«work & care»

Unterstützung für Mitarbeitende, die Angehörige pflegen

Unternehmen wissen wenig über Mitarbeitende, welche Angehörige pflegen. Wer von «work & care» betroffen ist, ist oft auf sich alleine gestellt. Unternehmen sollten handeln, denn zukünftig wird es vermehrt Mitarbeitende geben, die neben ihrer Arbeit Angehörige betreuen. Eine Studie gibt Empfehlungen ab.

Die Mutter von Lea S.* ist 75 Jahre alt und leidet an Demenz. Sie braucht im Alltag vermehrt Unterstützung. Damit Lea S. die Betreuung der Mutter mit ihrer Arbeitstätigkeit vereinbaren kann, hat sie ihr Arbeitspensum reduziert und ihre Kaderfunktion aufgeben müssen. Die Vereinbarkeitsthematik von Arbeitstätigkeit und Pflege und/oder Betreuung von Angehörigen wird unter dem Begriff «work & care» gefasst und seit 2006 durch Careum erforscht. Untersuchungen zeigen, dass rund 50 Prozent der Erwerbstätigen mindestens einmal im Leben von einer Situation wie Lea S. betroffen sind (vgl. dazu www.workandcare.ch).

Hintergründe

Im Gegensatz zur Vereinbarkeit von Arbeitstätigkeit und Kinderbetreuung sind in der «work & care»-Thematik Betroffene in der Regel auf sich selbst gestellt. Informationen zu Unterstützungsangeboten (z.B. Lohnkompensation, Hilflosenentschädigung, Haushaltshilfe, Entlastungsdienst SRK) sind selten aus einer Hand zugänglich. Sogar der Bundesrat schreibt im Dezember 2014 in seinem Bericht «Unterstützung für betreuende und pflegende Angehörige», dass die Situation von pflegenden Erwerbstätigen verbessert werden muss. Er fordert, dass Unternehmen für das Thema «work & care» vermehrt sensibilisiert und daraus konkrete Massnahmen für betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgeleitet werden. Eines ist sicher: Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels, des Fachkräftemangels und der steigenden Pflegekosten werden Unternehmen immer mehr Mitarbeitende beschäftigen, die nebst ihrer Arbeitstätigkeit Angehörige pflegen.

Studie in der Zentralschweiz

Um einen Beitrag zur Diskussion des Themas «work & care» in den Unternehmen in der Zentralschweiz zu leisten, hat die Hochschule Luzern zwölf HR-Verantwortliche und einen CEO verschiedener Branchen interviewt. Die befragten Unternehmen beschäftigen insgesamt über 24‘000 Personen. Die Untersuchung hat auf die folgenden Themenfelder fokussiert:

  • Inwieweit sind die Unternehmen heute für das Thema «work & care» sensibilisiert?
  • Wie gross ist das Ausmass der Betroffenheit im Unternehmen?
  • Wie gelingt der Umgang mit den vielfältigen Herausforderungen, die mit «work & care» verbunden sind? Was sind förderliche Rahmenbedingungen, Stolpersteine und Erfolgsfaktoren?
  • Welche Rolle spielen unternehmenskulturelle Aspekte?

Einblick in die Ergebnisse

Entgegen übereinstimmender Forschungsergebnisse aus anderen Studien, dass ca. 12 bis 24 Prozent der Beschäftigten in ein «work & care»-Arrangement eingebunden sind, zeigte sich in den untersuchten Unternehmen folgendes Bild:

  • Alle befragten Unternehmen verfügen über Erfahrungen mit dem Thema «work & care», trotzdem wird die Betroffenheit durch «work & care» in der Regel als gering eingeschätzt.
  • Die meisten Unternehmen berichten, dass sie mit Einzelfällen konfrontiert sind, die man individuell lösen kann.
  • Allgemein ist wenig konkretes Wissen rund um die Vereinbarkeitsthematik vorhanden und es gibt wenig institutionalisierte Regelungen. Die befragten Unternehmen sind dem Thema gegenüber jedoch offen und grundsätzlich positiv eingestellt, sie äussern einen Bedarf an praxisrelevantem Wissen.
  • Die Gelingensbedingungen für «work & care» sind vielfältig. Eine wichtige Rolle spielen die Funktion und das Aufgabengebiet der betroffenen Person sowie das Pflegearrangement (z.B. notfallmässig/chronisch; kurz-/langfristig). Allgemein wurden genannt: Genügend und flexibel einsetzbare (Zeit-)Ressourcen, flexible Arbeitszeitmodelle, offene, vertrauensvolle und transparente Kommunikationskultur, Anlauf- und Informationsstelle, Absenzenmanagement, Sensibilisierung des Themas bei der Belegschaft und bei den Führungspersonen auf allen Hierarchiestufen.
  • Es wird bewusst oder unbewusst unterschieden, ob es sich bei der zu pflegenden Person um eine junge, eine ältere oder alte Person handelt: Während man bei alten Menschen davon ausgeht, dass es normal ist, wenn sie gebrechlich und pflegebedürftig werden, wird eine Krankheit bei jungen Mensch als schicksalshaft wahrgenommen und emotional bedeutsamer eingeschätzt. Diese Beurteilungen korrelieren häufig mit dem Verständnis und dem konkreten Beitrag, der vom Arbeitgeber und den Arbeitskolleginnen und -kollegen erwartet werden darf.

