BGM Special 2020

Jugendliche durch die Lehrzeit begleiten

Eine App, eine Website und Kursangebote für Lernende und Berufsbildungsverantwortliche: Friendly Work Space (FWS) Apprentice von Gesundheitsförderung Schweiz kommt seit kurzem im Rahmen eines Pilotprojekts bei der Suva zum Einsatz. Ein Erfahrungsbericht.

Um die psychische Gesundheit der Jugendlichen in den Firmen zu stärken, entwickelte Gesundheitsförderung Schweiz FWS ­Apprentice. «FWS Apprentice setzt auf der Verhaltens- wie auf der Verhältnisebene an», sagt Anita Blum, Projektleiterin ­Entwicklung BGM. «Unser Angebot stärkt die internen und externen Ressourcen der Jugendlichen. Ausserdem informieren und sensibilisieren wir die Berufsbildungsverantwortlichen damit, da diese nicht nur die ­Unternehmenskultur, sondern auch die ­Gesundheit der Lernenden über die Arbeits- und Organisationsgestaltung stark beeinflussen.»

Jugendliche sensibilisieren

Das Projekt FWS Apprentice befindet sich im stetigen Wandel, um sich an die aktuellen Bedürfnisse der Lernenden und Berufsbildungsverantwortlichen anzupassen. «Die dritte und letzte Projektphase läuft bis Ende Juni 2020 in fünf Grossbetrieben», sagt Blum. Getestet werden dort eine neu entwickelte Kommunikationsplattform und eine App. «Die Ergebnisse werden wir in den kommenden Monaten publizieren.» Den ­Fokus setzt Gesundheitsförderung Schweiz in den Betrieben auf die einfache Anwendbarkeit der Plattform und der App. «Berufsbildungsfachpersonen erhalten mit FWS Apprentice niederschwellige Angebote, Hilfestellungen und Informationen zu psychischer Gesundheit sowie zu Arbeits- und Freizeitsicherheit.»

Der Unfallversicherer Suva ist einer von fünf Pilotbetrieben, die FWS Apprentice in der finalen Phase testen. «Wir sind auch als Mitentwickler in beratender Funktion bei Themen wie Arbeits- und Freizeitsicherheit involviert. So konnten wir als Pilotbetrieb dabei sein», freut sich Daniela Stolz, Verantwortliche Nachwuchsentwicklung bei der Suva. Da sie ohnehin kontinuierlich nach BGM-Angeboten für die Lernenden Ausschau halte, sei das eine Gelegenheit gewesen, «sich einzuklinken». Mit der FWS-Apprentice-App könne die Suva die psychische Gesundheit der Jugendlichen über die Führungspersonen und Berufsbildungsverantwortlichen beeinflussen und sie für die psychische Gesundheit sensibilisieren. Das Programm stosse bei Berufsbildnern und Lernenden auf Anklang: «Überzeugt haben uns nebst der App vor allem die Fachkurse für die Berufsbildner», sagt Stolz.

App im Alltag nutzen

Die Suva hat FWS Apprentice erstmals zu Lehrbeginn im August 2019 angewendet. «Wir wollten in die Pilotphase mit den neuen Lernenden starten, da wir diese für die Installation der App vor Ort anleiten mussten», so Stolz. Gab es zu Beginn einige technische Herausforderungen zu meistern und die Jugendlichen für die App zu begeistern, hat sich FWS Apprentice zwischenzeitlich im Betrieb etabliert. «Junge Menschen haben heute so viele Apps und Kommunikationstools, dass sie sich darin verlieren», sagt ­Tanja Zehnder, Fachverantwortliche Nachwuchsentwicklung bei der Suva. «Deshalb mussten wir unseren Lernenden immer wieder den Nutzen der FWS-Apprentice-App aufzeigen.»

Damit die App von den Lernenden noch intensiver im Betriebsalltag genutzt wird, haben Daniela Stolz und Tanja Zehnder einige Ideen: «Wir wollen die Lernenden vermehrt mit Challenge-Themen abholen.» So soll die App in die bestehenden Kommunikationskanäle der Suva eingebaut und «Schlüssel-Lernende» sollen als Multiplikatoren engagiert werden. «Sie haben einen direkteren Zugang zu ihren Mitlernenden und können diese somit besser für die Nutzung der App motivieren. Ausserdem erhalten die Lernenden in regelmässigen zeitlichen Abständen einen Reminder zur Nutzung der App.»

Für später optimal gerüstet

Die während der Pilotphase gesammelten Erfahrungen zeigen Blum, dass sich FWS Apprentice bewährt hat: «Es ist für alle Unternehmen geeignet, die Lernende im Betrieb ausbilden – implizit auch Branchenverbände und Lehrbetriebsverbünde.» Zwar erhielten die Jugendlichen einige Informationen an der Berufsschule zur Gesundheitsförderung, dennoch sollten sich auch Betriebe dafür engagieren: «Wenn Firmen nebst der Wissensvermittlung zum Kerngeschäft auch das gesundheitsförderliche Verhalten der Lernenden stärken, hilft ihnen dies dabei, ihre Ressourcen aufzubauen. Damit sind sie im Berufsalltag später für unterschiedlichste Herausforderungen gerüstet.»

fws-apprentice.ch

Das Eis brechen

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Mit FWS Apprentice können Lehrbetriebe mit Lernenden unkompliziert über ihre psychische und physische Gesundheit sprechen. Suva-Berufsbildnerin Michelle Bissegger im Gespräch.

