Job-Speeddating

Ein Date mit Coca-Cola

Über 300 hatten sich beworben, 190 konnten sich schliesslich präsentieren: 
am ersten Coca-Cola-Job-Speeddating im Zürcher Kaufleuten. Lebensläufe 
interessierten dabei nicht, die Persönlichkeit dafür umso mehr.

Wenn Monika anfängt, von Coca-Cola zu schwärmen, reisst mich ihre Begeisterung förmlich mit. «Ich trinke selber Tag und Nacht Coca-Cola», sagt die 41-Jährige aus Pratteln in Baselland. «Beim Unternehmen habe ich mich schon öfter blind beworben. Hier zu arbeiten, wäre wirklich mein Traumjob!»

Zumindest optisch passt Monika schon mal gut zum amerikanischen Getränkehersteller. Mit ihrem roten Oberteil, den rötlich getönten Haaren und der Brille, die ebenfalls etwas Rot im Gestell hat, sieht sie aus, als hätte sie sich extra für diesen Tag von Kopf bis Fuss auf Coca-Cola eingestellt. Monika lacht, als ich sie frage, ob das Absicht sei: «Ja und nein. Rot ist nicht nur die Farbe von Coca-Cola, sondern auch meine Farbe. Das passt also ganz gut.»

Monika ist am 22. September eine von rund 190 Kandidaten, die für einen Job als Aussendienstmitarbeiterin zum ersten Coca-Cola-Job-Speeddating ins Zürcher Kaufleuten gekommen sind. Im Schnelldurchlauf lernen sie an diesem Tag den Job und das Unternehmen ein bisschen besser kennen. Und das Unternehmen auch sie. Von 14 bis 20 Uhr werden im Durchschnitt 30 Bewerber im Stundenrhythmus empfangen, begrüsst, informiert, befragt, interviewt und ein bisschen auch bespasst.

Alle sind sofort per Du

Aus dem Empfangsraum — mit Coca-Cola-Sofa, Stehtisch mit Sonnenschirm, Kühlschrank mit Getränken und Coca-Cola-Postern – werden die Kandidaten in den Saal gebeten. Dort geht es los mit einer kleinen Präsentation, die die Abläufe erklärt – denn Speeddating ist für die meisten Kandidaten etwas Neues. Danach geht es in die sogenannte Free Flow Area. Das ist Neudeutsch und heisst nichts anderes, als dass die Bewerber sich frei im offenen Raum bewegen dürfen.

Dort, zwischen Stellwänden, Sofas, Essen, Cola-Harassen und Kühlschränken, warten jene, die es bereits geschafft haben und schon beim Getränkehersteller arbeiten dürfen. Die Mitarbeiter sind an ihren schwarzen Poloshirts mit Logostickerei erkennbar. Jeder ist mit einem iPad ausgestattet. Sie sprechen die Kandidaten direkt an, erklären ihnen den Job und beantworten Fragen.

Auffallend ist die entspannte, freundschaftliche Atmosphäre im Saal. Das Licht ist gedimmt, im Hintergrund läuft leise ent-spannte Musik. Der Holzboden sorgt für gemütliche Stimmung. Mitarbeiter und Kandidaten sind sofort per Du — das ist so vorgesehen, auf den Namensschildern sind nur die Vornamen zu lesen. In der Mitte des Raums stehen rote Lounge-Sofas mit dem berühmten Schriftzug auf der Rücklehne. Es gibt Sandwiches, Obst und Brownies zur Selbstbedienung. Selbstredend gibt es auch Getränke bis zum Abwinken. In der hinteren Ecke des Raums steht bereits der zukünftige Dienstwagen zum Probesitzen – ein VW Golf.

In einem Computerspiel können die Interessenten testen, ob der Job zu ihnen passt. Ein Kiosk, ein Restaurant und ein Supermarkt müssen virtuell mit Coca-Cola-Merchandising-Artikeln ausgestattet werden: Kühlschrank, Gehweg-Schild, Getränkekarte sollen an der richtigen Stelle platziert werden. Dafür gibt es Punkte. Ob 351 Punkte gut oder nicht so gut sind, kann der Mitarbeiter aber leider nicht genau sagen. Macht nichts, ich will ja auch nicht zu Coca-Cola.

Interviews auf der Bühne

Auf der Bühne, auf der sonst Giacobbo und Müller ihre Show abziehen, sind vier Stehtische arrangiert. Dort oben spielt sich der wohl wichtigste Teil der Veranstaltung ab: die Schnellinterviews. An jedem Tisch wartet ein Mitarbeiter auf Kandidaten.

Die Interviews, die auf der Bühne geführt werden, sind keineswegs mit den bekannten Standard-Vorstellungsgesprächen vergleichbar. Jasmine jedenfalls hat so etwas noch nicht erlebt. Die 29-jährige gelernte Verkäuferin wirkt echt begeistert: «Ich sollte einen neuen Eistee präsentieren und hab dem Roger, meinem Interviewer, aus dem Stegreif erzählt, warum er das Getränk kaufen sollte.»

Eine der lnterviewerinnen ist Nicole Siegenthaler, HR-Chefin bei Coca-Cola Schweiz. Es ist 16 Uhr und sie hat noch 15 bis 20 Kurzinterviews vor sich. Auch sie ist heute für die Bewerber «die Nicole» und nicht Frau Siegenthaler, und auch sie ist nicht im Business-Outfit unterwegs, sondern wie alle anderen Mitarbeiter im schwarzen Shirt.

