Porträt: Carlo Capaul

Der Menschliche

Carlo Capauls Erfolgsfaktoren? Engagement, Kreativität und vor allem das 4M-Prinzip, sagt er, «man muss Menschen mögen». Warum er HR-Leiter in einer sehr technischen Branche geworden ist und wie er immer wieder in Führungspositionen landet, erzählt er im Porträt.

Carlo Capaul steht auf dem Dach des Werkhofs Rietli in Buchs, einer Stadt im Kanton St. Gallen mit rund 13 000 Einwohnerinnen und Einwohnern, und blickt in die Ferne. Hinter ihm thront der Buchserberg. Die Sonne blendet, Capaul kneift die Augen zusammen. Er streckt den Arm aus, zeigt in Richtung Rhein und sagt: «Dort drüben wohne ich, in Schaan.» Fünf Minuten Arbeitsweg habe er. So würden die meisten der etwa 120 Beschäftigten des Elektrizitäts- und Wasserwerks der Stadt Buchs (EWB) aus der näheren Umgebung stammen. «Die Leute sind stark regional verankert, nicht zuletzt deswegen, weil sie ihre Arbeit in einem Unternehmen, das Wasser und Strom bereitstellt, als Dienst an der lokalen Bevölkerung verstehen», erzählt Capaul.

Der 35-Jährige hat vor rund einem halben Jahr seine Stelle als HR-Leiter beim EWB angetreten und hat auch schon eine klare Vorstellung davon, wohin es mit dem Werk als Arbeitgeber gehen soll. «Wir wollen Mitarbeitende mit unseren gelebten Werten anziehen», sagt er. Das EWB wolle für die Region genauso attraktiv werden wie die grossen, beliebten Arbeitgeber für Arbeitnehmende weltweit. «Ich wünsche mir, dass wir für Talente von St. Gallen bis Chur und darüber hinaus eine solche Anziehungskraft entwickeln können», erklärt der HR-Leiter Capaul.

 

Im Video-Porträt verrät der HR-Leiter, welche Strategien er verfolgt. (Video: Faeh + Film)

 

Zu Capaul gesellt sich Adrian Bossart. Bossart ist der CEO des EWB und hat Capaul eingestellt. Denn Bossart ist auch oberster Personalchef; dies sei so «aufgrund der städtischen Rechtsordnung», sagt Capaul. «Adi ist für den normativen Rahmen zuständig, mein Team und ich für alle strategischen und operativen Personalthemen entlang des HR-Lebenszyklus.» Man merkt an der Art, wie die beiden miteinander umgehen, dass im EWB eine lockere, familiäre Atmosphäre herrscht. Das Dach des Werkhofs Rietli, auf dem sie sich befinden, ist mit Solarpanels bedeckt, die das Gebäude mit Sonnenstrom versorgen.

«Eine sehr viel grössere Anlage als das Rietli entsteht gerade auf dem neuen Gewächshaus der Lubera Rhein-Baumschulen AG», erklärt CEO Adrian Bossart. «Dort installieren wir eine Agri-Photovoltaikanlage auf einer Fläche von 10 700 Quadratmetern; es handelt sich um ein landwirtschaftliches Solarenergieprojekt, das in Europa einzigartig ist.» Sonnenenergie werde dabei doppelt genutzt, erklärt er. «Einen Teil des Lichts nehmen die Pflanzen auf, der andere Teil wird in nachhaltige Energie umgewandelt.» Mit Projekten wie diesen will das EWB eine umweltfreundliche und insbesondere auch nachhaltige Energieversorgung der Stadt Buchs gewährleisten – und sie tragen dazu bei, die Energiestrategie 2050 des Bundes umzusetzen und die Energieversorgung zu transformieren.

Der Mensch als Chefsache

Nachhaltigkeit und Transformation beschäftigen das EWB aber nicht nur dort, wo die Technik, sondern auch dort, wo der Mensch im Zentrum steht. Denn um das Unternehmen fit für die Zukunft zu machen, braucht es entsprechende Mitarbeitende. Weswegen Carlo Capaul als engagierter HR-Leiter eingestellt wurde, der gerne auch kreative Lösungen für Herausforderungen sucht, Mitarbeitende als wichtigstes Kapital sieht und bei dem das 4M-Prinzip – man muss Menschen mögen – zentral ist.

