnvollen Ergänzung beider Konzepte.

Vieli: Es ist eine schwierige Diskussion und wir sind uns wohl alle einig, dass das jetzige Konzept nicht das Gelbe vom Ei ist. Ich bin einverstanden, dass sich die Feedbackkultur verändern muss. Der Ansatz ohne Ratings und Forced Ranking wird bei EY zurzeit heftig diskutiert, insbesondere weil wir diesbezüglich entsprechende Pilotprojekte lanciert haben. Ich stimme Daniel Sommer zu: Das Konzept funktioniert mit ausgezeichneten Vorgesetzten, die sich entsprechend Zeit nehmen. Wir richten vermehrt den Fokus darauf, die Vorgesetzten weiterzuentwickeln. Dabei geht es unter anderem auch darum, Farbe zu bekennen und Leistungen fair zu bewerten – mit oder ohne Ratings.

Gartmann: Ich bin absolut dafür, in neuen Ansätzen zu denken. Wir haben uns intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt und die Entwicklung bei Deloitte, aber auch bei Accenture und GE mitverfolgt. Der Grund, weshalb man den Ansatz des bisherigen Performance Managements revolutionieren will, kann ich nachvollziehen. Da es zeitlich sehr aufwendig ist, nicht mehr die richtigen Ziele verfolgt und am Schluss niemand wirklich zufrieden ist. Für mich sind durch den neuen Ansatz ohne Ratings jedoch gewisse Fragen noch nicht schlüssig beantwortet worden. Wie differenzieren wir die Leistung unserer Mitarbeiter? Was ist die Basis für die leistungsabhängige Entlöhnung? Für uns sind dies zentrale Fragestellungen und wir brauchen dafür ein solides Framework. Mit einem Rating haben die Mitarbeitenden Ende Jahr gewusst, wo sie stehen. Wenn mit einer Abschaffung des Ratings andere Einstufungskategorien verwendet werden, müssen diese für die Mitarbeitenden klar nachvollziehbar sein. Anderenfalls geht es mit der Transparenz in eine falsche Richtung. Aus den genannten Gründen haben wir uns entschieden, bis auf Weiteres Ratings beizubehalten. Wir setzen jedoch einen viel grösseren Fokus auf laufende Rückmeldungen und sogenannte «In-the-moment-Feedbacks».

Berger: Wir schaffen zwar das Rating ab, aber auch in unserem Modell gibt es sogenannte «Performance-Snapshots», die vier bis sechs Mal pro Quartal einen Anhaltspunkt geben, wie sich die Performance über das Jahr hinweg entwickelt. Diese Entwicklung dokumentieren wir mit unserem Tool und verwenden das Ergebnis als einen weiteren Datenpunkt bei der Festlegung der variablen Entschädigungen – einfach ohne die leidige Forced Distribution.

Gartmann: Worüber wir diesbezüglich noch gar nicht gesprochen haben, ist die Frage der Nachfolgeplanung. Wie sollen wir unsere künftigen Leader und strategische Massnahmen identifizieren für Aus- und Weiterbildungen?

Sommer: Das waren auch für uns entscheidende Fragen. Wir haben uns intensiv damit befasst, wie wir den Link zur variablen Entlöhnung herstellen. Das bestehende Rating einfach durch eine andere Skala hinter den Kulissen zu ersetzen, macht sicherlich wenig Sinn. Klar kann ich die Informationen aus vielen schriftlichen Feedbacks zusammensuchen, aber am Ende braucht es eine Kennzahl, mit der ich das managen und transparent kommunizieren kann.

Vieli: Aus Pilotprojekten wissen wir, dass der neue Ansatz für gewisse Populationen funktionieren kann, etwa für die Hochschulabgänger in den ersten Jahren nach dem Direkteinstieg.

Bei aller Konkurrenz: Gibt es auch Themen, wo Sie gemeinsame Interessen verfolgen?

Gartmann: Absolut. Bei Themen wie der Immigration, Wirtschaftsprüferausbildung oder Arbeitszeiterfassung haben wir gemeinsame Interessen. Gerade beim Thema Arbeitszeiterfassung brauchen wir eine konsolidierte Haltung. Wir sind uns einig, dass das heutige Arbeitsgesetz nicht mehr mit den Bedürfnissen der Gesellschaft und unserer Branche übereinstimmt.

Sommer: Gerade die Bedürfnisse der Millenials divergieren mit den aktuellen Rahmenbedingungen der Arbeitsgesetzgebung. Wir stossen teilweise auf Unverständnis, wenn wir von HR her auf gewisse Rahmenbedingungen hinweisen, die wir von Gesetzes wegen einhalten müssen – etwa punkto Ruhezeiten oder Wochenendarbeit. Das passt nicht mehr mit den Arbeitsvorstellungen jüngerer Generationen zusammen.

