Recruiting Guide 2018

Personaler sind gewaltig frustriert

Welcher Personaler hat noch nie «Warum tue ich mir das an» gedacht? Oder ähnlich, aber mit weniger jugendfreien Ausdrücken. Ich behaupte, dass viele Personaler frustriert sind. Aber warum?

Ich kenne kaum Personaler, die die HR-Administration lieben. Gleichzeitig wissen wir alle, dass sie ein grosser Teil unserer Arbeit ist. Aber jemand, der noch nie im HR gearbeitet hat, kann sich kaum vorstellen, wie umfangreich und komplex Administration sein kann.

Das ist wohl wie in der IT. Wenn alles funktioniert, ist es selbstverständlich. Aber wehe, es gibt ein Problem. Dann sind wir inkompetent und alle fragen sich, wofür wir bezahlt werden. Das ist nicht weiter tragisch und gehört zu unserem Job. Personaler können für solche Dinge weder Dank noch Wertschätzung erwarten.

Personaler fühlen sich zu Höherem berufen

Wir wollen aber nicht nur Listen aktualisieren und Formulare ablegen. Wir wollen Mitarbeitende unterstützen, damit sie sich persönlich und fachlich entwickeln. Und wir wollen dazu beitragen, dass unser Arbeitgeber wirtschaftlich erfolgreich ist. Dafür gibt es hippe Begriffe wie Business oder Sparring Partner. Oder «Seat at the Table», wenn die oberste HR-Person am Tisch der GL sitzen und mitreden darf.

Damit das funktioniert, müssen wir etwas vom Geschäft verstehen und am besten auch noch von BWL inklusive Buchhaltung. Ich denke, dass wir in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht haben. Aber es gibt sicher noch Luft nach oben. Andererseits kenne ich Firmen, wo solche Inputs von HR nicht erwünscht sind.

Niemand weiss, was wir tun

Ein weiterer Punkt mit grossem Frustrationspotenzial: Keiner weiss, was wir tun. Klar, wir behandeln vertrauliche Themen und hören vieles, das wir niemandem erzählen dürfen. Aber ich denke, dass wir uns selber an der Nase nehmen müssen.

Andere Abteilungen scheuen sich nicht zu sagen «Schaut mal, was wir alles tun und warum wir für unseren Arbeitgeber nützlich sind – und hier sind noch ein paar Zahlen, die das belegen.»

Was tun wir? Wir sitzen in unseren Büros und warten darauf, dass jemand bemerkt, was wir tun. Dabei sollten wir endlich lernen, uns besser zu verkaufen.

Was wir alles entscheiden dürfen

Noch schlimmer ist es, wenn die Leute meinen zu wissen, was wir tun. Ein Beispiel. In vielen Firmen werden schlechte Nachrichten von der HR-Abteilung kommuniziert:

  • Es gibt keine Lohnerhöhung.
  • In den nächsten Monaten streichen wir zehn Stellen.
  • Wir wenden in Mitarbeitergesprächen weiterhin das erzwungene Ranking an.

Und dann lästern die Kollegen im Pausenraum:

  • Die Personaler wollen unsere Löhne nicht erhöhen.
  • HR wird wieder Leute entlassen.
  • Haben die Personaler nicht kapiert, dass dieses Ranking keinen Sinn macht?

Den wenigsten ist bewusst, dass wir selten selber entscheiden. Stattdessen müssen wir Entscheidungen der Geschäftsleitung ausführen. Unabhängig davon, ob wir einverstanden sind oder nicht. Schliesslich werden wir dafür bezahlt.

Personaler im Sandwich

Alle erwarten von uns, dass wir ihre Interessen vertreten. Wenn wir nicht auf der Seite aller Mitarbeitenden sind, sind wir nicht neutral. Und wenn wir uns zu stark für einen einzelnen Mitarbeitenden einsetzen, sind wir nicht loyal. Viele Personaler werden nicht mit mir einverstanden sein.

Aber ich behaupte: HR ist nicht neutral. Schliesslich werden wir von unserem Arbeitgeber bezahlt, um die Interessen des Managements zu vertreten. In einer perfekten Welt wäre das kein Problem. Denn es sollte im Interesse der Firma sein, dass ihre Mitarbeitenden fair und anständig behandelt werden und sie sich bei der Arbeit wohl fühlen. Am Ende hängt aber alles von der Geschäftsleitung ab.

Das Menschenbild der Geschäftsleitung

Wenn das Management die Angestellten als Menschen respektiert, können wir uns für sie einsetzen. Und dann fällt uns auch keiner in den Rücken, wenn wir uns gelegentlich gegen einen Linienvorgesetzten stellen müssen. Und wenn die Geschäftsleitung die Mitarbeitenden sogar als Partner sieht, mit denen sie langfristig etwas aufbauen will, können Weiterbildungs- und Entwicklungsprogramme durchaus sinnvoll sein.

Leider gibt es immer noch (zu) viele Firmen, die ihre Mitarbeitenden als Kostenfaktor sehen. Diese müssen optimiert oder, besser noch, reduziert werden. In solchen Fällen nützen die besten Absichten und tollsten Ideen nichts: Die Personalarbeit ist nur noch frustrierend.

Wie weiter?

Ich habe bewusst ein sehr düsteres Bild gezeichnet. Eigentlich träume ich von einer Welt, in der HR und Management die Zukunft der Unternehmen gemeinsam gestalten. Wo Mit-arbeitende nicht nur fair und anständig behandelt, sondern gefördert werden und zum 
wirtschaftlichen Erfolg ihres Arbeitgebers beitragen.

Ich hoffe von Herzen, dass ich in ein paar Jahren über diesen Artikel lachen werde, weil meine Aussagen bis dann völlig überholt sind und Personaler gar nicht (mehr) frustriert sind.

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Etienne Besson ist seit über 20 Jahren als HR Generalist tätig. In seiner Freizeit begeistert er sich für die Online-Rekrutierung und allem, was mit dem Internet zu tun hat. Seit Mitte 2015 bespielt er den Podcast für HR Today und ist auch Mitorganisator des HR BarCamp Zürich.

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