HR Today Nr. 4/2017: Nachfolgeplanung

Auf dem Prüfstand

Viele Familienunternehmen stehen vor einem Nachfolge­problem. Der Zürcher Hausgerätehersteller Solis und der Winterthurer Wäscheständer-Produzent Stewi haben diese Herausforderung gemeistert, wobei beide Firmen unterschiedliche Wege beschritten.

«Bis zum Jahr 2021 steht jedes fünfte Schweizer KMU vor einem Generationenwechsel», warnt eine Studie des Centers for Family Business der Universität St. Gallen und der Credit Suisse vom Juni 2016.

So seien derzeit über die Hälfte der KMU-Geschäftsführer zwischen 50 und 65 Jahren alt und gehörten der Babyboomer-Generation an, die in den kommenden Jahren in den Ruhestand tritt.

25. September 2017: Meet the Experts

Zu den mittelständischen Unternehmen, die ihre Nachfolge geregelt haben und jüngst in neue Hände übergegangen sind, gehört das traditionsreiche Schweizer Familienunternehmen Stewi. Die Winterthurer Firma wurde im Januar 2017 an ein externes Management verkauft.

An diesem Meet the Experts HR Circle berichtet der neue Stewi Inhaber und Geschäftsführer Stephan Ebnöther von seinen Erfahrungen der Übernahme und vom Aufbau eines professionellen HR in dem Traditionsbetrieb.

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Von einer Unternehmensübergabe sollen insgesamt 70 000 bis 80 000 Unternehmen mit mehr als 400 000 Arbeitsplätzen betroffen sein, was zehn Prozent aller Arbeitnehmenden in der Schweiz entspricht. Rund 45 Prozent der derzeitigen KMU-Geschäftsführer sind Familienmitglieder, 30 Prozent externe Manager, die ein KMU ohne vorhergehenden Bezug übernommen hatten, und weitere 25 Prozent sind ehemalige Kadermitglieder, die mit einem Management-Buy-out zum Inhaber aufgerückt sind.

Interne versus externe Nachfolge

Zu den mittelständischen Unternehmen, die ihre Nachfolge geregelt haben und jüngst in neue Hände übergegangen sind, gehören die beiden traditionsreichen Schweizer Familienunternehmen Stewi und Solis. Während bei der Glattbrugger Solis nach einer langjährigen Planungsphase der Besitzerwechsel im Dezember 2016 familienintern erfolgte, wurde die Winterthurer Stewi im Januar 2017 an ein externes Management verkauft. «Stewi hat sich auf seinen Lorbeeren ausgeruht», so die Analyse von Käufer und Unternehmer Stephan Ebnöther zum Stand der Dinge beim Kauf im Januar 2017. Das Unternehmen habe «viele Entwicklungen verpasst, das veränderte Konsumverhalten der Kunden nicht berücksichtigt und zehn Jahre kaum ins Unternehmen inves­tiert.» Nicht nur die IT-Systeme seien bei Stewi in die Jahre gekommen, man habe es auch versäumt, neue Produkte zu lancieren.

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«Es war ein kunterbuntes Karussell an Emotionen.»

Stephan R. Ebnöther, Inhaber, Stewi AG

Trotz dieser Ausgangslage zogen sich die Verhandlungen in die Länge: «Bis zur Firmenübernahme dauerte es mehr als ein Jahr», sagt Ebnöther. Dabei sei es nicht immer rational zugegangen. «Es war ein kunterbuntes Karussell an Emotionen», erinnert er sich.