Berger: Da wird jahrelang über die Vereinfachung der Arbeitszeiterfassungspflicht diskutiert und dann stellt sich die neue Verordnung für viele Branchen als Rohrkrepierer heraus. Wir haben uns mehr Rücksichtnahme auf die Realität der heutigen Arbeitswelt erhofft. Kaum nachvollziehbar finde ich, dass die Befreiung von der Pflicht der Arbeitszeiterfassung an einen GAV geknüpft ist. Es ist für mich ein Widerspruch, wenn ich mich mit den Sozialpartnern an einen Tisch setzen muss, um für Mitarbeiter mit einem Jahressalär ab 120 000 Franken zu verhandeln, die in der Regel gar nicht gewerkschaftlich organisiert sind.

Vieli: Die exogenen Faktoren verändern den Arbeitsmarkt in der Tat. Namentlich eben auch die politische Frage der Immigration. Wir haben auf gewissen Gebieten zahlreiche Spezialisten aus dem Ausland unter Vertrag. Dabei trifft uns die Immigrationsfrage gleich im doppelten Sinn: Bezogen auf unsere eigene Belegschaft, aber auch in Bezug auf unsere Kunden. Wenn unsere Kunden nicht mehr in der Lage sind, stark spezialisierte Profile aus dem Ausland zu rekrutieren, werden häufig Projektmandate ausgeschrieben, wobei das Problem zur Lösung an uns weitergegeben wird. Eine massvolle Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative ist für uns deshalb von höchster Priorität.

Susanne Berger, Head Human Resources, Deloitte AG

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Susanne Berger ist seit zweieinhalb Jahren Personalchefin bei Deloitte Schweiz. Die Deutsch-Schweizerische Doppelbürgerin lebt seit 20 Jahren in der Schweiz. Nach einer Karriere in Marketing und Sales bei Procter&Gamble und Johnson&Johnson, startete sie ihre «zweite Karriere» im HR, die sie über Stationen bei Cilag, Unilever und Valora in die aktuelle Position führt. Im Schweizer Markt als Nummer vier der Big Four präsent, ist das Unternehmen allein im letzten Jahr um 24 Prozent gewachsen und beschäftigt heute rund 1700 Mitarbeiter. Bergers HR-Team umfasst ohne Payroll und Global-Mobility-Management 28 Mitarbeiter. Susanne Berger hat in Münster Betriebswirtschaft studiert, ist Mutter einer 17-jährigen Tochter und lebt in Zug. In ihrer Freizeit betreibt sie Ausdauersport, um für ihre Passion, das Freeride-Skifahren abseits der Pisten fit zu sein.

Wie sieht für Sie die ideale HR-Organisation aus?

Sommer: Ich glaube, dass in unseren Positionen die Nähe zu den Leuten entscheidend ist. Zudem halte ich Innovationsförderung für ein wichtiges Thema. Mein CEO hat einmal zu mir gesagt: «Komm mit zehn Ideen auf mich zu, neun werden wir vielleicht nicht umsetzen können, aber möglicherweise ist die Zehnte genau die, die ich suche.» Das ist ein Weckruf, den wir ernst nehmen sollten.

Gartmann: Bei den grossen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformationsfragen haben wir als HR heute eine grosse Chance, uns neu zu positionieren. Das bedingt, dass wir für diese komplexen Fragestellungen mit neuen Ansätzen überzeugen. Einerseits braucht es dafür die richtigen Spezialisten, andererseits muss aber auch das operative HR-Geschäft effizient und effektiv abgewickelt werden. Die ideale HR-Organisation muss agil operieren, nah am Business und an den Mitarbeitern sein sowie in komplexen Fragestellungen neue Trends setzen können.

Berger: Ich glaube, diese Frage steht und fällt mit den Führungskräften. Mir geht es am Ende nicht darum, irgendeinen Titel zu haben, sondern darum, wie HR Führungskräfte mitauswählen, entwickeln und beeinflussen kann, damit sich die Führungskultur nachhaltig positiv wandelt. Das ist mein Ehrgeiz.

Vieli: Die Kernfrage lautet auch für mich, wie wir HR aufstellen, um dem Business einen grösseren Mehrwert zu bringen. HR ist kein Elfenbeinturm. Deshalb finde ich es spannend, wenn HR-Leute – wie auch in dieser Runde – nicht nur im HR Karriere gemacht haben, sondern aus dem Business kommen. Das Lancieren von neuen Themen ist eine wichtige Funktion von HR, womit wir ein wichtiger Treiber für die Agilität einer lernenden Organisation sind.

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Ehemaliger Chefredaktor HR Today.

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