Warum nutzen Sie FWS Apprentice?

Michelle Bissegger: Als Berufsbildnerin profitiere ich besonders vom Austausch mit anderen Berufsbildnern. Die FWS-Apprentice-App ist für mich ein Themenspeicher mit vielen nützlichen Informationen. Ein grosser Vorteil ist zudem, dass FWS Apprentice Themen verlinkt und somit auf die verschiedenen Fachstellen aufmerksam macht. Ein Höhepunkt für mich sind überdies die angebotenen Fachkurse. Ich habe beispielsweise den Kurs «Führung von Lernenden» besucht. Dabei haben wir Ansätze kennengelernt, die ich in der täglichen Arbeit mit den Jugendlichen anwenden und so meine Führungskompetenzen ausbauen kann.

Was bringt es den Lernenden?

Der Diskurs regt die Lernenden an, sich Gedanken zu ihrer psychischen und physischen Gesundheit zu machen. Mit kleinen Projekten setzen sie sich auch aktiv mit den Themen auseinander. So haben unsere Lernenden beispielsweise Anfang Jahr ein Video zur Prävention im Wintersport gedreht. Darin haben sie über die SlopeTrack-App informiert und Übungen vorgestellt, die der optimalen Vorbereitung für den Schneesport dienen. Diese Tätigkeit machte den Lernenden Spass und schärfte gleichzeitig ihr Bewusstsein.

Was haben andere Unternehmen von FWS Apprentice?

Ich finde die Aussage vom Hirnforscher Lutz Jäncke passend: «Nie ist die Begeisterungsfähigkeit so gross wie in der Jugend.» Die Erfahrungen, welche die Lernenden während ihrer Lehrzeit machen, prägen sie für ihren weiteren beruflichen Werdegang. Berufs- und Praxisausbildner nehmen dabei eine Vorbildrolle ein. Umso wichtiger ist es, dass diese im Umgang mit den Lernenden geschult sind. Dazu gehören nebst den fachlichen Inhalten auch Themenfelder aus der psychischen und physischen Gesundheit. Mit FWS Apprentice erhalten die Lehrbetriebe einen Partner, der diese Themenfelder beleuchtet und wichtige fachliche Inputs zur Verfügung stellt. Zudem haben psychisch und physisch gesunde Lernende eine bessere Ausgangslage, um die Lehre erfolgreich zu bestehen.

Selbstachtung im Vordergrund

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Fadime Dadak, Lernende bei der Suva, nutzt FWS Apprentice und schätzt, dass sie jederzeit und schnell auf für sie wichtige Informationen zugreifen kann.

Warum nutzen Sie FWS Apprentice?

Fadime Dadak: Das Angebot nutze ich, um mich über allgemeine Themen im Arbeitsalltag zu informieren und Tipps einzuholen. Beispielsweise erhalte ich durch FWS Apprentice wertvolle Inputs zu Themen wie Selbstachtung, Arbeitssicherheit oder zu den Rechten und Pflichten in der Lehrzeit.

Was mögen Sie besonders daran?

Dass die Gesundheit der Lernenden und die Gewinnung der Selbstachtung im Vordergrund stehen. Ausserdem findet alle paar Wochen ein Expertenchat zu bestimmten Themen statt. Während dieses Zeitfensters können wir Fragen stellen und erhalten direkt eine Antwort.

Was könnte man am Angebot noch verbessern?

Technisch gäbe es noch Potenzial. Beispielsweise, dass sich Videos ober- oder unterhalb eines Artikels befinden und es somit nicht mehr nötig ist, einen separaten Link zu ­öffnen. Gut wäre zudem, wenn der Bekanntheitsgrad der App noch weiter steigen würde, um die Zielgruppen noch besser zu erreichen.

Würden Sie die App weiterempfehlen?

Auf jeden Fall. Vor allem wegen den wertvollen Inputs, auf die ich mittels App schnell und unkompliziert zugreifen kann.

FWS Apprentice

FWS Apprentice ist ein Projekt von Gesundheitsförderung Schweiz. Ziel ist die Förderung der psychischen Gesundheit von Jugendlichen im Setting Betrieb. Im Rahmen des Projekts FWS Apprentice werden verschiedene Dienstleistungen entwickelt, unter anderem eine Website mit Hilfsmitteln wie Checklisten, Tipps und Good-Practice-Beispielen, die heute bereits verfügbar ist. Berufsbildungsverantwortliche können zur Wissensvertiefung via FWS Apprentice auch an kostenpflichtigen Weiterbildungskursen* teilnehmen.

Das Herzstück von FWS Apprentice wird eine zur Zeit sich noch in Entwicklung befindende App sein, auf der Lernende und Berufsbildungsfachpersonen Inhalte zu unterschiedlichen Themen der psychischen Gesundheit vorfinden und diskutieren können – beispielsweise Stress, Selbstmanagement, Alkohol, Tabak, Sexualität und Arbeits- und Freizeitsicherheit. Diese Themen wurden vorgängig von Gesundheitsförderung Schweiz mit Fachorganisationen wie Pro Juventute, Sucht Schweiz oder der Suva erarbeitet, wobei ein Thema jeweils während zwei Monaten fokussiert behandelt wird. FWS Apprentice steht in den drei Sprachen Deutsch, Französisch und Italienisch zur Verfügung.

* Weiterbildungskurse: fws-academy.ch

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Christine Bachmann ist stellvertretende Chefredaktorin von HR Today. cb@hrtoday.ch

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