HR Today Nr. 7&8/2018: Debatte

4-Tage-Woche einführen?

Wer viel arbeitet, ist nicht unbedingt effizient, findet Serienunternehmer Gregor Fröhlich. Er plädiert für eine verkürzte 
Arbeitswoche. Die Umsetzung der 4-Tage-Woche sei tückisch, sagt Gina Brucker. Deshalb plädiert sie dafür, uns nicht 
nur auf dieses vieldiskutierte Modell zu beschränken, sondern ganz neue Lösungen zu finden.

Gregor Fröhlich: «Eine hohe wöchentliche Arbeitszeit 
gewährleistet noch keine Effizienz und schon gar nicht den Erfolg eines 
Unternehmens.»

Im Zuge des Wandels zur Arbeitswelt 4.0 werden jene 
Stimmen immer lauter, die eine flexible Arbeitszeitgestaltung fordern.  In diesem Zusammenhang wird schon länger diskutiert, weshalb wir überhaupt eine 5-Tage-Woche haben. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass man in einer --4-Tage-Woche die gleiche Leistung wie in einer längeren Woche erbringen kann.

Blicken wir mal über den Tellerrand: Ausserhalb der Schweiz haben viele Unternehmen schon vor Jahren neue Arbeitsmodelle eingeführt und sind damit höchst effizient und nachhaltig unterwegs. Geht man in der Geschichte zurück, war die Industrialisierung bisher der grösste Treiber zur Arbeitszeitgestaltung. Mit der Digitalisierung hat sich die Kommunikation jedoch mittlerweile so stark verändert, dass sich neue Arbeitsformen und -möglichkeiten entwickelt haben.

Weshalb sollen sich Berufsfachleute  in einem Büro aufhalten, wenn sie ihre Arbeit auch im Home-Office, im Coworking-Space oder an jedem beliebigen Ort der Welt erledigen können? Bei der gegebenen Flexibilität sollten wir aufhören, die Arbeitszeit zu zählen.

Der Grund dafür ist nur bei der Festlegung des Salärs auszumachen, denn eine stundenbasierte Definition eines Monatssalärs ist jedem Unternehmer und jedem Mitarbeitenden bekannt. Moderne Arbeitswelten stellen ein solches System jedoch zunehmend in Frage, denn eine hohe wöchentliche Arbeitszeit gewährleistet noch keine Effizienz und schon gar nicht den Erfolg eines Unternehmens.

Der Wandel in der Arbeitswelt von morgen betrifft aber auch die Ansprüche der Arbeitnehmenden, die sich geändert haben. Karriere und das grosse Geld stehen bei der Generationen Y und Z nicht mehr im Vordergrund. Jüngere Arbeitnehmende bevorzugen Flexibilität, Freiheit und die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen. Das ist ein ganz anderes Denken, an das sich viele Unternehmen noch gewöhnen müssen. Erfolg bedeutet in einer Firma nicht mehr, eine Arbeit in einer vorgegebenen Zeit möglichst effizient zu erbringen.

Erfolg bedeutet Stabilität, Zufriedenheit, Weiterentwicklung und, sich verantwortlich fühlen zu dürfen. In diesem Kontext hat die Messung der Arbeitszeit keinen Platz mehr.  Erfolge im finanziellen Sinne werden zudem zunehmend gleichberechtigt verteilt:  Niemand hat den Anspruch, mehr Geld als eine Kollegin oder ein Kollege zu verdienen.

Denken wir also zukünftig nicht darüber nach, wie viele Arbeitsstunden wir pro Woche geleistet haben. Denken wir besser darüber nach, wie wir Erfolg definieren und welche Werte wir mit diesem Begriff verbinden. Nur solche Gedanken und Diskussionen werden uns in der schnell lebenden Arbeitswelt von morgen begleiten und erfolgreicher machen.

Gina Brucker: «Was wäre, wenn wir anstelle 
starrer Tagesstrukturen die Arbeitszeit komplett neu definieren?»

Drei freie Tage pro Woche – was spricht dagegen? Auf den ersten Blick befürwortet wohl jeder Arbeitnehmende die Idee eines zusätzlichen freien Tags pro Woche. Also weshalb eine Gegenposition einnehmen?

Die Idee der 4-Tage-Woche klingt unbestrittenermassen reizvoll, muss jedoch finanzierbar sein. So schwanken wir bei der Diskussion um die 4-Tage-Woche zwischen verschiedenen Modellen. Einem Modell ohne Lohneinbusse und Mehrarbeit, einem 80-Prozent-Pensum mit Lohneinbusse und einem Modell mit vier Arbeitstagen à je mehr als zehn Arbeitsstunden.

Jedem dieser Modelle haftet ein bitterer Beigeschmack an. Bereits 1973 wurden die Vor- und Nachteile der 4-Tage-
Woche von Hans Friedrichs 
evaluiert. Betrachtet man seine Argumente, so ist die Gesellschaft in dieser Frage seit vierzig Jahren nicht weitergekommen.

Kühn könnte man sagen, dass sich ja eines dieser Modelle bereits etabliert hat: Für Arbeitnehmende, die ein 80-Prozent-Pensum gewählt haben, ist die 4-Tage-Woche bereits Realität. 2015 bezeichnete die NZZ die Schweiz als das Land der Teilzeitarbeit und zeigte auf, dass die Spitzenposition dabei vor allem auf den hohen Anteil an Frauen in Teilzeitarbeit zurückzuführen ist. Auch Firmen sehen positiven Aspekte. So fehlen Teilzeitmitarbeitende weniger, haben eine niedrigere Fluktuation und sind produktiver.

Den Beigeschmack dieses Modells präsentiert eine Studie von Avenir Suisse. Diese deckt eine positive Korrelation zwischen dem Lohnniveau und dem Anteil teilzeitbeschäftigter Personen auf. Und somit sind wir wieder bei der Finanzierbarkeit als Achillesferse der 4-Tage-Woche.

Doch welche Alternativen gibt es? Was wäre, wenn wir anstelle starrer Tagesstrukturen die Arbeitszeit komplett neu definieren? Denken wir ohne Schranken: Wie ein guter Freund von mir, der vor Jahren die Idee einer 10-Tage-Woche ohne Wochenende hatte. Fünf Tage wird gearbeitet, fünf Tage sind frei. Offizielle Wochenenden gibt es nicht mehr und die Wirtschaft kann durchgehend produzieren. Dieses Modell liesse sich für Schichtarbeit genauso wie für den Dienstleistungssektor anwenden. Der Arbeitnehmende kann sich regelmässig erholen und die Wirtschaft kann ihre Anlagen optimal auslasten und so die Effizienz behalten, um die gleichen Löhne bezahlen zu können. Klar, auch dieser Ansatz ist nicht perfekt und würde vermutlich auf noch mehr Widerstand stossen als die 4-Tage-Woche.

Aber das ist auch nicht der springende Punkt. Es ist viel mehr der Appell, neue Lösungsansätze zu finden, um die Symbiose von Arbeit und Freizeit individueller und für alle Beteiligten optimaler zu gestalten, anstatt uns auf das vieldiskutierte Modell der 4-Tage-Woche zu beschränken.

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Gregor Fröhlich ist Unternehmer und Networker. Als CEO verschiedener Firmen ist eine seiner Hauptaufgaben, Unternehmen in die Arbeitswelt von morgen zu führen.

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Gina Brucker ist Quereinsteigerin im HR und hat ihre Wurzeln in der Politikwissenschaft. Seit 2015 ist sie im Spitalverbund Appenzell Ausserrhoden im HR tätig.

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