Unter etwas anderen Voraussetzungen trat im Dezember 2016 Thomas Nauer die Nachfolge seines mittlerweile 75-jährigen Vaters beim Haushaltgerätehersteller Solis an, indem er dessen Aktienpaket übernahm und damit zum Inhaber der Solis avancierte. Vor seinem Eintritt ins Familienunternehmen war Nauer bei der UBS in den Bereichen HR, Corporate Finance und Equity Research sowie bei Nestlé in verschiedenen Führungsfunktionen im Verkauf und Marketing tätig. Knapp dreissigjährig, kehrte Nauer zu Solis zurück und verantwortete dort während fünf Jahren den Bereich Sales und Marketing. Sein erstes Ziel bestand darin, fünf Produktneuheiten mit einem bestimmten Umsatz und einer definierten Marge auf den Markt zu bringen. Die weitere Geschäftsübergabe erfolgte etappenweise mit den Bereichen Einkauf, Logistics, After-Sales, Finance sowie HR, bevor Nauer im Jahr 2013 den Chefposten als CEO übernahm.

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«Ich will das Lebenswerk im Sinne der Eltern fortsetzen.»

Thomas Nauer, Inhaber, Solis of Switzerland AG

«Meine Eltern haben sehr viel Herzblut in die Solis gesteckt und ich bin mit der Firma aufgewachsen», sagt Nauer. Deshalb sei eine interne Lösung erstrebenswert gewesen, «um das Lebenswerk im Sinne der Eltern fortzusetzen». Das bedeute für ihn, «langfristig zu denken, in neue High-End-Produkte zu investieren und nicht kurzfristigen Finanzzielen den Vorrang zu geben».

Baustelle HR

Knapp einen Monat nach Geschäftsübernahme sind die beiden Unternehmer Stephan Ebnöther und Lorenz Fäh bei Stewi dabei, ein professionelles HR aufzubauen. Das habe es im familiengeführten Unternehmen bisher nicht gegeben. «HR war immer eine Chefsache und wurde informell gehandhabt», so Ebnöther. «Die Grundlagen dafür müssen wir erst schaffen.» Das beginne mit den Arbeitsverträgen, von denen nur einzelne und unterschiedliche Varianten vorhanden gewesen seien, und führe über das Spesenreglement bis hin zur Arbeitszeiterfassung.

«Dass sich jemand für sie interessiert, war für viele Stewi-Mitarbeitende völlig neu», schildert Ebnöther seine Eindrücke in diesem Zusammenhang. «Manche haben in zwanzig Jahren kein einziges Mitarbeitergespräch gehabt» und seien in Tränen ausgebrochen, als Stephan Ebnöther und Lorenz Fäh sie nach der Firmenübernahme zum Einzelgespräch einluden.

Während sich die beiden Stewi-Chefs beim Wäschespinnenhersteller um den Aufbau eines HR kümmern, ist Thomas Nauer bei Solis mit der internationalen Ausrichtung des HR beschäftigt, das früher stark auf die Schweiz fokussiert war. Mit der letztjährigen Expansion des Unternehmens nach Holland, Singapur und Japan sei das HR jedoch komplexer geworden. So müsse das Solis-HR unterschiedlichste Arbeitsgesetze beachten: Etwa wie Spesenabrechnungen nach vorgeschriebenen Ansätzen in Deutschland gemacht werden oder dass in Holland ein Feriengeld im Mai ausbezahlt wird. Standardisiert wird, was kulturübergreifend Allgemeingültigkeit hat, wie etwa die Firmenwerte, die jährlichen Mitarbeitergespräche sowie monatliche Kadersitzungen, in denen das HR über Änderungen informiert und über die Firmenpolitik gesprochen wird. Zudem hat Nauer ein Bonussystem für das Kader und das höhere Management eingeführt und Regeln für Lohnerhöhungen etabliert.

Alles eine Frage der Kultur?

«Bisher haben sich die Stewi-Mitarbeitenden losgelöst vom Management selbst organisiert», erklärt Ebnöther die bisherige Unternehmenskultur. «Sie wussten nicht, was das Management von ihnen erwartet und wie sich das Unternehmen entwickelt.» Sales- und Marketingmeetings habe man keine abgehalten und auch keine verpflichtenden Protokolle verfasst. «Das müssen wir noch einüben.»

