Bewertungsportale stellen Unternehmer vor grosse Herausforderungen
Eine junge Frau sucht einen neuen Job. Sie ist in der glücklichen Lage, dass sie sich als IT-Spezialistin mit bester Ausbildung und Berufserfahrung den zukünftigen Arbeitgeber aussuchen kann. Bei dieser Auswahl spielen auch Bewertungsportale eine wichtige Rolle. Schliesslich möchte man nicht in einem Unternehmen arbeiten, das mit 53 schlechten und nur zwei guten Kommentaren bewertet wurde.
Arbeitgeberbewertungen sind für Unternehmen und Personalverantwortliche eine Herausforderung. (Bild: 123RF)
«Bewertungsplattformen werden doch überschätzt» – das hört man immer wieder. Fakt ist aber, dass ein grosser Teil der (vor allem jüngeren) Arbeitnehmer vor einer Bewerbung Plattformen wie kununu.com besuchen. Vergleichen kann man das Ganze beispielsweise mit einem Bewertungsportal für Hotels: Die gesuchte Unterkunft hat nur eine einzige Bewertung mit zwei von fünf Sternen, dazu der Kommentar, dass das Personal extrem unfreundlich, das Bett schmutzig und der Pool aus hygienischen Gründen unbedingt gemieden werden sollte. Hand aufs Herz: Dieses Hotel würde man eher nicht mit einem guten Gefühl buchen.
Wer bewertet denn Unternehmen?
Die Erfahrung zeigt, dass dies eher frustrierte (Ex-)Mitarbeitende machen, als zufriedene und motivierte Zugpferde. Ein fataler Zustand. Natürlich ist es den meisten bewusst, dass dies so ist. Trotzdem: Negative Bewertungen haben grossen Einfluss. Dazu kommen noch menschliche Faktoren: Der künftige Arbeitsort soll sinnvoll sein, die kostbare Lebenszeit will produktiv verbracht werden.
Was können also das Unternehmen oder konkreter die HR-Mitarbeiter hier tun? Es gibt einen schon älteren Leitspruch: «Wenn Sie im richtigen Leben keine Freunde haben, sollten Sie Social-Media meiden.» Leider funktioniert dieser nicht mehr. Denn auch wenn ein Unternehmen nicht auf Social-Media ist, wird darüber gesprochen, geurteilt und bewertet. Heutzutage kommt man also nicht darum herum, sich mit diesen Plattformen zu befassen und sowohl die interne, wie auch die externe Kommunikation entsprechend anzupassen.
Die wichtigste Zutat für eine Firma sind glückliche Mitarbeiter
Das klingt einfach und logisch, ist in der Realität jedoch oft nicht der Fall. Es braucht eine völlig neue, noch klarere, noch transparentere und vor allem noch authentischere Kommunikation. Alles was nicht echt ist im Unternehmen oder was im Widerspruch zu den gerahmten Leitbildern und hochglanzbeschichteten Nachhaltigkeitsberichten steht, wird dem Unternehmen in Zukunft medien- und öffentlichkeitswirksam um die virtuellen Ohren gehauen.
Wenn Mitarbeiter aber vom Spirit der Firma infiziert sind, werden sie das eigene Unternehmen «verteidigen». Hat ein Unternehmen mit 500 Mitarbeitern auf der Facebook-Fanpage lediglich 87 Likes, ist nicht ganz klar ob man sich hier für den eigenen Arbeitsplatz schämt oder ob man es schlichtweg nur «vergessen» hat.
In vielen Unternehmen spricht man nicht darüber oder hält dies vielleicht noch für unwichtig. Mitarbeiter, Führungskräfte und die Unternehmensleitung müssen jedoch unbedingt für diese Themen sensibilisiert werden. Themen wie Reputation und Sinn-Kommunikation sollten breit diskutiert werden. Denn die Show-Time ist definitiv vorbei: Eine teuer produzierte Imagebroschüre ist heute nicht mehr sonderlich glaubwürdig. Viel wichtiger ist die Frage nach dem Image des Unternehmens – für welche Werte und welche Unternehmenskultur ist das Unternehmen bekannt.
Bewertungsportale sind ein Ventil
Die Portale mögen vielleicht nicht immer fair und wirklich ehrlich sein. Imagebroschüren sind das aber schon lange nicht mehr. Höchste Zeit also für mehr Sinn, mehr Transparenz und Offenheit. Schliesslich geht es dabei nicht «nur» um den guten Ruf, es geht auch um die Lebenszeit, die wir in Unternehmen verbringen.
Ein kleines Praxisbeispiel: Ein Medienkonzern kommuniziert, dass er Einsparungen machen und somit auch Lokalredaktionen schliessen müsse. Der Aufschrei der Journalisten ist verständlicherweise gross. Umgehend wird ein Twitterkanal angelegt, um interne Entscheidungen und Gegendarstellungen zu veröffentlichen. Innert kürzester Zeit hat dieser «Inside»-Kanal mehr Follower als der normale Twitter-Kanal des Medienunternehmens. Der Super-Gau für jeden Kommunikationsverantwortlichen.
Es geht also nicht nur um Bewertungsportale. Es geht eher darum, dass alles, was nicht stimmig, nicht authentisch und nicht wertschätzend ist, irgendwann das Licht der digitalen Welt erblicken wird. Ernstzunehmende Herausforderungen, die nicht mit kleinen Pflästerchen-Massnahmen bewältigt werden können.