Extern ist intern
Firmen beschäftigen zunehmend externe Mitarbeitende. Das erfordert eine Strukturanpassung und häufig den Einsatz intelligenter Software. Die Anzahl externer Arbeitskräfte und das verfügbare Budget definieren dabei den Handlungsbedarf.
«Bevor die Wahl auf ein VMS fällt, sollte das Unternehmen klare Ziele definieren», rät Alexandra Gastpar von HR Campus. (Bild: 123RF)
Gemäss der SAP-Studie «External Workforce Insights 2018» sagen 65 Prozent der Verantwortlichen, dass externe Mitarbeitende einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten.¹ Wurden früher nur Nebenleistungen an Externe vergeben, holt man sich heute oft auch Kernwissen durch externe Mitarbeitende ins Haus oder lässt wichtige Dienstleistungen durch externe Anbieter erbringen.
Laut der SAP-Studie sind schon heute 44 Prozent der Personalausgaben in Unternehmen auf externe Mitarbeitende zurückzuführen.² Auch in der Schweiz zeichnet sich ein solcher Trend ab. Das zeigt die Studie von Deloitte «Der Arbeitsplatz der Zukunft». So gehen hierzulande 25 Prozent der Arbeitnehmenden einer projektbasierten, temporären oder zusätzlichen Arbeit nach. Weitere 25 Prozent werden dies künftig tun.³
Synergien nutzen
Diese Entwicklung wird von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gleichermassen angetrieben. Auf Unternehmensseite bringt eine grosse Zahl an externen Mitarbeitenden verschiedene Herausforderungen mit sich.
Wissen Sie etwa, wie viele externe Mitarbeitende und Dienstleister bei Ihnen im Unternehmen arbeiten? Können Sie deren Kosten beziffern? Wissen Sie, wer Zugang zu Ihrem Unternehmen, Ihren Gebäuden oder Ihren Systemen hat? Wenn Sie diese Fragen mit «Nein» beantwortet haben, sind Sie nicht alleine: 75 Prozent der Geschäftsleitungsmitglieder haben nicht genügend Informationen über ihre externen Mitarbeitenden und Dienstleister.
In den wenigsten Unternehmen ist die Digitalisierung in diesem Bereich angekommen. Es mangelt an Transparenz, Compliance und einheitlichen Prozessen. Gleichzeitig stossen bestehende HR- und Einkaufssysteme zunehmend an ihre Grenzen.
Employee Lifecycles von externen und internen Mitarbeitenden haben viele Parallelen (siehe Abbildung unten). Prozess-Synergien von Externen und Internen werden jedoch selten ausgeschöpft. Ein sogenanntes Vendor-Managementsystem (VMS) könnte solche Synergien fördern. Das soll anhand eines fiktiven Beispiels verdeutlicht werden.
On- und Offboarding leicht gemacht
«Roman braucht für sein Projekt einen Business-Analysten. Weil es sich um eine befristete Aufgabe handelt, soll die Stelle extern besetzt werden. Im VMS gibt Roman nun alle nötigen Informationen zur Stelle ein und startet damit den Budget- und Headcountfreigabeprozess, der im System hinterlegt ist. Sobald dieser bestätigt ist, beginnt der Recruitingprozess: Die Stelle wird auf vorher definierten Recruiting- und Matching-Plattformen publiziert und für ausgewählte Personalvermittler freigeschaltet.
Suzanne arbeitet freiberuflich als Business-Analystin und wird bei der Suche nach einem neuen Auftrag durch ihren Personalvermittler unterstützt. Nachdem der Personalvermittler Romans Stellenanfrage über das VMS erhalten hat, leitet er diese an Suzanne weiter. Suzanne findet die Stelle spannend. Sie teilt dem Personalvermittler mit, dass die Aufgaben und das Gehalt passen. Nun wird Suzannes Profil Roman über das VMS vorgestellt.
Roman erhält diese Informationen in Echtzeit und schaut sich Suzannes Unterlagen an. Er vergleicht die verschiedenen Kandidaten, führt Gespräche und hinterlegt alle Angaben. Letztendlich entscheidet er sich für Suzanne, weil sie bereits für verschiedene Abteilungen in seinem Unternehmen gearbeitet hat und im VMS sehr positives Feedback über sie hinterlegt ist. Durch einen Klick im VMS informiert Roman nun den Personalvermittler über seine Zusage für Suzannes Arbeitseinsatz. Damit hat er bereits alle Vertragsinformationen übermittelt, die bei der Stellenausschreibung festgelegt wurden. Somit muss lediglich ein Vertragsausdruck zur Unterschrift versandt werden.
Danach startet für Suzanne der automatische Onboardingprozess, der über das VMS oder ein HR-Onboardingsystem abgewickelt wird. Dies beinhaltet Backgroundchecks, das Erfassen benötigter Angaben und die Eintrittsvorbereitungen. Am ersten Arbeitstag erhält Suzanne ihren Badge und kann sich sofort in die Systeme einloggen. Onlinetrainings für die Zeiterfassung und für den Datenschutz sind bereits verfügbar. Damit Suzanne am Ende des Monats ihren Lohn korrekt ausbezahlt erhält, wird sie aufgefordert, ihre Arbeitszeiten ab dem ersten Tag im VMS zu erfassen. In der Unternehmensrichtlinie ist festgelegt, dass Kosten innerhalb des Budgetrahmens ohne zusätzliche Einwilligungen bezahlt werden. Spesen werden bei Bedarf und nach Freigabe durch Roman über das VMS vergütet.
