HR Today Nr. 10/2016: Compensation & Benefits

Wenn Ist und Soll auseinanderklaffen

Gabriela Maria Payer kennt die Compensation & Benefit-Thematik aus verschiedenen Perspektiven. Etwa als ehemalige HR-Leiterin bei der UBS und heute als VR-Mitglied der VP Bank und der Helvetia Group. Im Interview spricht die Beraterin über Herausforderungen und Trends im Vergütungswesen.

Frau Payer, Sie haben langjährige Erfahrung als HR-Leiterin, sind VR-Mitglied sowie Vorsitzende der Association of Compensation & Benefits Experts (acbe). Was sind für Sie die wichtigsten Vergütungstrends?

Gabriela Maria Payer: Nicht zuletzt wegen der offenen Vorsorgefragen wird die Gesamtkompensation immer wichtiger, denn auch jüngere Mitarbeitende stellen sich angesichts der AHV-Entwicklung und der geringen Verzinsung der Pensionskassenguthaben die Frage, inwieweit ihre Altersvorsorge noch gesichert ist. Ein Umdenken ist auch bei den Alterslöhnen im Gang: Langjährige Mitarbeitende werden künftig vermehrt nach ihrer Kompetenz bezahlt und nicht mehr nach der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit. Zudem wird der Bereich Compensation & Benefits in vielen Unternehmen professionalisiert. Um künftig mitreden zu können und das Lohnmodell mit der Leistungsfähigkeit des Unternehmens abzugleichen, müssen sich die zuständigen HR-Mitarbeitenden deshalb finanztechnisches Wissen aneignen. Compensation & Benefits-Verantwortliche müssen verstehen, wie man den Unter­nehmenserfolg bewertet, messbar macht, auf die verantwortlichen Mitarbeitenden herunterbricht und mit einem geeigneten Lohnsystem stützt. Fairness in der Vergütung, Lohntransparenz, Vergleichbarkeit und Berechenbarkeit gewinnen in diesem Zusammenhang an Bedeutung. Wie man Fachkräfte entlöhnt, die in mehreren Branchen tätig sein können, in denen grosse Entlöhnungsunterschiede bestehen, ist ein weiterer Schwerpunkt, der uns beschäftigt.

Die Ausgestaltung der CEO-Kompensation gibt zu reden. Wie stehen Sie dazu?

Der fixe versus der variable Anteil sowie längerfristige Beteiligungsmodelle sind effektiv «Standard-Diskussionen». Das gilt allerdings auch für die Frage, für welche Stufen diese Entschädigungsmodelle gelten sollen. Die Leistung des CEO vergleichbar zu machen, wird in diesem Zusammenhang wichtiger, wobei es meist um Transparenz und Erklärbarkeit geht. Speziell Investoren wollen wissen, weshalb ein CEO mehr oder weniger als ein Leistungsträger in einem vergleichbaren Unternehmen verdient. Um kurz-, mittel- und langfristige Ziele im CEO-Entschädigungsmodell abzubilden, habe ich pragmatische Ansätze schätzen gelernt, mit denen kurzfristig kompensiert wird, was effektiv geleistet wurde, und ausbezahlte Beträge im Extremfall sogar zurückverlangt oder Entschädigungen abgestuft freigegeben werden können. Damit lassen sich die Risiken kurzfristig wirkender Auszahlungen vermindern. Mittel- und langfristig wirken vor allem Beteiligungsprogramme. Verfeinert werden kann das Entschädigungsmodell beispielsweise mit weiteren Cash- oder Wert­papier-Anteilen. Auffallend dabei ist, dass gerade langfristige Entschädigungsmodelle zunehmend komplex ausgestaltet werden, obwohl Zielsetzungen auf lange Sicht oftmals grosse Unsicherheitsfaktoren darstellen. Das ist nicht immer nachvollziehbar. Eine Vereinfachung und mehr Transparenz sind meist sinnvoller.

Wie gross ist der Compensation & Benefits-Wissensgrad in den Unternehmen, die Sie betreuen?

Viele KMU, die ich betreue, haben keine Compensation & Benefits-Abteilung. Höchstens einen Spezialisten, der diese Rolle als Teil seiner HR-Funktion ausübt. Es ist jedoch eine ausserordentlich wichtige Funktion, die vom Austausch und der Weiterbildung sehr profitiert. Über den Erfahrungsaustausch und den Vergleich mit anderen Unternehmen können Compensation & Benefits-Verantwortliche viel lernen. Gerade, weil in den Unternehmen häufig keine Expertenrolle existiert. Wir stehen jedoch erst am Anfang einer Professionalisierung dieses Bereichs.

Trotz Wissenslücken: Welchen Einfluss hat das HR bei der Entlöhnung?

Die operative Verantwortung für das Vergütungssystem und die Reglemente zu Lohn und variabler Vergütung liegen klar beim HR. Viele Entlöhnungssysteme sind sehr technisch ausgestaltet, was es schwierig macht, diese klar zu kommunizieren. Wenn das HR gestalterisch-beratend tätig und nicht nur ausführend am Tisch sitzen will, muss es damit umgehen können. Eine gewisse Unabhängigkeit des HR ist zudem aus Governance-Gründen wichtig, damit das HR nicht die eigene Kompensation beeinflusst. Zwischen Ist und Soll habe ich in der Praxis jedoch immer grosse Unterschiede gesehen, die allerdings auch vom Ausbildungsstand der HR-Verantwortlichen abhängen. Viele HR-Verantwortliche sind sich der Bedeutung der Vergütungsfragen in Bezug auf den Unternehmenserfolg  noch zu wenig bewusst.

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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