Obwohl die Mitarbeitenden viele Verbesserungsvorschläge und Produktideen einbringen, auf deren Basis bereits neue Wäscheständer-Prototypen entstanden sind, fällt es der Stewi-Crew in anderen Belangen noch schwer, eigenständig Entscheidungen zu treffen. Etwa, wenn der Kaffeerahm ausgegangen sei und sie sich nicht getrauten, einfach welchen zu kaufen. «Wir müssen erst zur Normalität finden.»

Auch bei Solis werden Kulturfragen wichtiger. Während sich Thomas Nauer bemüht, viele HR-Themen zu vereinheitlichen, tastet er in den Expansionsmärkten von Solis unterschiedliche kulturelle Gebräuche nicht an. So sei es in japanischen Grossfirmen etwa üblich, dass neue Mitarbeitende zwei Wochen gemeinsam in einem spartanisch eingerichteten Tempel leben, um dort Aufgaben zu lösen und kalte Flussbäder zu nehmen, während das Management über die Unternehmenspolitik berichte. Ein Vorgehen, das sich in dieser Form schlecht in andere Länder exportieren lässt: «Ein solches Ritual stösst in der Schweiz wohl kaum auf grossen Anklang», meint Nauer lachend. Andererseits sei es aber auch schwierig, japanische Mitarbeitende nach schweizerischem Muster zu beurteilen.

So oder so: Es gibt verschiedene Wege, eine Unternehmensnachfolge abzuwickeln. Welchen man auch wählt, es fällt viel Arbeit an. Ganz besonders, wenn – wie im Fall von Stewi – gleichzeitig ein Turnaround ansteht. Eine Binsenwahrheit, die Stephan Ebnöther aus eigener Erfahrung kennt: «Wir sind die Ersten im Büro und die Letzten, die gehen.»

Stewi

Im Alter von 26 Jahren beginnt Walter Steiner (1921–2009) in der elterlichen Garage mit der industriellen Produktion von Wäschespinnen und eröffnet im Jahr 1973 den Stewi-Firmensitz mit einer angegliederten Produktionsstätte in Winterthur. Bis zu seinem Tod meldet der Winterthurer Erfinder und Unternehmer rund 200 Patente an, zu denen nebst den Wäschespinnen auch verschiedene Wäscheständer gehören. Der Name Stewi zählt zu den bekanntesten Schweizer Marken und setzt sich aus den Worten Steiner und Winterthur zusammen. Im Jahr 2009 stirbt Walter Steiner, ohne seine Nachfolge geregelt zu haben. Nach seinem Tod übernehmen seine Kinder die Geschäftsführung mit Walter Steiner Junior in der Funktion als CEO. Zwischen 2009 und 2017 verliert das Unternehmen kontinuierlich an Umsatz und Marktanteilen und beschäftigt Ende 2016 noch 21 Mitarbeitende. Im Januar 2017 verkaufen die Erben die Firma Stewi in einer Auktion an die beiden Unternehmer Stephan R. Ebnöther und Lorenz M. Fäh. Seit der Firmenübergabe ist der mittlerweile 65-jährige Ex-Stewi-CEO Werner Steiner Junior als Berater im Unternehmen tätig.

Solis

Im Jahr 1983 kauft Willy A. Nauer (75) das 1908 gegründete Haushaltsgerätehersteller-Unternehmen Solis of Switzerland AG mit Hauptsitz in Glattbrugg und einer Produktionsstätte in Mendrisio und erweitert dieses zu einer internationalen Gruppe. 1985 lanciert Solis den ersten Espresso-Vollautomaten für Privathaushalte und baut die Bereiche Beauty, Wellness sowie Küche und Klima aus. Heute zählt Solis zu den weltweit führenden Herstellern von hochwertigen Haushaltskleingeräten und beschäftigt 100 Mitarbeitende im In- und Ausland. Im Dezember 2016 übernahm der mittlerweile 38-jährige Sohn Thomas Nauer und CEO der Solis of Switzerland AG die Aktienanteile seines Vaters und wurde damit zum neuen Unternehmenseigentümer.

 

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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