Neubesetzung: Dasselbe in Grün?
Wir müssen alte Denkmuster ablegen, blinde Flecken beleuchten und Stellenprofile hinterfragen, um neue Stellen mit den Leuten zu besetzen, die unser Unternehmen auch in Zukunft zum Erfolg führen. Ein Kommentar.
Richten sich die gesuchten Eigenschaften neuer Mitarbeiter vielleicht doch hauptsächlich an der eigenen Persönlichkeitsstruktur aus? (Bild: 123RF)
Es ist nicht neu, dass die Toleranz bezüglich Abweichungen vom Wunschprofil bei Arbeitgebern in den vergangenen Jahren kleiner geworden ist. Angesichts der Veränderungen, die im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung für unsere vertrauten Arbeitsweisen zu erwarten sind, ist das Thema besonders aktuell.
Neubesetzung als Chance
Eine gewisse Risikoscheu ist sicherlich mitverantwortlich für die zunehmend restriktive Haltung. Fehlbesetzungen sind teuer und aufwändig.
Fraglich ist aber, ob sich mit einer rigiden Haltung Positionen tatsächlich nachhaltiger besetzen lassen. Das Problem beginnt bereits bei der Festlegung des Wunschprofils – so meine unwissenschaftliche These. Aus meiner Sicht lohnt es sich, die Neubesetzung einer Stelle als Chance zu betrachten, die bisherige Situation zu analysieren und sich zu überlegen, was künftig von der fraglichen Position erwartet wird. Jeder Arbeitnehmer bringt seine spezifischen Stärken und Schwächen mit und Stellenprofile passen sich diesen nicht selten (in mehr oder weniger grossem Umfang) an.
Das macht auch Sinn, denn wir wissen heute alle, dass es sehr viel effektiver ist, Stärken zu fördern, als Schwächen zu korrigieren. Ausserdem ist es oft auch abhängig vom Kontext, ob sich eine spezifische Eigenschaft als Stärke oder Schwäche auswirkt.
Stellenprofil versus Realität
Zu Beginn eines Neubesetzungsprozesses ist es sinnvoll, mit dem aktuellen Stelleninhaber zu überprüfen, ob seine effektive Tätigkeit überhaupt noch mit dem ursprünglich festgelegten Stellenprofil übereinstimmt. Sehr wahrscheinlich hat sich sein Aufgabengebiet mit der Zeit verändert, Aufgaben sind dazugekommen, andere sind weggefallen. In einem nächsten Schritt kann es Sinn machen, zu überlegen, ob die Verteilung der Aufgaben innerhalb des Teams noch sinnvoll ist oder angepasst werden sollte. Eine Neubesetzung ist auch eine Gelegenheit, den Schwerpunkt eines Stellenprofils neu zu setzen und dieses innerhalb der Organisation optimal zu positionieren. Gerade in einer Zeit, in der sich vieles sehr schnell verändert, gilt dies mehr denn je.
Blinde Flecken erhellen
Neben den fachlichen Qualifikationen sind auch die gewünschten persönlichen Eigenschaften des neuen Kollegen sorgfältig zu analysieren. Besonders, wenn der direkte Vorgesetzte hauptsächlich über Profil und Anstellung entscheidet, drängt sich vielleicht die selbstkritische Frage auf, ob die gesuchten Eigenschaften eines potenziellen neuen Mitarbeiters nicht in erster Linie an der eigenen Persönlichkeitsstruktur ausgerichtet werden.
Eine Person mit komplementären Eigenschaften kann eine neue Dynamik in die Zusammenarbeit bringen und mögliche blinde Flecken erhellen, die sich in jedem Team mit der Zeit ergeben. Wieso nicht auch mal eine Teamanalyse durchführen, bei der idealerweise auch der Teamleiter einbezogen wird? Eine produktive und effiziente Zusammenarbeit beruht auch darauf, dass jeder Mitarbeiter optimal eingesetzt wird.
Die bestmögliche Positionierung eines Mitarbeiters lässt sich jedoch nicht allein aufgrund der Menschenkenntnis des Vorgesetzten finden. Hier braucht es eine Objektivierung oder zumindest eine Beurteilung durch mehrere Personen.
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Eigenschaften für die Zukunft
Auf diese Weise sollte das gewünschte Profil an Kontur gewonnen haben und eine gewisse Klarheit darüber herrschen, wie der ideale Kandidat aussehen soll. Im Hinblick auf die Auswirkungen der fortschreitenden Digitalisierung müssen meines Erachtens heute bei der Auswahl eines geeigneten Mitarbeiters weitere Faktoren berücksichtigt werden.
Wir wissen zwar aktuell noch nicht genau, wie unser Arbeitsplatz in drei bis fünf Jahren aussieht. Dies wird sicherlich auch nicht in jeder Branche gleich sein. Einige Eigenschaften, die zunehmend wichtig sein werden, habe ich aber mittlerweile von verschiedenen Experten gehört: Sozialkompetenz, Kreativität, Affinität zu IT, offene Haltung sowie Silo-übergreifendes beziehungsweise cross-funktionales Denken. Hinzu kommt der Aspekt der Diversität in der Zusammensetzung von Teams.
Und zu guter Letzt gehört zur Erarbeitung eines Stellenprofils auch die klare und festgeschriebene Definition des «must have» und des «nice to have ». Diese Priorisierung hilft, im Rekrutierungsprozess den Fokus zu behalten und nicht Gefahr zu laufen, einem Kandidaten mit einer besonders reizvoll scheinenden Qualifikation, die aber für die Stelle im Grunde sekundär ist, den Vorrang zu geben.
Bei der Abwägung zwischen gleichwertigen Kriterien gilt es zu bedenken, dass sich persönliche Eigenschaften kaum verändern lassen, während fachliche Lücken meist einfach, oft sogar «on the job » geschlossen werden können.
Eierlegende Wollmilchsau?
Natürlich ist es wünschenswert, den 100prozentigen Match für eine offene Position zu finden. Wer sucht sie nicht, die eierlegende Wollmilchsau? Möglicherweise erweist sich jedoch eine aus heutiger Sicht perfekte Stellenbesetzung aufgrund sich ändernder Anforderungen als weniger passend. Das einzig konstante im Leben ist die Veränderung – das ist nicht neu.
Neu ist die Schnelligkeit, mit der diese Veränderungen heute ablaufen. Um mit diesen Entwicklungen mithalten zu können, müssen wir aufhören, die alten Wege zu gehen und dennoch neue Resultate zu erwarten. Ein entwicklungsfähiger Kandidat ist also möglicherweise auf lange Sicht die bessere Wahl, als der Kandidat, der im Moment der Stellenbesetzung perfekt passt.