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HR-Lokführer der SBB - Markus Jordi träumft privat nicht von Zügen, sondern Porsches

Musse bedeutet für Markus Jordi, gegen die Uhr der Emme 
entlang zu joggen oder beim Downhillen mit dem Mountainbike Adrenalin zu spüren. Gegenwind stört ihn nicht – weder 
privat noch geschäftlich als Leiter HR bei der SBB. Ein Sprinter, 
der gelernt hat, dass langsamer manchmal schneller ist.

Markus Jordi ist kein klassischer Bähnler. Er mag schnelle Autos. Vor allem für Porsches hat er eine Schwäche. «Ein Relikt aus jungen Jahren. Ich war etwas ungestüm», sagt er und lacht. Ungestüm wirkt er nicht. Aber dynamisch. Freundlich und offen. Der Porsche jedoch bleibt nur ein Traum. Alles andere wäre «ein schräges Zeichen – in der Firma und in der heutigen Zeit mit Ressourcenknappheit und Umweltfragen». Also fährt der Leiter Human Resources der SBB einen familientauglichen, praktischen Kombi – wenn er nicht in den Zug steigt.

Der Verzicht auf Geschwindigkeit für mehr Bequemlichkeit entspricht Jordi eigentlich nicht. Er ist gerne schnell unterwegs, packt die Dinge an, arbeitet zielorientiert und konzentriert vorwärts – oft an mehreren Fronten gleichzeitig. «Er hat immer mehrere Töpfe gleichzeitig am Brodeln», beschreibt ihn eine nahe Arbeitskollegin. Davon spürt man in seinem Büro nichts. Zwar liegen Smart Phone und Tablet, eingehüllt in grün-graue Hüllen von Freitag, vor ihm auf dem Besprechungstisch, und in regelmässigen Abständen kündigt sich am Computer hinter ihm ein Mail an. Aber Jordi wirkt entspannt.

Wettkämpfe mit dem Chef

Es ist ein aufgeräumtes, helles Büro. Im Büchergestell zeigt die klassische Bahnhofsuhr die Zeit an, in einer Ecke stehen ein paar Bahn-Utensilien aus vergangenen Zeiten. Es sind Geschenke von Angestellten, die intensiver mit Jordi zu tun hatten. «Ich bin kein Sammler, aber diese Stücke sind an Personen gekoppelt und haben darum eine Bedeutung für mich», sagt Jordi. Bestimmt wird der Raum von drei grossen Bildern eines Seerosenteichs und der schönen Aussicht: Der Gurten, das Bundeshaus und die Berner Alpen übertrumpfen sich.

Unter dem Fenster bevölkern Studenten die Terrasse über dem Bahnhof. Auch Jordi hat hier sein Jus-Studium absolviert, direkt neben dem Gebäude der SBB-Geschäftsleitung. Ab und zu haben er und seine Freunde an schönen Sommertagen die Vorlesung geschwänzt und auf der Wiese dem Leben gefrönt, mit Blick auf den herrschaftlichen SBB-Bau und nicht ganz netten Kommentaren über die «Schlafsäcke» im Bundesbetrieb. Dass er selber einmal in dem Gebäude arbeiten würde, hätte er damals nicht gedacht. Auch Jahre später nicht, als die SBB bei ihm anklopfte. Jordi war zu jener Zeit bei der Bâloise Holding Leiter Corporate Human Resources und bei der ersten Anfrage nicht begeistert von der Idee eines Stellenwechsels. «Zu bundesnah, zu öffentlich» fand er die SBB.

Doch die Anfrage hat nachgehallt. Und ein Gespräch mit CEO Andreas Meyer hat ihn überzeugt. Er mochte Meyers Dynamik, seinen Wunsch, etwas zu bewegen, und den Enthusiasmus, den er ausstrahlte. Die beiden verstehen sich gut, die angeschlagene Geschwindigkeit in der Anfangszeit – Jordi kam 2007 zur SBB – war aber zu hoch, wie der HR-Leiter rückblickend sagt. «Wir mussten lernen, dass Transformationsprozesse ihre Zeit benötigen.» Wenn Meyer und Jordi gemeinsam in Workshops sind, gehen sie ab und zu zusammen laufen. «Öfters wird daraus ein kleiner Wettkampf», beschreibt Jordi die Joggingrunde mit seinem Chef schmunzelnd. Er mag es kompetitiv und leistungsorientiert. Es macht ihm Spass und es ist ein Ausgleich. Darum sitzt er wohl so ruhig da, wenn es nötig ist. Legt die Fingerspitzen aneinander, hört zu und erzählt.

Wette verloren, Waffenlauf absolviert

Vom Sport zum Beispiel und seiner Faszination für Ausdauersportarten. Vieles hat er ausprobiert, meist mit Erfolg. Bis zum Alter von 
18 Jahren ist er auf hohem Niveau gerudert. «Nachher wurde der Zeitaufwand zu gross, sich weiter zu steigern.» Jordi stieg um auf Mountainbike und ist bis Mitte 30 ab und zu sogar Rennen gefahren. Heute, mit 51, fährt er hobbymässig, lässt es aber abwärts immer noch sehr gerne «kesseln». «Ich mag Adrenalinschübe», sagt er. Zudem läuft er zwei- bis dreimal pro Woche 15 Kilometer, gegen die Uhr, der Emme entlang. «Das ist wunderschön. Die Gerüche, die Aussicht und die Ruhe, es ist ein gesamtsinnliches Erlebnis. Man kommt in einen Zustand der Befreiung, kann gut nachdenken. Ich habe schon einige geschäftliche Herausforderungen in diesem Flow gelöst.»