Die Freude über den Anlass ist ihr anzusehen. «Es haben sich viele sehr unterschiedliche Leute beworben. Das ist wirklich toll.» Auch Men Keller, HR Marketing & Recruiting Manager, strahlt. «So wie es aussieht, funktioniert unsere Idee», freut sich der Organisator des Anlasses, als er durch den belebten Raum blickt. Mehr als 300 Personen hatten sich für den Tag beworben. Aufgerufen hatte das Unternehmen über Facebook-Anzeigen, Publireportagen, Printinserate und Flyer, welche die Mitarbeiter unter ihren Bekannten streuen sollten. «Nicht alle Bewerber konnten wir einladen, und von jenen, die eine Zusage erhielten, wussten wir nicht, ob sie dann auch wirklich teilnehmen würden», erklärt Keller. Das Worst-Case-Szenario, das Keller und Siegenthaler im Hinterkopf hatten, ist jedoch nicht eingetreten: ein Raum voller Menschen in schwarzen Poloshirts, die sich langweilen, weil keine Kandidaten da sind.

Beim ersten Anlass dieser Art geht es 
Coca-Cola darum, einen möglichst grossen Pool an potenziellen Aussendienstmitarbeitern aufzubauen. Ziel des Tages ist es nicht, eine bestimmte Anzahl von Leute zu rekrutieren. «Wir wollen vor allem Leute kennenlernen, die zu uns passen. Leute, die jugendlich im Geist sind und die auch ausstrahlen können, wer Coca-Cola ist und welche Werte das Unternehmen hat», erklärt Siegenthaler. Darum werden an diesem Tag auch keine Lebensläufe, Anschreiben, Referenzen oder Zeugnisse gelesen. Die Kandidaten brauchten nichts davon im Vorfeld einzureichen. Es geht diesmal wirklich nur um die Person.

Passt sie oder passt sie nicht? Und dieses Urteil wird gleich an Ort und Stelle anhand des ersten Augenscheins gefällt: Alle Mitarbeiter, die sich in der Freeflow Area mit Kandidaten unterhalten, geben über ihre iPads unmittelbar ein kurzes standardisiertes Feedback. Auch die Interviewer melden ihren Eindruck zurück. Komplettiert wird das Ergebnis mit der Punktzahl aus dem Aussendienstlerspiel.

Am Ausgang wartet das Resultat

Am Checkout, kurz vor dem Ausgang aus dem Kaufleuten-Saal, warten ein paar junge Damen in Schwarz, um den Kandidaten mitzuteilen, ob sie eine Runde weiter sind oder eben nicht. Dort steht Monika in der Schlange und wartet. Der Kandidat vor ihr ist leider nicht weitergekommen. Die Gründe dafür erfährt er nicht sofort, er kann später anrufen oder eine E-Mail schreiben und erhält dann eine detaillierte Erklärung. Ein kleines Geschenk und eine Einladung zur Party‚ die nach dem Bewerbungstag im Kaufleuten steigt, erhält er trotzdem.

Monika macht sich wegen des Ergebnisses nicht verrückt: «Wenn es richtig für mich ist, dann klappt es auch. Sonst eben nicht», schmunzelt sie. Als sie an der Reihe ist, will die Mitarbeiterin wissen, wie es ihr denn gefallen habe, und sucht parallel nach Monikas Resultaten. Ohne grosse Erklärungen bekommt die 41-Jährige dann ihr Ja. Sie passt zu Coca-Cola, zumindest finden das die Mitarbeiter, mit denen sie gesprochen hat. Monika strahlt und packt ihre Geschenktüte aus: ein Notizbuch, ein Schlüsselbund, ein Flaschenöffner. «Alles, was man braucht», meint sie.

Auch Jasmine hat den neuen Eistee anscheinend mit Erfolg präsentiert. Jedenfalls erhält sie am Checkout einen positiven Bescheid. Sie ist in der engeren Auswahl – wie mehr als 50 weitere Personen (die genaue Anzahl will Coca-Cola nicht bekanntgeben). Alle werden in den nächsten Wochen kontaktiert, wie es weitergeht, und Jasmine ist optimis-tisch, dass es mit ihr und Coca-Cola auch tatsächlich weitergeht.

Do’s and Don’ts rund um den Job Dating Day

Do’s

  • Das Unternehmen sowie die Vor- und Nachteile des Arbeitsplatzes realitätsgetreu und ohne Übertreibungen darstellen.
  • Dem Teilnehmer am Job Dating Day ein lebendiges Erleben des Unternehmens ermöglichen. Dazu den Teilnehmer in den Mittelpunkt stellen.
  • Selektionskriterien vorgängig ausarbeiten und unter realen Bedingungen testen. Alle teilnehmenden Mitarbeiter instruieren und schulen.
  • Für die Bewertung der Teilnehmer technisches Equipment (beispielsweise iPad) verwenden (keine Handzettel).
  • Mehr Teilnehmer einladen, als Plätze zur Verfügung stehen («No-shows» sind normal).

Dont’s

  • Gegenüber den Teilnehmern Versprechungen machen, die nicht eingehalten werden können.
  • Nicht wissen, was man nach dem Event mit den interessanten Teilnehmern macht.
  • Selektionskriterien verwenden, die während des Job Dating Day nicht beobachtbar sind.
  • Sich unvorbereitet auf Technik und Logistik verlassen (Testen, Kontrollieren, Abstimmen).
  • Job Dating Day ohne Event-Know-how durchführen. (Autor: Men Keller)
     
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