Bei Einsatzende muss Roman den Know-how-Transfer an die Kollegen beziehungsweise Suzannes Nachfolger sicherstellen. Zusätzlich bittet Suzannes Personalvermittler Roman um ein Feedback, um nach Vertragsende ein Arbeitszeugnis zu erstellen. Dieses hinterlegt Roman im VMS, sodass dieses, wie bei Suzannes vorherigen Einsätzen, dokumentiert ist. Den Offboardingprozess startet Roman wie beim Onboarding über das VMS oder HR-System. Damit ist geregelt, welche Zugänge gesperrt werden und welche Arbeitsmittel Suzanne zurückgeben muss. Am letzten Arbeitstag retourniert Suzanne ihren Badge und Roman kann den Offboardingprozess abschliessen.»
VMS als echte Unterstützung
Ein einheitliches External Workforce Management ist für jedes Unternehmen wichtig, unabhängig davon, ob dies über ein VMS, bestehende Systeme oder ein anderes Tool abgedeckt wird. Unternehmen verfolgen mit der Einführung eines VMS meist folgende Zielsetzungen: Transparenz schaffen, Compliance einhalten, Kosten einsparen, Systeme standardisieren und digitalisieren.
Bei der Auswahl eines VMS sollten die wichtigsten Zielsetzungen bestimmt werden. Ebenso spielt der Implementierungsaufwand eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung für ein System. Denn ein VMS anzuschaffen oder selbst zu bauen, lohnt sich nicht für jedes Unternehmen. Dafür benötigt es eine gewisse Anzahl an externen Mitarbeitenden. Verfolgt man den Ansatz eines Total Workforce Managements, sollte das VMS zudem in die IT-Landschaft des Unternehmens passen.
Glossar
External Workforce, Total Workforce Management, VMS – viele Begriffe und keine eindeutigen Definitionen. Die Komplexität des Themas beginnt bei der Begriffsverwendung: External Workforce, Total Workforce Management, externe Mitarbeitende, Dienstleiter und Vendor-Managementsysteme. Diese Begriffe müssen voneinander abgegrenzt werden, um ein einheitliches Verständnis zu schaffen.
- Eine External Workforce setzt sich aus Personen zusammen, die eine temporäre beziehungsweise befristete Tätigkeit in einem Unternehmen erfüllen. Zum einen sind das externe Mitarbeitende, die durch die Weisungsbefugnis beim Kunden eingebunden und bei einem Personalverleiher oder im eigenen Unternehmen angestellt sind. Zum anderen sind es Mitarbeitende eines Dienstleisters oder Freiberufler mit Dienstleistungsvertrag, die remote oder vor Ort beim Kunden arbeiten und für den Kunden persönlich relevant sind. Das bedeutet, dass sie beispielsweise einen Badge, ein Zeiterfassungstool und einen Zugang zu EDV-Systemen benötigen.
- Total Workforce Management dient als Überbegriff für das Planen, Betreuen und Steuern der ganzen Workforce eines Unternehmens. Dies können zum Beispiel Festangestellte, externe Mitarbeitende und Dienstleister und zukünftig auch Roboter sein. Es ist ausschlaggebend, dass die Unternehmensstrategie bzw. HR-Strategie für die ganze Workforce angewandt wird und im Rückkehrschluss alle Gruppen der Workforce in die Unternehmensstrategie bzw. HR-Strategie einfliessen. Wem es nicht gelingt, externe Mitarbeitende zu integrieren, drohen Konsequenzen. So etwa geschehen bei Google, als «Gig Workers» im vergangenen Jahr eine Gleichbehandlung einforderten und dem Konzern schlechte Presseberichte einbrachten.⁴
- Ein Vendor-Managementsystem (VMS) ist meistens eine webbasierte bzw. eine Cloud-Lösung, die das Beschaffen und Verwalten von externen Mitarbeitenden und Dienstleistern unterstützt. Es kombiniert Kunde, Lieferant bzw. Personalverleiher und externe Mitarbeitende/Dienstleister in einer Lösung und bildet den End-to-End-Prozess ab.
Quellen:
- ¹ SAP und Oxford Economics: External Workforce Insights 2018: The Forces Reshaping How Work Gets Done.
- ² SAP und Oxford Economics: External Workforce Insights 2018: The Forces Reshaping How Work Gets Done.
- ³ Deloitte: «Der Arbeitsplatz der Zukunft: Wie digitale Technologie und Sharing Economy die Schweizer Arbeitswelt verändert.»
- ⁴ https://www.shrm.org/resourcesandtools/hr-topics/technology/pages/google-and-the-gig-workers-what-other-employers-can-learn-.aspx