Diese privaten Lauftrainings sind einer der wenigen Momente, in denen Jordi es schätzt, alleine zu sein. Er sagt von sich selbst, er sei ein sehr geselliger Mensch. Andere sagen über ihn, er habe einen guten Sinn für Humor. Dieser hat ihn wohl auch zu einer weiteren Sportart gebracht: Durch eine verlorene Wette ist er zum Waffenlauf gekommen, doch statt einer Bestrafung war das für Jordi eine Entdeckung. 30 Kilometer zurückzulegen mit Rucksack und Waffe, in mühsamen Kleidern und ohne Hightech-Materialien, empfindet er als Freiheit. Normale Laufevents seien «zu einem Jahrmarkt der Eitelkeit» verkommen. «Ich mag es lieber einfach.»

Der Einfluss der Schwerindustrie

Aufgewachsen im Kanton Solothurn, einem «traditionellen Industriekanton», hatte Jordi schon früh Kontakt zur Arbeiterbewegung. Bis heute faszinieren ihn die Menschen dahinter. «Wir wohnen in Gerlafingen, einem Dorf der Schwerindustrie, Sitz der Von Roll, das prägt einen Ort.» Die Menschen da seien bescheiden, stark und hätten sich eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt. «Sie haben klare Wertegefüge und waren stets beseelt vom Wunsch, der 
nächsten Generation eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Sie bewahren Stolz und Würde, das beeindruckt mich.»

Jordi hat selber schon während des Studiums bei der Von Roll gearbeitet – im HR-Team. Nach Studienabschluss ist er ganz eingestiegen. Als Leiter der betrieblichen Sozialpolitik und unter anderem als Leiter der beiden Konzernpensionskassen hat er auch individuelle Fallbegleitungen gemacht – eine Erfahrung, die ihn bis heute prägt. «Zu mir kamen Menschen, die in wirklich schwierigen Situationen steckten. Viele der Fälle von damals hätten heute keinen Platz mehr in Firmen, das beschäftigt mich.» Jordi ist überzeugt, dass die Unternehmen mehr machen müssten, um Menschen, die nicht mehr alle Leistungsanforderungen erfüllen können, sinnvoll weiter zu beschäftigen.

Er versucht das in der SBB umzusetzen, ist aber auch persönlich engagiert im sozialen Bereich: Jordi ist Präsident eines Behindertenheimes und Vizepräsident des Stiftungsrates des Alters- und Pflegeheims in Gerlafingen. In erstere Position ist er durch seinen ältesten Sohn gerutscht: Markus Jordi und seine Frau haben drei Kinder aus Haiti adoptiert. Der älteste Sohn, 14 Jahre alt, ist schwer geistig behindert. Ein harter Schicksalsschlag für einen Vater, der es nicht gewohnt war, sein Tempo zu drosseln. Aber: «Man erkennt die wirklich wichtigen Dinge im Leben, die Werte verändern sich. Ich habe gelernt, in kleineren Portionen zu essen», sagt -Jordi. Das seien Erfahrungen, die auch für den Berufsalltag sehr wertvolle Impulse bringen.

Zur Person

Markus Jordi ist als Leiter Human Resources bei der SBB für rund 29 000 Mitarbeiter verantwortlich. Er ist zudem Mitglied der Konzernleitung und Präsident des Stiftungsrates der PK SBB. Vor seinem Wechsel zur SBB im Jahr 2007 war er im Finanzsektor tätig: Jordi war Leiter Corporate Human Resources und Managing Director bei der Bâloise Holding, vorher war er Leiter Personal und Ausbildung und Mitglied der Direktion bei der Solothurner Kantonalbank. Markus Jordi hat an der Universität Bern Jura studiert und ein Nach-diplomstudium in Personalmanagement an der Universität in St. Gallen absolviert.

Bubentraum wird Mädchenoption

Die Kinder kämen etwas zu kurz mit seinem Pensum, gibt er zu. Dafür kümmert sich seine Frau rund um die Uhr um die Familie. Jordis leben die traditionelle Rollenteilung – «aber bewusst und freiwillig», wie der Vater sagt. Dass er hinter Frauen steht, die sich im Beruf verwirklichen wollen, beweist er im Geschäftsalltag. Seit die Konzernleitung der SBB in seiner Verantwortung ein entsprechendes Programm aufgesetzt hat, ist der Frauenanteil im Topkader von 5 auf 16 Prozent gestiegen. Der gesamte Frauenanteil im Unternehmen beträgt zurzeit 15 Prozent – Jordi will 30 erreichen. Angefangen hat er mit den Lokführerinnen. «Wir arbeiten gezielt daran, den Beruf auch Frauen schmackhaft zu machen.» Damit haben Jordi und sein Team in ein Wespennest gestochen: Lokführer, der Bubentraum, soll plötzlich auch für Mädchen eine Option sein? Das kam intern nicht bei allen gut an. «Es ging ja nie darum, den Buben einen Traum wegzunehmen», kontert Jordi, «sondern ihn zu erweitern.»

Gegenwind schreckt ihn nicht ab. Jordi ist mit starken Gewerkschaften und der Öffentlichkeit konfrontiert und trotzdem niemandes Feind, wie sein Team sagt. Vielleicht wegen seiner Bescheidenheit. «Wenn ich zur Stosszeit im Hauptbahnhof Zürich stehe, überkommt mich ein Gefühl der Demut. Es wird mir bewusst, dass mein Beitrag zum Ganzen sehr relativ ist, und ich habe grossen Respekt vor dem riesigen System.» Und in welchen Zug steigt er dann am liebsten? «Meine Lieblingsstrecke ist Zürich–Bern. Hier fahren die Züge am schnellsten.»

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