«In Grossraumbüros braucht es zwingend klare Verhaltensregeln.»
«Müde, krank, unmotivierend – Hölle Grossraumbüro» titelte kürzlich der Tagesanzeiger. «Kopfhörer bitte! Grossraumbüros machen krank», lautete die Überschrift der Aargauer Zeitung und 20 Minuten berichtete über die Angestellten einer Schweizer Grossbank, die jeden Tag um ihren Arbeitsplatz kämpfen müssen. Selbst der Erfinder des Grossraumbüros – der US-Amerikaner Robert Propst – urteilte vor seinem Tod vernichtend über sein Werk: «Rattenlöcher» nannte er sie und einen «monumentalen Irrsinn».
Gemäss einer Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco und der Hochschule Luzern von 2016 sind Mitarbeitende, die mit mehr als 50 Kolleginnen und Kollegen im gleichen Raum sitzen, rund 50 Prozent häufiger krank als solche in Einzelbüros. Bei Räumen mit bis zu 15 Personen beträgt der Unterschied noch immer mehr als 20 Prozent. Genauso sind Angestellte in Grossraumbüros deutlich öfter müde als andere. Eine Studie der australischen Queensland University of Technology stützt diese Resultate. «Grossraumbüros sind eines der schlimmsten Umfelder, in die man Mitarbeitende stecken kann», kommentierte bei der Publikation Studienleiter Vinesh Oommen.
Die Harvard-Forscher Bernstein und Turban begleiteten letztes Jahr Angestellte zweier grosser US-Unternehmen beim Umzug aus kleineren Arbeitszimmern in ein Grossraumbüro. Sie untersuchten, wie sich dieser Umzug auf das Kommunikationsverhalten auswirkte. Das Ergebnis: Nach dem Wechsel ins Grossraumbüro gingen die Gespräche um satte 70 Prozent zurück. Umgekehrt wuchs die Kommunikation über elektronische Kanäle wie E-Mail um bis zu 50 Prozent.
Als Ursache für den isolierenden Effekt vermutet Bernstein, dass in Grossraumbüros die Rückzugsmöglichkeiten fehlen. Jeder könne sehen, was der andere gerade mache, und man präsentiere sich der Gemeinschaft auf dem Silbertablett – das widerspräche dem Bedürfnis des Menschen nach Privatheit.
Die Probleme verschärfen sich, wenn nicht jeder seinen persönlichen Schreibtisch hat, sondern diese geteilt werden. «Der Ärger fängt direkt bei Arbeitsbeginn an, wenn man sich einen Schreibtisch suchen muss. Meist ist einer frei, alle zwei Wochen aber heisst es warten. Mal zehn Minuten, mal eine halbe und mal eine ganze Stunde, bis einer frei wird», heisst es in einem Rechercheartikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Und weil Grossraumbüros – egal ob mit eigenen oder geteilten Arbeitsplätzen – wahrscheinlich nicht so rasch von der Bildfläche verschwinden werden, fordert Business-Knigge-Expertin Susanne Abplanalp im Tagesanzeiger klare Regeln. Die wichtigste dabei: Rücksichtnahme.