Serie Tatjana Strobel

Körpersprache im Vorstellungsgespräch: Teil 9

Körpersprache-Expertin Tatjana Strobel beschreibt in 10 Teilen exklusiv für hrtoday.ch, was der Körper eines Kandidaten während eines Bewerbungsgesprächs über dessen Befindlichkeit und Charakter verrät. Im neunten Teil geht es um weitere Angst- und Unsicherheitssignale.

Jaak Panksepp, ein amerikanischer Psychologe und Neurowissenschaftler, fand 1998 heraus, dass unser Gehirn uns in unangenehmen oder bedrohlichen Situationen anweist, Autoberührungen auszuführen. Dies stimuliert bestimmte Nervenenden, die im Gehirn wiederum für die Ausschüttung von Endorphinen sorgen, also Substanzen, die uns entspannen und beruhigen – ein ausgeklügeltes System. Eine Autoberührung übernimmt im Stressfall die Funktion der frühkindlichen Beruhigung. Man berührt oder streichelt sich selbst, um sich zu beruhigen und in Sicherheit zu wiegen. Das tritt im Gespräch also genau dann auf, wenn der Bewerber sich unsicher oder ängstlich zeigt.

Autoberührungen können Sie im Vorstellungsgespräch in folgenden Ausprägungen sehen:

Halsberührungen (Foto): Berühren Menschen sich selbst an Hals oder Nacken, ist dies ein Hinweis darauf, dass sie unter Stress stehen und unsicher sind. Frauen berühren dann gerne die sogenannte Drosselgrube – das ist die kleine Vertiefung zwischen den Schlüsselbeinen. Beim Menschen und bei Säugetieren ist dies eine der empfindlichsten Stelle des Körpers, denn dort verlaufen grosse Blutgefässe. Ein Stich in diese Region würde einen raschen, tödlichen Blutverlust zur Folge haben. Greift eine Frau an ihre Drosselgrube, so fühlt sie sich stark unter Druck gesetzt, bedroht, unwohl oder unsicher.

Greifen sich der Bewerber im Gespräch an den Nacken (Foto), so erlebt er ein emotionales Unbehagen, hat grosse Zweifel oder ist stark verunsichert. Auch die Halsberührungen gehören zu den bereits erwähnten Autoberührungsgesten.

Weitere Autoberührungsgesten, die der Selbstberuhigung dienen, sind:

  • Das Streicheln der eigenen Wange,
  • das Spielen mit den Haaren (Foto),
  • das Entlangfahren der Zunge im Inneren des Mundes, der Wange oder an der Lippe
  • das Berühren von Kleidung und Schmuck
  • das Neu-Ausrichten der Krawatte oder des Hemdkragens (Foto),
  • das Spielen an den Manschettenknöpfen,
  • das Streichen über den Oberschenkel,
  • das Spielen mit dem Ringfinger.

Ein weiteres spannendes Phänomen in der Körpersprache ist der assoziierte oder der dissoziierte Zustand, in diesem erkennt man, welche Nähe oder Distanz der Bewerber in Bezug auf eine Sache oder eine von Ihnen gestellt Frage hat. Die Worte «assoziiert» und «dissoziiert» haben ihren Ursprung im Lateinischen. Lateinisch «associare» bedeutet «vereinigen, verbinden, beteiligen, «dissociare» hingegen steht für eine Trennung, die Aufhebung einer Verbindung. In Angst- und Unsicherheitssituationen neigt der Kandidat dazu, in den dissoziierten Zustand zu gehen, sich also regelrecht von Ihnen zu entfernen, sich zurückzuziehen um somit sein Unbehagen aufzuzeigen.

Dies passiert, indem der Bewerber sich auf seinem Stuhl nach hinten lehnt, den Stuhl ein Stück vom Tisch entfernt oder sich schlichtweg von Ihnen abwendet (Bild).

Da der Mensch bekanntlich immer auf den drei Kanälen Mimik, Körpersprache und Stimme reagiert, bleibt auch im Angstfalle die Stimme nicht verschont. Angst hat einen klar nachweisbaren Einfluss auf den Klang sowie die Lautstärke der  Stimme Ihres Bewerbers. Wenn dieser Angst hat, nimmt im gesamten Körper die Muskelspannung zu: er verkrampft, was ebenfalls zu einer Verkrampfung der Stimmbänder führt und dies zu einem Ansteigen und einer hörbar lauteren Stimme führt. Auch ein Flattern oder Flimmern der Stimme ist möglich.

Bei Frauen springt die Stimme gerne mal einen halben bis ganzen Ton herauf und wird schrill. Hüpfende Kropfbewegungen, schweres Schlucken, kratzige Stimme oder gar ein Kloss im Hals können die Folge sein. Beim Sprechen treten zudem typische Angstpausen auf, die mit Füllworten wie «hm», «äh», abgehakten Sätze oder mit Wiederholen der Frage überbrückt werden.

Jetzt liebe Leserinnen und Leser haben Sie alle gängigen Angst- und Unsicherheitszeichen zur Hand und können ab sofort nach diesen Ausschau halten. Sobald Ihnen mehrere dieser Zeichen ins Auge springen, versuchen Sie zu ergründen, worauf der Kandidat so vehement reagiert. Sobald Sie Ihre Frage mit der Reaktion verknüpft haben, können Sie bereits weitere Rückschlüsse zu Ihrem Bewerber ziehen und sehen, ob dieser wirklich in Ihr Unternehmen passt, oder Sie tauchen tiefer und hinterfragen die Reaktionen, indem Sie das Thema vertiefen, weitere Fragen stellen.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Aufspüren der nonverbalen Zeichen des Körpers.

Herzlichst

Ihre Tatjana Strobel

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Tatjana Strobel ist Expertin für Körpersprache, Physiognomie und Menschenkenntnis, Bestsellerautorin und Gründerin des Unternehmens «TS HeadWorx». www.tatjanastrobel.ch, www.mesmerize-it.ch

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