Arbeit und Recht

Rückzieher mit Folgen

Entscheidet sich der Arbeitnehmer nach Abschluss eines Arbeitsvertrags um und tritt die neue Stelle nicht an, kann das finanzielle Konsequenzen haben. Dasselbe gilt, wenn es sich 
der Arbeitgeber anders überlegt.

Wer schon auf Stellensuche war, kennt die Zwickmühle: Nach langwierigem Auswählen, Abwägen und Verhandeln hat man sich für eine Stelle entschieden. Kaum ist die Tinte der Unterschriften auf dem Arbeitsvertrag trocken, meldet sich der heimliche Traum-Arbeitgeber, der bisher nie geantwortet hatte, und macht ein unwiderstehliches Angebot.

Entscheidet sich der Arbeitnehmer für das neue Angebot und tritt er die früher vereinbarte Stelle aus diesem Grund nicht an, muss der übergangene Arbeitgeber das hinnehmen. Der Arbeitnehmer kann nicht zum Antritt der Stelle gezwungen werden. Immerhin sieht das Gesetz vor, dass der Arbeitgeber eine Pauschalentschädigung zugut hat, wenn der Arbeitnehmer eine Stelle ohne wichtigen Grund nicht antritt. Diese Voraussetzung ist gegeben, denn ein besseres Stellenangebot gilt nicht als wichtiger Grund. Die Pauschalentschädigung beträgt ein Viertel des vereinbarten Monatslohns. Freilich muss der Arbeitgeber rasch handeln: Die Pauschalentschädigung ist innerhalb von 30 Tagen ab Nichtantritt geltend zu machen, und zwar durch Betreibung oder Klage – eine Zahlungsaufforderung per Brief genügt also nicht. Andernfalls ist der Anspruch verwirkt.

Schwieriger Schadensbeweis

Die Pauschalentschädigung soll den Beweisschwierigkeiten des Arbeitgebers Rechnung tragen. Dass er einen konkreten Schaden erlitten hat, wird er nämlich oft nur schwer nachweisen können. So stellen etwa die Kosten für einen Headhunter oder Inserate zur Rekrutierung eines Ersatzes normalerweise keinen Schaden dar. Sie wären auch dann angefallen, wenn der vertragsbrüchige Arbeitnehmer die Stelle angetreten und in der Folge ordentlich gekündigt hätte.

Entsprechend kann der Arbeitgeber die Pauschalentschädigung auch dann beanspruchen, wenn er in Wirklichkeit gar keinen Schaden erlitten hat, zum Beispiel weil er die Stelle sogleich anderweitig besetzen konnte. Vermag der Arbeitnehmer aber darzutun, dass der tatsächliche Schaden weniger betrug als den Viertel des Monatslohns, kann er versuchen, vor Gericht eine Herabsetzung oder gar Aufhebung der Pauschalentschädigung zu erwirken.

Es ist aber durchaus denkbar, dass der Nichtantritt der Stelle dem Arbeitgeber einen konkreten Schaden verursacht, der deutlich über 25 Prozent eines Monatslohns liegt. Als Schadensposten in Frage kommen etwa die Mehrkosten für Überstunden der anderen Arbeitnehmer, für die Einstellung eines Temporärmitarbeiters oder für die Vergabe von Arbeiten an aussenstehende Dritte. Unter Umständen kann auch eine Umsatzeinbusse nachweisbar sein und daraus ein Ersatzanspruch für entgangenen Gewinn abgeleitet werden.

Will der Arbeitgeber einen Schaden ersetzt haben, der den Betrag eines Viertelmonatslohns übersteigt, muss er den Schaden und auch die weiteren Voraussetzungen seines Anspruchs beweisen. Immerhin hat er mehr Zeit: Die Verwirkungsfrist von 30 Tagen kommt nach allgemeiner Auffassung nicht zur Anwendung. Der Arbeitgeber ist trotzdem gut beraten, seinen Anspruch zügig geltend zu machen.

Weil bei Nichtantritt der Stelle ohne wichtigen Grund eine Entschädigungsforderung des Arbeitgebers droht, könnte der Arbeitnehmer erwägen, die Stelle zwar anzutreten, dann aber umgehend zu kündigen. Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis beginnt mit einer einmonatigen Probezeit und kann in diesem Zeitraum innert sieben Tagen gekündigt werden, wenn nichts anderes vereinbart wurde. Muss der Arbeitnehmer das bevorzugte Stellenangebot erst in der Folgewoche oder später antreten, kann das ursprüngliche Arbeitsverhältnis folglich bis dahin wieder beendigt sein. Angesichts der weitreichenden Kündigungsfreiheit während der Probezeit könnte der Entschädigungsanspruch des Arbeitgebers so meist ausgehebelt werden. Eine Entschädigung käme nur ausnahmsweise in Frage, etwa wenn eine offenkundige Umgehungsabsicht des Arbeitnehmers nachweisbar ist.