«Das EWB ist nicht nur Strom- und Wasserlieferant, sondern mit der Marke Rii Seez Net sind wir auch einer der grössten regionalen Telekommunikationsprovider der Schweiz», erzählt er. So sei ungefähr die Hälfte der Mitarbeitenden des EWB bei Rii Seez Net für diesen Geschäftsbereich zuständig. «Das Telekommunikationsgeschäft ist hochkompetitiv und dynamisch, unsere Mitbewerber sind grosse Unternehmen wie Swisscom oder Sunrise.» Entsprechend sei der Typ Mensch, der bei Rii Seez Net arbeite, ein anderer als jener, der im EWB die stabile Grundversorgung mit Strom und Wasser gewährleiste, so Capaul. Um das Unternehmen für die Zukunft zu rüsten, soll der Zusammenhalt zwischen den beiden Geschäftseinheiten gestärkt werden. Capaul sieht sich dabei als Brückenbauer: «Die Leute sollen spüren, dass wir eine Einheit sind.»

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Carlo Capaul und Adrian Bossart vor den Solarzellen der EWB

«Bei uns ist der Mensch Chefsache»: HR-Leiter Carlo Capaul zusammen mit Adrian Bossart, CEO der Elektrizitäts- und Wasserwerke der Stadt Buchs. (Bild: Aniela Lea Schafroth)

Auf der anderen Seite werde sich der Wettbewerb laut Bossart auch in der Energiebranche intensivieren. «Hier gilt es, die Mitarbeitenden in ihren Fähigkeiten zu entwickeln und sie fit für die Zukunft zu machen; denn ein Unternehmen ist nur so gut wie seine Mitarbeitenden», sagt Capaul. Deshalb sollen sich Mitarbeitende kompetenzbasiert weiterentwickeln. Zudem sieht es Capaul auch als eine seiner wichtigsten Aufgaben, zu kommunizieren und die Mitarbeitenden so auf die Reise mitzunehmen. «KPI bedeutet bei mir ‹keep people informed›. Während einer Transformation ist das zentral», sagt er. «Wenn die Mitarbeitenden wissen, wohin die Reise geht, können wir als HR dafür sorgen, dass die passenden Leute frühzeitig für künftige Aufgaben befähigt werden.»

Neuen Mitarbeitenden wiederum möchte er zeigen, dass es sich lohne, beim EWB anzuheuern – und zu bleiben. «Wir sind stolz auf eine sehr lange durchschnittliche Betriebszugehörigkeit von 8,5 Jahren», sagt er. «Diese wollen wir erhalten – neue Kolleginnen und Kollegen sollen merken, dass wir nicht einfach nur Lohn gegen Arbeit bieten. Wir sind an ihnen persönlich und an ihrer Entwicklung und Weiterbildung interessiert; wir suchen auch kreative Lösungen, um individuelle Karrierewege plan- und umsetzbar zu machen.» Daher sei das Thema Mensch auch zuoberst in der EWB-Führung angesiedelt. «Bei uns ist der Mensch Chefsache», betont Capaul und Adrian Bossart nickt.

Carlo Capaul

Kürz und bündig

Unter Strom oder relaxt?

Bei einem Elektrizitätswerk gehört das «Unter-Strom-Sein» sozusagen dazu. Ich bin aber eher der relaxte Typ und bewahre auch in hektischen Momenten die Ruhe. Zudem kann ich mich am Abend auf dem Fahrrad wunderbar entspannen.

Old School oder New Work?

In der heutigen Arbeitswelt ist New Work meines Erachtens zen­tral, um eine Organisation fit in die Zukunft zu bringen. Vertrauen, Flexibilität oder auch Selbstbestimmung sind wichtige Prinzipien.

Einzelgänger oder Teamwork?

Ich bin ein grosser Fan von Teamwork. Unterschiedliche Personen mit verschiedenen Stärken entwickeln oft bessere und innovativere Lösungen.

Sehnsuchtsort

Definitiv der Alpstein. Ich bin im schönen Appenzellerland aufgewachsen und den Säntis hatte ich schon als Kind aus meinem Kinderzimmer immer im Blick. Den Säntis sehe ich heute zwar nicht mehr täglich, aber der Blick auf den Alpstein ist mir geblieben.

Lieblingsbuch

Ein eigentliches Lieblingsbuch habe ich nicht. Kürzlich habe ich aber «Besser fühlen – eine Reise zur Gelassenheit» des Psychologen Leon Windscheid gelesen und kann das unterhaltsam geschriebene Sachbuch allen empfehlen, die dem hektischen Alltag gelassener begegnen wollen.

