Gefördert und gebraucht statt ausgemustert
Die Einstellungs- und Rekrutierungspolitik konzentriert sich nach wie vor stark auf junge Arbeitnehmer. Dabei gibt es gute Gründe für Unternehmen, gezielt Mitarbeiter über 50 zu rekrutieren.
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Ältere Mitarbeiter weisen eine geringere Produktivität auf und sind unrentabler als jüngere Teammitglieder, haben Berührungsängste im Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln und sind mit technologischen Neuerungen weniger à jour, sie lassen Tatendrang und Innovationsbereitschaft vermissen, haben eingefahrene Muster, sind wenig belehrbar und nicht so flexibel, verfügen über geringe Kompromissbereitschaft und passen nur selten in jüngere Teamkonstellationen. Dies sind oft gehörte Ansichten und gängige Vorurteile gegenüber älteren Stellenbewerbern.
In den Industrienationen werden die Menschen immer älter. Aktuell ist die Lebenserwartung bei Geburt in der Schweiz eine der höchsten der Welt und hat sich seit 1900 fast verdoppelt. Wenn die Lebenszeit neu zu definieren ist, kann es nicht sein, dass Menschen bereits ab 60 Jahren oder früher in den Ruhestand geschickt werden. Brachliegende Talente sind die Folge. Groteskerweise fällt die «Alters-Guillotine» bei gleichzeitigen Diskussionen über eine mögliche Rentenaltererhöhung auf 65 respektive 67 immer früher – derzeit, vor allem bei Frauen im Assistenzbereich, teilweise schon ab 45 Jahren.
Trotz steigender Lebenserwartung und Verlängerung der Arbeitspflicht haben ältere Arbeitnehmer auf dem offenen Arbeitsmarkt oder in Firmenstrukturen gegenüber jüngeren Mitbewerbern meist das Nachsehen. Dabei stellt die aktuelle demografische Entwicklung die Unternehmen durch die zu erwartende Verknappung junger Arbeitskräfte vor massive Herausforderungen.
Die steigende Lebenserwartung, geringe Geburtenraten und somit die Schrumpfung der aktiven Bevölkerung führen zu einer Verschiebung der Altersstruktur, die vor den Belegschaften der Unternehmen nicht Halt macht. In nicht allzu ferner Zeit werden die über 50-Jährigen die stärkste Gruppe der Erwerbstätigen bilden. Leider ist festzustellen, dass sich bei den Unternehmen kaum oder nur sehr langsam das Bewusstsein entwickelt, dass auf ältere Mitarbeitende deshalb zukünftig nicht länger verzichtet werden kann. Aus Firmensicht gilt es daher, rechtzeitig auf diese Veränderungen im Personalmarkt zu reagieren und die Erwerbsbeteiligung Mitarbeitender 50+ zu erhalten beziehungsweise sicherzustellen.
Was ältere Mitarbeiter mitbringen
- Die gewonnene Lebenserfahrung älterer Arbeitnehmer, welche im Gegensatz zum bewussten, angeeigneten Wissen eher intuitiv, personen- und situationsgebunden ist, kann sich positiv in der Konfliktbewältigung, im Umgang mit schwierigen Kunden und Mitarbeitern auswirken
- Ältere Mitarbeiter sind bei Innovationsprojekten ideale Erfahrungsträger
- Individuelle Produktivität und geistige Flexibilität haben nichts mit dem Alter zu tun
- Mitarbeiter 50+ sind oft hoch motiviert und pflichtbewusst
- Hohe Vitalität und Robustheit zeichnen viele gesunde ältere Personen aus
- Ältere Arbeitnehmer suchen in der Regel eine langfristige, sinnhafte Tätigkeit, haben die Familienplanung abgeschlossen und verhalten sich aufgrund ihrer geschmälerten Chancen am Arbeitsmarkt loyal
- Sie sorgen für Kontinuität und Stabilität innerhalb der Firma
- Bei personenbezogenen Dienstleistungen wirken sich ältere Dienstleister für ältere Kunden positiv aus
- Der Know-how-Transfer von älteren Arbeitnehmern gegenüber Jüngeren ist in altersdurchmischten Teams sichergestellt
Ein Umdenken innerhalb der Firmen ist gefordert
Gemäss unserer eigenen Erfahrung wird jung mit «dynamisch und erfolgreich» gleichgesetzt. Eine in der Gesellschaft unterschwellig verbreitete, negative Haltung gegenüber dem Älterwerden und eine Tendenz hin zum Jugend- und Schönheitskult spiegeln sich auch im Personalmarkt wider. Eine Vielzahl pauschaler Vorurteile gegenüber Defiziten älterer Stellenbewerber steht einer detaillierten Abklärung der erforderlichen fachlichen Qualifikationen und der persönlichen Eignung meist im Wege. Nicht selten beinhaltet das Wunschprofil einer zu besetzenden Stelle bereits eine explizite «Alters-Guillotine», welche ältere Stellensuchende automatisch vom Bewerbungsprozess ausschliesst.
