Yves Schneuwly, Geschäftsführer Schweiz von Universum, erläutert im Interview weitere Details.
Herr Schneuwly, was hat Sie an der Studie am meisten überrascht?
Yves Schneuwly: Am meisten überrascht hat mich die Aussage der Professionals*, dass sie nur mit zwei bis fünf Arbeitgebern im Laufe ihrer Karriere rechnen. Einerseits ist ein grosser Teil der Arbeitnehmer bereit, den Job zu wechseln, andererseits sind sie aber gleichzeitig auch zufrieden. Oder anders gesagt: Sie wollen sich verändern, sind aber nicht bereit, etwas zu ändern.
Wie erklären Sie sich das?
Viele Menschen sind nie ganz zufrieden mit dem, was sie haben, und streben nach kontinuierlicher Verbesserung. Wird ihnen etwas auf dem Silbertablett präsentiert, dann greifen sie zu. Dabei helfen ihnen die sozialen Medien. Von sich aus initiativ wird aber nur eine Minderheit; die Mehrheit der Befragten hat letztes Jahr keine Bewerbung geschrieben.
Gemäss vielen Studien ist die Work-Life-Balance wichtiger als Geld. Die Universum-Studie zeigt nun aber, dass finanzielle Motive doch eine grosse Rolle spielen. Wie lässt sich das erklären?
Work-Life-Balance ist ein Mega-Trend, der von der Generation Y getragen und von anderen übernommen worden ist. Mittel- bis langfristig steht der gesunde Ausgleich im Vordergrund, doch für kurzfristige Entscheidungen, etwa bei der Jobsuche, spielen zum Beispiel Geld oder Weiterentwicklungsmöglichkeiten eine grössere Rolle.
Wie wichtig ist ein gutes Gehalt?
Je tiefer das durchschnittliche Brutto-Inland-Produkt eines Landes pro Kopf ist, umso wichtiger werden Gehalt und Aufstiegsmöglichkeiten. In der Schweiz ist Geld deshalb weniger wichtig als in anderen Ländern. Wer allerdings unterdurchschnittliche Löhne zahlt, hat auch hier Schwierigkeiten, eine Stelle zu besetzen. Man gewöhnt sich an ein Lohnlevel, dieses will man zumindest halten oder verbessern. Für einen Jobwechsel ist das Gehalt sicher nicht das alleinige Entscheidungskriterium. Geld ist aber auch nicht einfach nur ein Hygienefaktor.
Was ausser Geld motiviert Arbeitnehmer denn, den Job zu wechseln?
Die Aussicht, etwas Neues zu machen oder anspruchsvollere Aufgaben zu übernehmen. Ganz wichtig sind auch Training und Weiterentwicklungs-Möglichkeiten. Heute fordern Arbeitnehmer nicht mehr einen sicheren Job, sondern dass der Arbeitgeber in ihre Employability, also ihre Arbeitsmarktfähigkeit, investiert. Eine kontinuierliche Weiterbildung und Weiterentwicklung impliziert Sicherheit, nämlich die Sicherheit, auf dem Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden.
Ihre Studie zeigt, dass besonders Informatiker monetär motiviert sind. Wie erklären Sie sich das?
Wir kennen den Grund nicht. Allerdings zeigen unsere Studien, dass bereits IT-Studenten höhere Lohnerwartungen haben als etwa Wirtschafts-Studenten. Es kann sein, dass sie sich ihres Wertes bewusst sind.
Wie schaffen es Unternehmen, gute Mitarbeiter zu halten?
Employer Branding, insbesondere die Employer Value Proposition, also das Nutzen-Versprechen des Unternehmens in seiner Funktion als Arbeitgeber, sind dabei zentral. Die Mitarbeiter fragen sich, welcher Mehrwert sich durch die Arbeit beim Unternehmen für sie ergibt. Das Unternehmen muss sicherstellen, dass es sein Nutzen-Versprechen gegenüber den Mitarbeitern einhalten kann.
Können Sie Beispiele nennen?
Eine Firma kann etwa versprechen, dass sie interessante Entwicklungsmodelle anbietet, oder dass tolle Mitarbeiter im Unternehmen arbeiten, oder es über ein inspirierendes Management verfügt. Wichtig ist, dass das Versprechen wahr ist. Kann es eingelöst werden, ist die Chance weitaus grösser, dass Mitarbeiter längerfristig an das Unternehmen gebunden werden können und auch eher bereit sind, das positive Erlebnis nach aussen zu tragen.
Nestlé und Google, aber auch L’Oréal oder die Swatch Group sind bei Professionals besonders beliebt. Was macht diese Unternehmen so attraktiv?
Sie überlassen nichts dem Zufall und verlassen sich stark auf Daten und Zahlen. Attraktive und insbesondere innovative Unternehmen treffen Entscheidungen nicht auf Grund ihres Bauchgefühls, sondern stützen sich auf Fakten, die sie etwa aus Marktanalysen ziehen. Gerade in der IT- und Technologie-Branche ist es vollkommen normal, sich auf Daten zu stützen.
Was können andere Unternehmen machen, um attraktiver zu werden und so die besten Kandidaten anzuziehen?
Hilfreich ist eine Analyse: Was ist der Sinn und Zweck unserer Arbeitgeber-Marke? Was sind unsere Zielgruppen? Wonach streben diese Talente mittel- bis langfristig in ihrer Karriere? Was macht einen Arbeitgeber attraktiv für unsere Zielgruppen? Wie sieht das aktuelle Selbst- und Fremdbild unserer Arbeitgebermarke aus? Wie positionieren sich die Mitbewerber? Daraus können Organisationen ein attraktives, wahres, glaubwürdiges und nachhaltiges Arbeitgeber-Versprechen ableiten, das sie von anderen Anbietern unterscheidet.
*Professionals:
- Haben mindestens zwölf Monate Berufserfahrung und eine abgeschlossene (akademische) Ausbildung.
- Young Professionals haben bis zu acht Jahre Berufserfahrung und sind jünger als 40.
- Senior Professionals haben mehr als acht Jahre Berufserfahrung und sind über 40 Jahre alt.