 

HR-ler aus Überzeugung

Carlo Capaul hat einen Master in Psychologie von der Universität Basel und wirkt im persönlichen Kontakt wie jemand, der HR-ler mit Leib und Seele ist. Ob er schon immer gewusst habe, dass er ins HR möchte? «Nein, ursprünglich wollte ich an der HSG Wirtschaft studieren», sagt er und lacht, denn: «Erst im Militär habe ich gemerkt, dass ich vermutlich kein knallharter Businesstyp werde, sondern dass ich am liebsten mit, um und für Menschen arbeite. Dabei war ich während der ersten Wochen in der Rekrutenschule gar nicht überzeugt vom Militär – wegen des hierarchischen Gehabes.» Capaul möchte es anders machen, wird selbst Offizier. «Ich sah mich stets als Teil des Teams, der Zusammenhalt war immer sehr gut.» Nach einigen Wiederholungskursen lässt er sich in den Psychologisch-Pädagogischen Dienst der Armee umteilen und unterstützt nun selbst Rekruten in ihren ersten Wochen. In dieser Arbeit geht er auf. «Es hat mir sehr gefallen, mit den Leuten zu arbeiten und sie zu unterstützen.»

Bereits während des Masterstudiums arbeitet Capaul in drei verschiedenen Jobs. In einer der Firmen, der Multicheck AG, ist er zuständig für die Neu- und Weiterentwicklung von Instrumenten für die Personalauswahl und -entwicklung und führt eignungsdiagnostische Verfahren durch. «Zuvor, während des Bachelors, hatte ich ein Praktikum in einer psychiatrischen Klinik absolviert. Doch obwohl diese Tätigkeit besonders nah am Menschen ist, war es noch nicht ganz das Richtige für mich.» Bei Multicheck merkt er, dass die Kombination aus Psychologie und Wirtschaft für ihn am besten passt – der HR-ler ist geboren.

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HR Leiter Carlo Capaul vor den EWB (Elektrizitäts- und Wasserwerk der Stadt Buchs)

«Ein Unternehmen ist nur so gut wie seine Mitarbeitenden»: Personalentwicklung ist ein wichtiger Aspekt für Carlo Capaul, HR-Leiter der Elektrizitäts- und Wasserwerk der Stadt Buchs  (Bild: Aniela Lea Schafroth)

Den Master in der Tasche, kommt Capaul über einen Zwischenstopp als Recruiter bei der Credit Suisse zur Brusa Elektronik AG, zunächst ebenfalls als Recruiter. Als der dortige HR-Leiter mehr oder weniger von einem Tag auf den anderen das Unternehmen verlässt, übernimmt Carlo Capaul das HR-Team mit sieben Direct Reports – und findet sich plötzlich in der Führungsrolle wieder. «Das war eine sehr intensive Zeit. Die Firma befand sich auf Expansionskurs und wir sind innert kurzer Zeit von 130 auf 240 Mitarbeitende an vier Standorten gewachsen», erzählt Capaul. «Es war eine spannende Challenge, zumal es auch darum ging, den steilen Wachstumskurs und die Eröffnung internationaler Standorte HR-seitig zu begleiten.» Doch Capaul merkt, dass es ihn wieder stärker an die Basis zieht, dorthin, wo der Mensch ist.

Also kündigt er nach gut vier Jahren bei der Brusa Elektronik AG und heuert beim Kanton Appenzell Ausserrhoden als HR Business Partner an. «Der Kanton Ausserrhoden ist mein Heimatkanton, ich bin dort aufgewachsen. Es war insofern auch ein emotionales Thema für mich, zurück zu meinen Wurzeln zu gehen und etwas zurückzugeben.» Er ergänzt: «Ich muss mich stark mit einem Unternehmen identifizieren und zu 100 Prozent dahinterstehen können. Nur so kann ich den Arbeitgeber überzeugend nach aussen repräsentieren.» Doch auch beim Kanton entkommt Capaul seiner Bestimmung als Führungsperson nicht: Nach anderthalb Jahren wird er zum stellvertretenden Amtsleiter befördert. Während dieser Zeit absolviert Capaul auch ein Nachdiplomstudium zum Personalleiter – wenn schon Führung, dann richtig – an einer Höheren Fachschule in St. Gallen, bevor er schliesslich zum EWB wechselt. Diesmal bewirbt er sich direkt für eine Führungsfunktion – und findet sich in einer Rolle wieder, in der er seine menschliche Seite voll ausleben kann. Denn schliesslich ist beim EWB der Mensch Chefsache.

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Jelena Martinelli hat als Abteilungsleiterin für SwissRe und Swisscom gearbeitet. Heute ist sie selbstständige Texterin, freie Journalistin und Autorin, und berät KMU zu Kommunikationsfragen. www.martinellitext.com

Jelena Martinelli hat als Abteilungsleiterin für SwissRe und Swisscom gearbeitet. Heute ist sie selbstständige Texterin, freie Journalistin und Autorin, und berät KMU zu Kommunikationsfragen. www.martinellitext.com

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