HR Today Nr. 4/2018: Recruiting

Oldies but Goldies

Das Fachwissen älterer Mitarbeitender wird immer wichtiger und lässt sich 
nicht so leicht ersetzen. Diese Erkenntnis hat der Technologiekonzern Bosch schon vor bald zwanzig  Jahren gewonnen und setzt seither mit seinem Senior-Experten-Vermittlungsprogramm auf das Know-how der Pensionierten.

Bei der Rekrutierung pensionierter Mitarbeitender gilt der Technologie-Konzern Bosch als Vorreiter. So gründete das Unternehmen bereits 1999 eine Tochtergesellschaft – die Bosch Management Support GmbH (BMS) –, um pensionierte Mitarbeitende innerhalb des Konzerns weltweit für zeitlich befristete Beratungs- oder Projektaufgaben zu vermitteln.

Gegen den Braindrain

«Unternehmen aus der Automobilindustrie, dem Versandhandel, der Telekommunikation oder der Luftfahrt haben seither den Austausch gesucht und sich Anregungen geholt», sagt BMS-Geschäftsführer Karl-Heinz Schrödl. Mittlerweile hat das bewährte Erfolgsmodell auch Nachahmer gefunden: Im vergangenen Jahr haben die beiden Technologieunternehmen Thyssen Krupp und ZF Friedrichshafen ähnliche Senioren-Experten-Vermittlungsprogramme initiiert.

Doch wozu tut das ein Unternehmen? Der Brain-
drain durch die steigende Zahl der Pensionierungen veranlasste Bosch vor knapp zwanzig Jahren, vermehrt auf das Know-how seiner altgedienten Garde zurückzugreifen. «Wir müssen unser Wissen erhalten», heisst es hierzu seitens Bosch.

Rund 1000 Patente meldet Bosch jährlich an. Um eine solche Ideenvielfalt zu generieren, brauche es verschiedene Sichtweisen. Auch jene der bereits pensionierten Mitarbeitenden, die mit dem Senior-Experten-Programm ihr Erfahrungswissen im Unternehmen einbringen können.

Was 1999 bei Bosch mit 30 Ehemaligen begann, ist mittlerweile zu einem weltweiten Senior-Experten-Netzwerk mit 1600 Ehemaligen im Alter von 60 bis 75 und Niederlassungen in Brasilien, Grossbritannien, Indien, Japan, Mexiko, Österreich, Türkei und den USA angewachsen.

In der Schweiz wurde das Senior-Experten-Programm gemäss Kommunikationsfrau Sonja Bösch zwar noch nicht offiziell eingeführt, dennoch habe Bosch Schweiz den Senior-Experten-Pool bereits mehrfach benutzt. Dabei erfolgte die Vermittlung jeweils über die BMS, während der Einsatz in der Schweiz organisatorisch über den HR-Prozess des internen Personalverleihs einer Entsendung abgewickelt werde.

Win-win-win-Situation

Die vielgefragten Pensionierten haben bis zu vierzig Jahre lang bei Bosch gearbeitet. Ihren Erfahrungsschatz teilen sie nun durch das Senior-Experten-Programm mit jüngeren Mitarbeitenden in Form von Schulungen, Trainings, Vorträgen über Qualitätsmanagement und Prozessanalysen bis zum Mentoring oder Interimsmanagement. Besonders gefragt sei das Spezialwissen der ehemaligen Techniker, Ingenieure, Controller oder Logistiker. Etwa beim Aufbau einer Fertigungslinie, wofür es auf dem regulären Arbeitsmarkt nur sehr wenige Spezialisten gäbe.

Ob in der Entwicklung, der Produktion, im Rechnungswesen, Einkauf, Marketing oder im Vertrieb: Senior-Experten werden bei Bosch dort eingesetzt, wo kurzfristig eine Beratung notwendig ist oder Kapazitätsengpässe abzudecken sind. Im Gegensatz zu externen Beratern müssen sich die Ehemaligen kaum einarbeiten: Sie kennen die Unternehmensstruktur, sind mit der Kultur vertraut, greifen auf ein bestehendes Bosch-Netzwerk zurück und verfügen über ein spezifisches Fachwissen. Eine klassische Win-win-win-Situation.

