Zeit für Zeitvorsorge als vierte Säule noch nicht reif

Rüstige Rentner helfen Betagten im Alltag und erhalten so Zeitgutschriften für die spätere eigene Betreuung: Während solche Projekte bereits am Laufen sind, hält die Luzerner Regierung die Zeit nicht für reif für die landesweite Einführung des Systems als vierte Säule.

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Luzern (sda). Der Regierungsrat lehnt eine Motion der Grünen für eine entsprechende Standesinitiative ab, wie er in einer Antwort vom Montag auf den Vorstoss festhält. Die Grünen verlangen, dass der Bund für die Altersvorsorge neben AHV, Pension und privater Vorsorge eine vierte Säule schafft, nämlich eine mit Zeitgutschriften.

Die steigende Lebenserwartung, das Verschwinden traditioneller sozialer Netze, Personalknappheit und steigende Kosten in der Alterspflege würden neue innovative Lösungen nötig machen, schreiben die Grünen. Das Modell der Zeitvorsorge werde heute in einigen Gemeinden praktiziert. Weil eigenständige Datenbanken aber nicht sinnvoll seien, solle eine bundesweite Lösung geschaffen werden.

Grundsätzliche Probleme

Für die Luzerner Regierung hingegen wäre es zu früh, bereits jetzt dem Bund den Auftrag für ein staatliches Konzept für die Zeitvorsorge zu geben. In der Schweiz existierten derzeit nur wenige solche Modelle in unterschiedlichen Umgebungen, schreibt sie. Auswertungen und Zwischenresultate würden fehlen.

Der Regierungsrat sieht zudem grundsätzliche Probleme, wenn Zeitgutschriften als vierte Säule eingeführt und öffentliche Betreuungsverpflichtungen übernehmen sollen. So sieht er eine Ungleichbehandlung von verschiedenen Freiwilligeneinsätzen.

Wenn rüstige Rentner in der dritten Lebensphase die Leistungen erbringen, die Betagte in der vierten Lebensphase beziehen, so wären bei dem System laut Regierung jene Menschen ausgeschlossen, die ihren Freiwilligeneinsatz zu Gunsten von Jüngeren, Familien, Behinderten, Flüchtlingen oder im Interesse von Kultur und Sport erbringen.

Für ein gerechtes System müssten bei Zeitgutschriften nach Ansicht der Regierung jegliche Formen der Freiwilligenarbeit berücksichtigt werden. Der Aufwand für die Erfassung und Kontrolle würde so jedoch ins Unermessliche steigen, schreibt der Regierungsrat.

Stadt St.Gallen als Pionierin

Schweizweit Pionierin in der kommunalen Zeitvorsorge ist die Stadt St.Gallen. Im Rahmen eines im Juni 2014 gestarteten Projektes können sich Personen aus der Stadt, die pensioniert oder mindestens 60 Jahre alt sind, als «Zeitvorsorger» melden.

Sie helfen dann betagten Menschen im Alltag, beispielsweise beim Einkaufen oder Kochen, begleiten sie auf Spaziergänge oder leisten ihnen beim Essen Gesellschaft. Den Betreuerinnen und Betreuern werden die geleisteten Stunden auf einem persönlichen Zeit-Konto gutgeschrieben. Guthaben von bis zu 750 Stunden können so angespart werden.

Später, wenn die Betreuenden selber einmal im Alltag Hilfe brauchen, haben sie Anspruch auf ebenso viele Stunden Betreuung. Pflegerische und medizinische Leistungen sind von der Zeitvorsorge ausgeschlossen – denn dazu braucht es ausgebildetes Fachpersonal. Auch für die Betreuung von Ehepartnern gibt es keine Zeitgutschriften.

Ähnliche Projekte wurden auch in den Kantonen Luzern und Obwalden von Genossenschaften lanciert. In Zürich wird laut Regierungsrat eine Machbarkeitsstudie erarbeitet.