Wir sind der Auffassung, dass Qualifikationen der Bewerber situativ und individuell abzuklären und nicht auf «alt» versus «jung» zu verallgemeinern sind. Bei der Stellenbesetzung sollten idealerweise das Leistungsvermögen, der Erfahrungsschatz und der Wissenstand der Kandidaten sowie die Integration in die Sozialstruktur eines Unternehmens berücksichtigt werden. Hierfür gilt es, den richtigen Kandidaten mit den erforderlichen Fähigkeiten und der passenden Persönlichkeit zu bestimmen – unabhängig vom Alter. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Einstellungs- und Rekrutierungspolitik nach wie vor stark jugendzentriert ist.
Warum nicht eher mal den Fokus auf die «Älteren» legen?
Die zu beobachtende höhere Loyalität älterer Mitarbeiter und der Wunsch nach einer langfristigen Anstellung erhalten das gewonnene Know-how innerhalb der Firma, sorgen für Kontinuität und mindern Rekrutierungskosten. Eine gute Altersdurchmischung steigert das positive Image einer Firma und dient der besseren Profilierung als Arbeitgeber. Das Unternehmen beweist soziale Verantwortung und Aufgeschlossenheit. Zudem können gemischte Teams für mehr Effizienz sorgen und Planungsfehler vermeiden, indem sich ergänzende, unterschiedliche Sichtweisen, Wissen und Erfahrungen berücksichtigt werden. Gleichzeitig sind altersdurchmischte Abteilungen ein Lehrstück der Toleranz und funktionieren nur dank Respekt zwischen den Generationen.
Generell gilt es, das Alter differenzierter anzuschauen – so greift die oft noch vorherrschende Meinung heute nicht mehr, das Alter sei mit weniger Leistungsvermögen, Mobilitätseinschränkungen, Krankheitszunahme oder Vitalitätsverlust verbunden. Geistige Flexibilität ist keine Frage des Alters, sondern vollumfänglich persönlichkeitsabhängig.
Zum Problem wird Alter im Erwerbsleben aus unserer Sicht nur, wenn Arbeitsanforderungen und Leistungsvermögen oder Leistungswille nicht mehr übereinstimmen. Gründe für eine verminderte Lernbereitschaft oder -fähigkeit sind gemäss Aussagen von Kandidaten meist eine einseitige Arbeitsbelastung oder ungünstige Rahmenbedingungen. Diese widrigen Einflüsse können unabhängig vom Alter der Mitarbeitenden zu geringerer beruflicher Leistungs- und Lernfähigkeit führen.
E-Recruiting Generation 50+
Die digitale Stellenanzeige hat inzwischen längst die gedruckte Version abgelöst. Inserate werden vorwiegend auf firmeninternen Webseiten und/oder auf entsprechenden Jobportalen geschaltet. Die Generation 50+ bewegt sich auf diesen Portalen ebenso wie junge Personen, die aktiv auf Stellensuche sind. Die Zusendung der Bewerbungen erfolgt in 95 Prozent der Fälle in elektronischer Form per E-Mail. Dies gilt auch für die ältere Generation. Auch die Personalbeschaffung erfolgt zunehmend über Social Networks, insbesondere LinkedIn und Xing. Worüber ungern gesprochen wird, was aber dennoch gängige Praxis zu sein scheint, ist der sogenannte Background-Check auf Beziehungsportalen (Facebook), professionellen Netzwerkportalen (Xing) oder Suchmaschinen (Google). Dort ist die Generation 50+ eher seltener anzutreffen, was positiv hinsichtlich einer möglichen nachteiligen Online-Reputation und negativ punkto Erreichbarkeit und Visibilität der älteren Stellensuchenden sein kann.