Exportschlager Berufslehre
Sie ist ein Modell, das weltweit Schule macht und von verschiedenen Ländern kopiert wird. Die Rede ist von der Schweizer Berufslehre, die aufgrund des grassierenden Fachkräftemangels auch in Indien zunehmend auf Anklang stösst.
Berufslehre im Brennpunkt: Weshalb Schweizer Unternehmen in Indien Fachkräfte ausbilden. (Bild: 123RF)
«Indien hat in fast jeder Branche zu wenig gut ausgebildete Berufsleute», konstatiert Franz Probst, Gründer von SkillSonics International, einem globalen Berufsbildungsanbieter nach Schweizer Vorbild. «Die Berufslehre existiert dort nicht.» Wie in anderen Ländern gibt es in Indien kaum Verknüpfung zwischen Studium und Arbeitsmarkt.
Das räche sich, so Probst, weil es den Universitätsabgängern an wichtigen Kenntnissen für das Berufsleben mangle. Kurz: «Ihre Ausbildung entspricht nicht den Anforderungen vieler Unternehmen.»
Die Situation ist brisant, denn jährlich sind zwölf Millionen Schulabgänger im indischen Arbeitsmarkt zu integrieren. Bis 2023 sollen es gemäss indischen Statistiken gegen 500 Millionen Jugendliche und Erwachsene sein, die auf den Berufseinstieg vorbereitet oder umgeschult werden müssen.
Fachkräftemangel für Schweizer Firmen
Dass qualifizierte Fachkräfte im bevölkerungsreichen Indien knapp sind, bekommen zunehmend auch Schweizer Firmen wie ABB, Bobst, Bühler, Burckhardt Compression oder Rieter zu spüren. Dem indischen Fachkräftemangel will der Ausbildungsanbieter SkillSonics nun mit einem technischen Ausbildungsprogramm für Fachleute in der Maschinen- und der verarbeitenden Industrie entgegenwirken.
Etwa mit bis zu drei Jahre dauernden Programmen, die sich an Schweizer Berufslehrprofilen wie Polymechaniker, Automatiker oder Apparatebauer orientieren und allen Jugendlichen in Indien offenstehen.
Derzeit schult SkillSonics Flugzeugmechaniker nach Vorgaben der Schweizer Berufslehre für Swiss und SR Technics. Schweizer Unternehmen kennen die Vorteile qualifizierter Arbeitskräfte. Bei indischen Firmen zeigt sich ein anderes Bild: nicht zuletzt der Kosten wegen – bei einem durchschnittlichen indischen Monatsgehalt von 90 Franken schlagen die Kosten einer indischen Berufslehre mit jährlich 480 Franken zu Buche.
Dass sich eine solche Investition trotzdem lohnt, erkennen indische Firmen gemäss Franz Probst meist, «wenn sie merken, dass gelernte Fachkräfte effizienter und qualitativ besser als ungelernte arbeiten». Dieses Umdenken sei nötig. Indien könne sich nur auf dem Weltmarkt etablieren, wenn es Produkte und Dienstleistungen anbiete, die internationalen Standards genügten: «Dazu braucht es qualifizierte Fachkräfte.»
Bis dahin gibt es viel zu tun, denn die Berufslehre, wie wir sie kennen, ist in Indien zu wenig bekannt. In den Augen vieler Inder führt sie zudem «nur» zu einem «Blue Collar»-Beruf ohne Aufstiegsmöglichkeiten. «Das Erlernen eines Berufs ist wenig attraktiv», so Probst. Die Gutausgebildeten haben die Qual der Wahl. «Die Firmen reissen sich um sie.»
SkillSonics
SkillSonics bildet als anerkannte indische Ausbildungsanbieterin Lehrpersonen, Berufsbildner, Prüfungsexperten und Lernende in Indien aus. Die praktische und theoretische Ausbildung erfolgt durch lokale Trainer. Gegründet wurde
SkillSonics 2008, als Bundesrätin Doris Leuthard die «Swiss Vocational Education and Training Initiative India» (SVETII) als öffentlich-privates Pilotprojekt lancierte. Geleitet wurde es vom heutigen Team der SkillSonics.
2012 gründete Franz Probst zusammen mit dem indischen SVETII-Projektleiter SkillSonics International. Zu den Partnern des Unternehmens gehören der Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (Swissmem), die Mechatronik Schule Winterthur (MSW) und das Eidgenössische Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB).