Im Gespräch

Mobilität bleibt bei Arbeitnehmenden oft nur ein Gedankenspiel

Gibt es einen Unterschied zwischen tatsächlich gezeigtem Mobilitätsverhalten und der grundsätzlichen Bereitschaft 
zum Wechsel? Was sind die Gründe, die Schweizerinnen und Schweizer dazu bewegen, ihren Arbeitgeber zu wechseln? 
Diesen Fragen ist das aktuelle Schweizer HR-Barometer auf den Grund gegangen.

Fast 80 Prozent der Schweizer Arbeitnehmenden haben im letzten Jahr weder den Arbeitgeber noch den Beruf gewechselt. Obwohl die schnelllebige und globalisierte Wirtschaftswelt mobiles und flexibles Verhalten zunehmend fordert, berichten nur gerade 
20 Prozent der Befragten über einen entsprechenden Wechsel in ihrem Arbeitsleben innerhalb des letzten Jahres. Bei genauerer Betrachtung der Gruppe der Beschäftigten ohne Arbeitgeber- und Berufswechsel zeigt sich, dass diese Mobilitätsgruppe ein ausgeprägtes Interesse an einer traditionell sicherheitsorientierten Karriere aufweist. Dementsprechend scheint die Mehrheit der Schweizer Arbeitnehmenden eine langjährige Beschäftigung im gleichen Betrieb und in der gleichen Berufsfunktion anzustreben.

Diese ausgeprägte Neigung zu Stabilität und Sicherheit scheint sich mit zunehmendem Alter zusätzlich zu verstärken. So sind Beschäftigte ohne Arbeitgeberwechsel signifikant älter 
als Arbeitskräfte von mobilen Arbeitnehmergruppen. Für Arbeitgeber ist diese schweizerische Vorliebe einerseits von grossem Vorteil, da ein firmentreues Verhalten der Beschäftigten zu geringen Fluktuationskosten führt. Andererseits kann die geringe Mobilität in Veränderungssituationen, die in der momentanen Wirtschaftslage vermehrt auftreten werden, auch zu einer Last für das Unternehmen werden. So sind Veränderungen für ein Unternehmen schwierig umzusetzen, sesshafte Mitarbeitende müssen allenfalls mit einer Kündigung zu einem Wechsel gezwungen werden.

Die Bereitschaft zum Wechsel wäre grundsätzlich vorhanden

Stellt man das Mobilitätsverhalten der allgemeinen Bereitschaft zur Mobilität gegenüber, resultiert ein erstaunliches Ergebnis. Bei knapp 30 Prozent der Befragten findet sich eine hohe geografische Mobilitätsbereitschaft, worunter neben der nationalen Mobilität auch die Bereitwilligkeit, für eine gewisse Zeit im Ausland zu arbeiten, fällt. Weiter beschreiben sich die Schweizer Arbeitskräfte auch beruflich als mobil. So geben mehr als 40 Prozent der Befragten an, einem Wechsel des Berufs grundsätzlich positiv gegenüberzustehen. Im Vergleich zum geringen tatsächlich gezeigten Mobilitätsverhalten fällt die Bereitschaft also deutlich höher aus. Die Detailanalyse ergab, dass insbesondere die Karriereorientierung ein ausschlaggebender Faktor für die Mobilitätsbereitschaft ist.

So zeigen Arbeitnehmende mit einer stark eigenverantwortlichen oder alternativ orientierten Karriereorientierung eine grosse Mobilitätsbereitschaft. Selbstverwirklichung und Work-Life-Balance sind zentrale Grundsätze dieser Karriereorientierungen. Mobiles Verhalten liefert einen Beitrag zur Wiederherstellung der inneren Balance und zur Selbstverwirklichung. Sicherheits- und Aufstiegsorientierte geben dagegen eine relativ geringe Bereitschaft zu mobilem Verhalten an. Da 
Sicherheit und Aufstiegschancen im Unternehmen insbesondere durch beständiges, firmentreues Verhalten gefördert werden, ist eine geringe Bereitwilligkeit zur Mobilität bei diesen Karriereorientierungen gut nachvollziehbar.

Ein weiterer Faktor, der Einfluss auf die Mobilitätsbereitschaft der Schweizer Arbeitnehmenden nimmt, ist der so genannte psychologische Vertrag. Dieser beinhaltet gegenseitige Erwartungen und Angebote zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebern. Werden die arbeitnehmerseitigen Erwartungen verletzt, resultiert eine signifikant höhere Kündigungsabsicht, die ihrerseits mit einer Erhöhung der Mobilitätsbereitschaft einhergeht. Verletzte Erwartungshaltungen scheinen bei Arbeitnehmenden den Gedanken zu wecken, ob die eigenen Ansprüche an die Arbeit möglicherweise durch einen Wechsel besser erfüllt werden können.

Tatsächliche Gründe sind andere 
als die hypothetischen

Von besonderem Interesse ist die Frage, welche Faktoren dafür ausschlaggebend sind, dass Mobilitätsbereitschaft in tatsächliches Mobilitätsverhalten umgesetzt wird. Wie die Ergebnisse des HR-Barometers zeigen, sind wichtige Gründe, diee Arbeitnehmende zu einem Arbeitsplatzwechsel bewegen, insbesondere im Bereich des Human-Resource-Managements zu finden. So sind sowohl das Betriebsklima als auch die Vielfalt der neuen Arbeitstätigkeit häufig genannte Gründe, die sowohl als hypothetischer Wechselgrund angegeben wurden als auch zu einem tatsächlichen Arbeitsplatzwechsel veranlasst haben. Ein höherer Lohn wird zwar häufig als hypothetischer Wechselgrund genannt, bei einem effektiv erfolgten Wechsel jedoch nur selten als Ursache angegeben. Gründe, die hingegen häufig zu einer tatsächlichen Veränderung veranlasst haben, sind Karriereplanung und Work-Life Balance. Ausschlaggebend für einen tatsächlichen Arbeitsplatzwechsel sind somit eher Arbeitsklima und -inhalte als finanzielle Anreize.

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse des Schweizer HR-Barometers 2009, dass die Schweizer Arbeitnehmenden zum Zeitpunkt der Befragung im Frühling 2008 nur ein geringes Mobilitätsverhalten zeigten. Die Wirtschaftslage hat sich seither stark verändert. Arbeitgeber werden aufgrund der Wirtschaftskrise zu Umstrukturierungen gezwungen, was vermehrt mobiles und flexibles Verhalten erfordert. Die grundsätzliche Mobilitätsbereitschaft der Schweizer Arbeitskräfte könnte dabei von grossem Nutzen sein. Die Herausforderung für Personalverantwortliche wird darin bestehen, Rahmenbedingungen zu schaffen, welche die Nutzung der vorhandenen Bereitschaft fördert.

Buch zum Thema

Grote, Gudela / Staffelbach, Bruno (Hrsg.): Schweizer HR-Barometer 2009. Mobilität und Arbeitgeberattraktivität. 184 Seiten, gebunden, 80.– NZZ-Libro, ISBN 978-3-03823-512-5.

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Lic. phil. Anja Brüschweiler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Human Resource Management der Universität Zürich.

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Lic. phil. Cécile Tschopp, wissenschaftliche Assistentin an der Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie der ETH Zürich.

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Marius Gerber ist Leiter der Fachstelle für Human Capital an der ZHAW School of Management and Law in Winterthur.

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