Recruiting

Bauchentscheide und Kompromisse: Recruitingfehler können teuer werden

Für die Auswahl eines falschen Bewerbers müssen Unternehmen oft teuer bezahlen. Trotz dieses finanziellen Risikos laufen die Rekrutierungsprozesse in vielen Betrieben zu langsam, zu ineffizient und zu wenig professionell ab.

Einem Unternehmen mit einer Belegschaft von 1000 Mitarbeitenden entstehen jährlich Mehrkosten von 48 000 Euro, wenn es Menschen beschäftigt, die emotional wenig an den Arbeitgeber gebunden sind. Dies berechnete das internationale Marktforschungsunternehmen Gallup, das jährlich den Engagement-Index, eine Studie zum Thema Mitarbeiterzufriedenheit, veröffentlicht.

Intuition – weder vernachlässigen noch überbewerten

Besonders in der Krise ist es wichtig, genau hinzuschauen. «In diesen Tagen kommen Unterlassungssünden bei der Rekrutierung zutage, und die Personalleute überlegen sich, wie sie sich von den Low-Performern trennen können», sagt Renate Schuh-Eder, Geschäftsführerin von Schuh-Eder Consulting GmbH (siehe auch Interview «Man könnte meinen, dass alle den Gleichen suchen»). Besser wäre es, diese Fehler gar nicht erst zu machen. Dass es immer wieder dazu kommt, hängt gemäss Schuh-Eder damit zusammen, dass die HR-Arbeit oft zu wenig ernst genommen wird: «Es braucht im Topmanagement eine gewisse Sensibilität für Personalarbeit. Die Einstellung von Personal sollte eine zentrale Aufgabe sein, die auch den CEO beschäftigen soll.» Sie hofft nun, dass das Thema HR durch die Krise an Bedeutung gewinnen wird.

Ein Unternehmen, das die Vorarbeit vor der Rekrutierung ernst nimmt, ist die EnOcean GmbH, ein Spin-off von Siemens und weltweiter Marktführer im Bereich Energy Harvesting Wireless. Wie Gründer und CEO Markus Brehler festhält, stellt sich das Team zu Beginn einer Rekrutierung die Frage: «Was wird erreicht sein, wenn der Kandidat ein Jahr bei uns in der Firma ist?» Erst dann könne ein exaktes Anforderungsprofil definiert und der richtige Kandidat gesucht werden. «In die Auswahl beziehen wir nicht nur Führungskräfte ein, sondern auch Kollegen aus dem jeweiligen Team – dabei hat jeder ein Vetorecht», so Markus Brehler. Auch die grössten Rekrutierungsfehler sind für ihn klar: «Den falschen Kandidaten einzustellen und sich zu stark an die Fachkompetenz halten – das heisst, das negative Bauchgefühl zu ignorieren.»

Zu sehr sollten sich die Entscheidungsträger jedoch nicht auf den Bauch verlassen. Für den Betriebswirtschafter Stephan Amstutz vom Lehrstuhl Human Resource Management der Universität Zürich gehört es zu den klassischen Rekrutierungsfehlern, dem Bauchentscheid zu viel Gewicht einzuräumen. «Dabei gehen oftmals die ökonomischen Konsequenzen einer Falschbesetzung vergessen.» Ein Fehler sei es auch, wenn die Unternehmen zu lange in festgefahrenen Strukturen verhaftet bleiben, wie etwa durch die Anwendung veralteter eignungsdiagnostischer Werkzeuge statt neuerer wie jener der Selbstelektion.

Zeitspanne bis zur Besetzung einer Stelle wird immer länger

Mehr Wert müsste man auf Transparenz legen, auch im Hinblick auf das Image der Firma. «Besonders im Fall eines negativen Bescheids sollte die Absage plausibel, ehrlich und offen begründet werden, und dem Kandidaten sollte wenn möglich ein konstruktiver Tipp für die Zukunft auf den Weg geben werden.» Und es sollte nicht zu lange damit gewartet werden, denn auch zu lange Fristen und zu viele Schnittstellen gehören gemäss Stephan Amstutz zu den Rekrutierungsfehlern vieler Unternehmen.

Durchschnittlich 9,1 Wochen benötigen Schweizer Firmen 2009, um eine Fachposition zu besetzen. Für eine offene Managementposition dauert die Suche sogar 11,5 Wochen. Im Vergleich zum letzten Jahr benötigten die Unternehmen für die Einstellung neuer Mitarbeitenden damit gut zwei Wochen länger. Dies ergab die Studie «Global Financial Employment Monitor» des international tätigen Personaldienstleisters Robert Half. Für die Untersuchung wurden über 4800 Personal- und Finanzmanager in 21 Ländern zu aktuellen Entwicklungen für den Arbeitsmarkt für das Finanz und Rechnungswesen befragt.

Matching von Bewerbertyp und 
Unternehmenskultur

«Da Fehlbesetzungen teuer sind, prüfen die Personalverantwortlichen die Kandidaten trotz der angespannten Lage auf Herz und Nieren», sagt Sven Hennige, Managing Director Central Europe, Robert Half International. «Auf Herz und Nieren» definiert Hennige so: «Herausfinden, welches die Kernkompetenzen und Stärken eines Bewerbers sind. Darüber hinaus ist es wichtig zu erfahren, welcher Typ der Kandidat ist und ob er zur Unternehmenskultur passt.» Die Personalverantwortlichen sollten genau hinsehen und hinterfragen, um den richtigen Mitarbeiter zu finden. Als einen der grössten Rekrutierungsfehler bezeichnet Sven Hennige, einen Kompromiss einzugehen, von dem man nicht überzeugt ist, und zu hoffen, dass die künftige Zusammenarbeit trotzdem irgendwie klappen wird.

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Susanne Wagner ist freie Journalistin.

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