Ehemalige erfahren Wertschätzung, halten sich fachlich auf neustem Stand, verdienen etwas dazu, während Jung und Alt voneinander lernen und Unternehmen ihr Know-how erhalten. Das ist nicht alles: Einen weiteren Vorteil bei der Beschäftigung Pensionierter ortet BMS-Geschäftsführer Schrödl darin, dass Senior-Experten «keine Karriere- oder Vertriebsziele verfolgen» und sich daher auf die Problemlösung konzentrieren. Die Zahlen sprechen für die Nachfrage dieser Dienstleistung: Denn 2016 haben die 1600 altgedienten Bosch-Mitarbeitenden rund 65 000 Tageseinsätze erbracht.

Damit sich Auftraggeber und Experten möglichst effizient finden, nutzt Bosch ein Programm namens «Senior Expert Management» aus der Softwareschmiede Media Access. Ehemalige erstellen ein Profil, um gefunden zu werden, und nutzen die Software, um an interessante Aufträge zu gelangen. Auftraggeber hingegen filtern die Datenbank nach benötigtem Expertenwissen, erforderlichen Zertifikaten oder Kompetenzen. Kommt es zu einem Match, lädt der Auftraggeber zu einem gegenseitigen Kennenlerngespräch ein und bespricht die Aufgabe sowie die Einsatzdauer mit dem Senior-Experten. Die Arbeitszeiten bestimmen Auftraggeber und Experte individuell, während die Auftragsverwaltung sowie das Reisemanagement und die Zeiterfassung über die Senior-Expert-Management-Software abgewickelt werden.

Faires Gehalt

Entlöhnt werden die befristet beschäftigten Experten mit Honoraren, die sich an ihren früheren Salären orientieren. Das gewährleiste, dass für eine beauftragende Fachabteilung nicht die Kos-tenvorteile ausschlaggebend seien für die Auftragsvergabe an einen Senior-Experten.

Am Ende seines Auftrags bewertet der Auftraggeber die Qualität der geleisteten Arbeit. Mit der durchschnittlichen Quote von 93 Punkten ist man bei einer Höchstzahl von 100 Punkten bei Bosch mittlerweile sehr zufrieden.

Zum Projekt

Mit der nahtlos in bestehende IT-Landschaften integrierbaren Software «Senior Expert Management» können Unternehmen erfahrene Mitarbeitende über das Pensionsalter hinaus während einer befriseten Zeit oder in Projekten beschäftigen. Dabei gleicht das Programm die Bedürfnisse des Arbeitgebers mit den Senior-Experten ab und schlägt passende Matches vor: Senior-Experten werden für Projekte vorgeschlagen, die zu ihren Erfahrungen passen, während Projektleiter Kandidaten herausfiltern können, die sie für eine Aufgabe brauchen.

Zudem unterstützt die Software die 
Verantwortlichen bei der Lohn- und der Versicherungsabrechnung sowie bei der Reisekostenentschädigung und ordnet die entstandenen Kosten automatisch der korrekten Kostenstelle zu. Die integrierte Controlling-Funktion ermöglicht, die 
Projekte nach frei definierbaren Kriterien betriebswirtschaftlich zu analysieren. Zu den Kunden der Softwareschmiede Media Access mit Sitz in Stuttgart gehören neben Bosch auch Thyssen Krupp und die ZF Friedrichshafen AG.

Die Bosch-Gruppe ist ein international führendes Technologie- und Dienstleistungsunternehmen mit Schwerpunkt in Mobility Solutions, Industrial Technology, Consumer Goods sowie Energy and Building Technology. Im Internet der Dinge (IoT) bietet Bosch Lösungen für Smart Home, Smart City, Connected Mobility und Industrie 4.0. In der Schweiz beschäftigt Bosch 3200 Mitarbeitende und erzielte 2016 einen Umsatz von 569 Millionen Euro.

 

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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