Pflicht zur sofortigen Information

Entschliesst sich der Arbeitnehmer nicht erst ganz kurz vor dem vereinbarten Arbeitsbeginn, die zugesagte Stelle zugunsten eines neuen Angebots nicht anzutreten, wird er in Betracht ziehen, das Arbeitsverhältnis vor Stellenantritt 
ordentlich zu kündigen. Das ist an sich möglich. Dabei soll nach überwiegender Meinung diejenige Kündigungsfrist gelten, die am Anfang des Arbeitsverhältnisses zum Tragen kommen würde. Demnach kommt im Regelfall die vom Gesetz für die Probezeit vorgesehene Kündigungsfrist von sieben Tagen zur Anwendung. Umstritten ist aber, auf welchen Zeitpunkt hin eine solche Kündigung wirkt. Nach der einen Ansicht beginnt die Kündigungsfrist mit dem Empfang der Kündigung zu laufen.

Erfolgt die Kündigung früh genug, ist die Kündigungsfrist bereits vor Arbeitsbeginn abgelaufen. Die Arbeitspflicht kommt gar nicht zur Entstehung, ebenso wenig die Lohnzahlungspflicht. Vorherrschend ist aber eine andere Auffassung. Demnach beginnt die Kündigungsfrist erst an dem Tag zu laufen, der als Arbeitsbeginn vereinbart wurde. Das Arbeitsverhältnis kommt also trotz vorgängiger Kündigung zur Entstehung und hat bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Bestand. Folgt man dieser Mehrheitsmeinung, kann der Arbeitnehmer auch durch eine frühzeitige Kündigung nicht verhindern, dass er rechtlich zum Antritt der Stelle verpflichtet bleibt.

Freilich wird in einem solchen Fall der Arbeitgeber kaum mehr Interesse am Stellenantritt haben, zumal der Arbeitnehmer von Anfang an auf dem Absprung wäre. In der Praxis kommt man daher oft mehr oder weniger formlos überein, den Arbeitsvertrag vor Arbeitsbeginn aufzuheben. Empfehlenswerter ist ein schriftlicher Aufhebungsvertrag, in welchem das beidseitige Interesse an der Aufhebung festgehalten wird. Eine Kündigung vor Stellenantritt kann aber auch vom Arbeitgeber ausgehen. Dazu kann sich ein Arbeitgeber etwa dann gezwungen sehen, wenn ein grosser Auftrag unerwartet wegfällt. Auch hier überwiegt die Meinung, dass die Kündigung vor Stellenantritt zwar möglich ist, die Kündigungsfrist aber erst ab Arbeitsbeginn zu laufen beginnt.

Ausserdem wird zum Teil die Meinung vertreten, dass in einem solchen Fall die nach der Probezeit geltende Kündigungsfrist zum Tragen kommen soll. Diese beträgt vorbehaltlich einer anderslautenden Abrede einen Monat. Demnach wäre der Arbeitgeber verpflichtet, einen vollen Monatslohn zu entrichten, und der Arbeitnehmer müsste seine Arbeit während eines Monats anbieten. Die vorherrschende Auffassung geht aber auch für eine Arbeitgeber-Kündigung von derjenigen Kündigungsfrist aus, die in der ersten Phase des Arbeitsverhältnisses gelten würde. Demnach kommt das Arbeitsverhältnis in diesem Fall in der Regel bis zum Ablauf der vom Gesetz für die Probezeit vorgesehenen siebentägigen Kündigungsfrist zur Entstehung. Damit ist der Lohn für diese Zeit geschuldet.

Zu betonen ist: Arbeitnehmer wie Arbeitgeber sind verpflichtet, den Vertragspartner sofort zu informieren, wenn sich eine Kündigung vor Stellenantritt als erforderlich erweisen sollte

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Philipp Meier Schleich ist Rechtsanwalt und Partner bei Bühlmann Koenig & Partner. Er berät und vertritt Unternehmen und Privatpersonen in allen arbeitsrechtlichen Belangen.

Weitere Artikel von Philipp Meier