Freelancer-Plattformen auf dem Vormarsch
Digitalisierung und Flexibilisierung verändern den Arbeitsmarkt. Immer mehr Unternehmen evaluieren, welche Arbeitstätigkeiten sie von Fachkräften ausserhalb der Organisation ausführen lassen. Dabei rücken Freelancer-Plattformen verstärkt in den Fokus.
Die Gig Economy ermöglicht Flexibilität, birgt aber auch Risiken. (Bild: iStock)
Fachkräfte zu finden, erweist sich für viele Unternehmen in der Schweiz als kompliziertes Unterfangen. Wird Expertenwissen nur kurzfristig für Projekte mit neuartigen Technologien benötigt, stellt sich die Frage, ob dafür teure Fachexperten angestellt werden müssen. Stattdessen liessen sich Auftragsspitzen auch mit Freelancern abfedern. Das bringt eine Aussensicht und erweist sich als nützlich, wenn Projekte unvoreingenommen und frei von unternehmensinternen Anreizkonflikten begleiten werden sollen. Um eine neutrale Perspektive auf Abläufe und Ergebnisse von Projektteams zu gewinnen, werden deshalb häufig Externe als Moderatoren eingesetzt.
Auf administrativer Seite bieten Freelancer-Plattformen den Vorteil, Arbeitskräfte schnell on- und offzuboarden und Fachkräfte je nach Anforderungsprofil zu günstigeren Konditionen als festangestellte Mitarbeitende zu beschaffen. Im Gegenzug erhalten Freelancer einen besseren Marktzugang und lukrativere Aufträge und können ihr Know-how sowie ihr Netzwerk entwickeln. Ausserdem werden sie bei Tätigkeiten wie der Projekt- und Sozialversicherungsabrechnung administrativ unterstützt.
Freelance-Plattformen wachsen
Die Nachfrage nach Freelancern steigt wenig überraschend stark an. Internationale Plattformen wie Upwork (USA) und Fiverr (Israel) verzeichneten in den letzten Jahren ein enormes Wachstum: Der Umsatz von Upwork verdreifachte sich seit 2016 auf über 500 Millionen US-Dollar, während Fiverr 2021 über 3,5 Millionen Käufer zählte. Auch der Business-Netzwerk-Branchenprimus Linkedin mischt in diesem Markt mit: Linkedin-Nutzende können schon heute über den LinkedIn Service Marketplace Dienstleistungen auf ihrem Profil präsentieren und in einigen Ländern über eine Wallet-Funktion sogar abrechnen.
Auch im deutschsprachigen Raum kommt Bewegung in den Markt: So hat Xing seine Plattform HalloFreelancer lanciert und bei GULP können Experten aus dem IT-Umfeld gefunden werden. Daneben gibt es in der Schweiz Payrolling-Plattformen für Freelancer. Etwa Payroll Plus sowie Start-ups wie Scrambl., die Freelancer mit ihrer Plattform vom Match-Making bis zur Abwicklung der Zusammenarbeitsform durch die Integration verschiedener Services unterstützen.
Die Gig Economy bringt auch Nachteile mit sich
Das Freelancer-Plattform-Angebot hat nicht nur Vorteile. Schwächen bestehen beispielsweise beim Match-Making zwischen Fachkräften und den Tätigkeiten im Unternehmen: Die meisten Plattformen bieten nur eine eingeschränkte Suche mittels Keywords oder übergreifender Tätigkeitsbereiche und erfordern ein manuelles Durchsuchen und Vergleichen einzelner Profile beziehungsweise Projekteinsätze. Aktuell bleibt beiden Parteien somit oft nur eine langwierige und zeitaufwendige Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Passt es fachlich, stellt sich die Frage, ob es auch persönlich und kulturell stimmt. Sollen Externe in bestehende Teams integriert werden, sollte ein grosses Augenmerk auf die persönliche und kulturelle Eignung gelegt werden. Obschon viele Plattformen diese durch Ratings, Reputationsmechanismen und digitale Persönlichkeitsprofile abzubilden versuchen, empfiehlt es sich vor einem Engagement, diese in Kennenlerngesprächen zu prüfen.
Nebst dem Match-Making ist die rechtlich korrekte vertragliche Handhabung von Freelancer-Einsätzen über Plattformen, das sogenannte Contracting, eine Herausforderung. Befinden sich Freelancer in einem Auftragsverhältnis, das sie beispielsweise durch einen Werkvertrag zur Lieferung eines Ergebnisses verpflichtet, darf die Weisungsbefugnis für die konkrete Ausführung nicht beim Einsatzbetrieb liegen. Sonst können rechtliche Risiken zur Scheinselbstständigkeit und versicherungstechnische Haftungsfragen entstehen. Ausserdem sollte der administrative Aufwand nicht unterschätzt werden, da Freelancer als Einzelunternehmen abrechnen.
Rechtliche Konflikte vermeiden
Um den administrativen Aufwand möglichst gering zu halten, empfiehlt es sich deshalb, Freelancer-Plattformen zu nutzen, die eine gebündelte und einheitliche Abrechnung von Freelancer-Einsätzen ermöglichen. Werden Externe stundenbasiert beschäftigt und unterliegen dem Weisungsrecht des Einsatzbetriebs, sind rechtliche Besonderheiten des Personalverleihs gemäss AVG zu beachten.
Da internationale Freelancer-Plattformen Nutzende in der rechtlich korrekten Abrechnung der Arbeitsleistung häufig jedoch nicht adäquat unterstützen, können für das beauftragende Unternehmen und die Freelancer rechtliche Risiken entstehen. Um das zu verhindern, sollte auf spezialisierte Payrolling-Anbietende beziehungsweise Freelancer-Plattformen zurückgegriffen werden, die mit Schweizer Payrolling-Anbietenden zusammenarbeiten, welche die rechtlichen Besonderheiten der Schweiz verstehen.
Isolierte Arbeitstätigkeiten, die keine Kenntnisse des Schweizer Markts erfordern, können mit grossen internationale Freelancer-Plattformen abgedeckt werden. Müssen Arbeitnehmende vor Ort sein oder Kenntnisse des Schweizer Markts und seiner Besonderheiten besitzen, empfiehlt es sich, Schweizer Plattformen zu nutzen. Für Tätigkeiten von hoher strategischer oder wettbewerbsrelevanter Bedeutung, die das Kerngeschäft und die Kernfähigkeiten eines Unternehmens betreffen, ist eine feste Belegschaft dagegen eine bessere Lösung.