Gestaltungsempfehlungen

Wie gelingt der Umgang mit der «work & care»-Thematik im Unternehmensalltag? Auf Basis der untersuchten Unternehmen können die Empfehlungen wie folgt zusammengefasst werden:

  1. Pflege und Einfordern einer offenen Gesprächskultur mit dem Ziel, das Thema «work & care» in den Unternehmen zu enttabuisieren und alle Mitarbeitenden dafür zu sensibilisieren.
  2. Definieren von internen Anlauf- und Informationsstellen, welche bei Anliegen rund um das Thema «work & care» kompetente Unterstützung leisten.
  3. Einrichten eines professionellen Fehlzeitenmanagements, welches Abwesenheiten für die «Pflege von Angehörigen» explizit erfasst. Auf Basis dieser informatorischen Grundlage können einerseits Entscheidungen getroffen werden, welche den professionellen Umgang mit der Thematik «work & care» proaktiv ermöglicht. Andererseits kann damit auch eine Einschätzung des Unternehmensrisikos vorgenommen werden und Massnahmen in strategischer und operativer Hinsicht können daraus rechtzeitig ein- resp. abgeleitet werden.
  4. Förderung von Austausch unter den Unternehmen: Auf Grund der zunehmenden Relevanz des Themas einerseits und der Verknappung der Ressourcen andererseits, sollen Unternehmen vermehrt voneinander lernen und vermeiden, dass jeder für sich das Rad neu erfindet.
  5. Sich positionieren, Mut haben, neues auszuprobieren: Unternehmen, welche über die nötigen Ressourcen verfügen, können sich insbesondere in denjenigen Branchen, welche vom Fachkräftemangel betroffen sind, einen Wettbewerbsvorteil im Arbeitsmarkt verschaffen. Stichworte hierzu sind: Jobsharing in Kaderpositionen, höhere Pensen bei Teilzeitbeschäftigten, weniger Frühpensionierungen und last but not least verfügen sie über mehr Mitarbeitende, welche in einer zunehmend überalterter Gesellschaft ihre soziale Verantwortung wahrnehmen.

Ausblick

Bernd C.* muss seit der Krebserkrankung seiner Ehefrau den Haushalt, die Kinderbetreuung, die Unterstützung für seine Frau und die Arbeitstätigkeit unter einen Hut bringen. Sein Arbeitgeber gesteht ihm zu, dass er bis auf weiteres nicht sein volles Arbeitspensum leisten muss, aber trotzdem den ganzen Lohn erhält.

Eine solch grosszügige Haltung ist nicht selbstverständlich und wird massgeblich durch die Ressourcen des Unternehmens geprägt. Die Auseinandersetzung mit «work & care» ist allerdings eine lohnende Investition – nicht nur, um die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeberin zu steigern.

Angaben zur Studie

Von August 2014 bis Juli 2015 wurden insgesamt 13 qualitative Interviews durchgeführt. Befragt wurden zwölf HR-Verantwortliche von Zentralschweizer Unternehmen und ein CEO, wobei insbesondere die grössten Unternehmen der Zentralschweiz interessierten, welche gesamthaft über 24‘000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen. Die Interviews wurden transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.

  • *Name geändert
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Christoph Buerkli, Prof. Mag. et lic. rer. pol., Institut für Institut für Betriebs- und Regionalökonomie IBR, Hochschule Luzern – Wirtschaft (www.hslu.ch/ibr); Studium Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft und Recht, Zweitstudium in Wirtschaftspädagogik. Seit 14 Jahren tätig in der Beratung von Nonprofit-Organisationen sowie in der Forschung und Lehre im Nonprofit-Sektor.

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Kathrin Jehle, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Betriebs- und Regionalökonomie IBR, Hochschule Luzern – Wirtschaft (www.hslu.ch/ibr); Studium Soziologie & Pädagogik, Ausbildung Pflegefachfrau HF, Erfahrung in der öffentlichen Verwaltung und dem Gesundheitssektor sowie im Qualitätsmanagement.

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