Recruiting

Arbeitgeber-Bewertungsportale: Noten für die Firma

Früher wurde das, was der Arbeitsmarkt über ein Unternehmen erfahren sollte, über Hochglanzbroschüren verbreitet. Heute berichten die Mitarbeiter über Interna im Web. Sie sind zu Botschaftern ihrer Arbeitgeber geworden. Und Top-Bewerber hören ihnen gerne zu, wenn sie nach einer neuen Stelle suchen. Hierbei zählen Arbeitgeber-Bewertungsportale zu den ersten Anlaufstellen. Dieser Beitrag zeigt, was dabei zu beachten ist.

In der Stellenanzeige klingt alles noch vielversprechend: «Es erwarten Sie nette Kollegen, ein hochmodernes Arbeitsumfeld, eine abwechslungsreiche Tätigkeit sowie attraktive Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten.» Doch gibt man den Namen der Firma auf einem Arbeitgeber-Bewertungsportal ein, hört man ganz andere Töne:

«Vorstand und HR-Leitung optimieren KPIs auf Kosten der Mitarbeiter, damit sie selbst maximale Tantiemen bekommen. Rufen dann zu Spenden auf. Das ist mir erst auf Hinweis eines Kollegen aufgefallen: Die 3000 Euro kommen nicht von denen privat, sondern von der Firma, also UNS.» Dieser Punkt wird in weiteren Einträgen aufgegriffen. Auch andere Verfehlungen werden rabiat diskutiert. In einem der Einträge heisst es schliesslich: «Allerdings würde ich für einen neuen Vorstand spenden.»

Zum Abfragezeitpunkt hatte dieser Arbeitgeber, eine renommierte Unternehmensberatung, 286 Bewertungen erhalten, die 231'993 Mal aufgerufen worden waren. Die durchschnittliche Bewertungspunktzahl lag bei 2,63. Dieser Wert war durch einige leitende Personen, die den Maximalwert von 5,0 eingegeben hatten, ganz offenbar geschönt worden. Bei einer Google-Abfrage mit dem Namen der Firma + Vorstand erschien der obige Text auf der Trefferliste schon an zweiter Stelle.

Suchmaschinen-Algorithmen präferieren, was die Menschen sagen

Wer bei Google den Namen eines Arbeitgebers eingibt, dem wird bei den organischen Treffern an oberster Stelle meist nicht die Website der gesuchten Organisation angezeigt, vielmehr bekommt man die Einträge auf Bewertungs- und Meinungsplattformen als erstes zu sehen. Das bedeutet: Sogar Suchmaschinen-Algorithmen favorisieren das, was die Menschen über ein Unternehmen sagen.

Was man dann liest, ist bisweilen erschütternd. Das Delta zwischen Leitbildprosa und gelebter Wirklichkeit könnte grösser nicht sein. Auch wenn die Einträge subjektiv sind: Dank solcher Bewertungsportale können sich potenzielle Bewerber nun endlich im Vorfeld ein erstes Bild vom Betriebsklima einer Firma machen und einen Eindruck darüber gewinnen, ob das Unternehmen zu ihnen passt oder nicht.

Eine repräsentative Umfrage des Bitkom, des Verbands der ITK-Branche, unter 778 Internetnutzern ergab, dass sich jeder vierte User im Netz mit Hilfe von Bewertungsportalen über potenzielle Arbeitgeber informiert. Insgesamt siebzig Prozent von denen, die die Absicht hatten, den Job zu wechseln, haben sich durch solche Bewertungen in ihrer Entscheidung beeinflussen lassen. Und vierzig Prozent gaben an, sich aufgrund der Bewertungen gegen einen Jobwechsel entschieden zu haben.

Wie man von Arbeitgeberportalen profitieren kann

Das Wertvollste, das Bewertungsportale den Unternehmen zu bieten haben, ist das ungeschminkte Stimmungsbild der Mitarbeiter. Auch Verbesserungsbedarf, den intern vielleicht niemand ansprechen mag, kann über solche Plattformen identifiziert werden.

Nicht zuletzt sind positive Bewertungen genau die Werbung, die ein Unternehmen für neue Talente attraktiv macht. Und nicht vergessen: Kunden, Investoren und die Medien lesen das auch. Unternehmen sollten deshalb die Meinungsbildung auf solchen Portalen genauso im Auge behalten wie ihre Umsatzzahlen und die Geschäftskorrespondenz.

Ferner müsste ein Stellungnahme-Account beantragt werden. Für positive Kommentare kann man dann danken. Auf negative Bewertungen sollte konstruktiv geantwortet und auf harsche Kritik überlegt reagiert werden. Jeder weiss: Ausschliesslich begeisterte Mitarbeiter gibt es nirgends. Anstatt also diejenigen zu jagen, die einen Missstand öffentlich machen, sollte man sich besser um den Missstand kümmern.

Wie Sie Mitarbeiter aktiv zu einer Bewertung einladen

Wenn Mitarbeiterloyalität, Motivation und Mitarbeiterengagement stimmen – und nur dann – macht es Sinn, die Belegschaft einzuladen, die Firma auf Kununu & Co. zu bewerten. Geben Sie eine plausible Begründung, warum das so wichtig ist, denn dies erhöht Ihre Chancen beträchtlich. Unser Hirn liebt Begründungen, damit es weiss, weshalb es überhaupt aktiv werden soll.

Schreiben Sie also zum Beispiel so: «Wir brauchen dringend noch weitere Talente, um unser bestehendes Hochleistungsteam zu komplettieren. Und weil die Besten sich im Web vorinformieren, können ein paar weitere anregende Bewertungen bei Kununu uns allen sehr helfen. Wenn Sie also mögen, dann … .» Nun folgt eine Kurzbeschreibung, wie das funktioniert, damit das Ganze für jeden so einfach wie möglich ist.

Bieten Sie aber niemals Geld oder Goodies für gute Bewertungen an. So etwas gelangt meist sehr schnell an die Öffentlichkeit. Und dann ist Ärger vorprogrammiert. Positive Stimmen bei Kununu & Co hingegen sind für immer mehr Bewerber ausschlaggebend, damit es überhaupt zu einem ersten Annäherungsversuch kommt.

Buch zum Thema

Anne M. Schüller: Das Touchpoint-Unternehmen. Mitarbeiterführung in unserer neuen Businesswelt. Gabal, März 2014, 368 Seiten. Auch als Hörbuch erhältlich.

 

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Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Vom Business-Netzwerk LinkedIn wurde sie zur Top-Voice 2017 gekürt. www.anneschueller.de

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