HR Today Nr. 1&2/2019: Learning – Wir wollen spielen!

Komm, lass uns spielen!

Die Spiellust liegt in der Natur des Menschen. Dies machen sich Unternehmen in der Weiterbildung zunehmend zunutze. Schulungsinhalte lassen sich spielerisch vermitteln und vereinfachen das Lernen für die Mitarbeitenden.

Menschen lieben das Spiel, den Wettbewerb und die Möglichkeit, etwas zu gestalten. So spricht jedes Spiel Emotionen an, weckt Ehrgeiz und Neugierde und endet für den Spieler im Idealfall im Stolz, eine Aufgabe gelöst zu haben oder mit der Motivation, es beim nächsten Mal besser zu machen. Schon Kinder erkunden die Welt spielerisch.

Auch bei Erwachsenen ist der Spieltrieb ungebrochen. Das zeigt sich etwa dann, wenn sie begeistert virtuelle Monster jagen, unermüdlich am Bildschirm Spielkarten aneinanderlegen oder ihre Kräfte bei einem Brettspiel messen. Im Spiel widmen wir uns mit Leidenschaft und Ausdauer auch kniffligen und komplexen Aufgaben. Kein Wunder, dass sich Unternehmen dies zunehmend in der Weiterbildung zunutze machen.

«Spiele sprechen Instinkte im Menschen an, die uns von Kindesbeinen an begleiten», so Johannes Starke, Mediendesigner, E-Learning- Autor und Produktmanager beim Full-Service-Anbieter für Talent Management und Coporate Learning tts GmbH. Dazu gehöre die Lust am Wettbewerb, am Ausprobieren, an Kommunikation, am Austausch und Gefühl, mit anderen gemeinsam etwas zu schaffen und zu gestalten. «Spielen gibt ein Gefühl der Präsenz», erläutert Starke.

Authentische Lernsituationen ermöglichen dem Lernenden, sich auf den Inhalt zu konzentrieren. «Sie müssen weniger kognitive Leistungen aufwenden, um eine Abstraktion zu verstehen oder Inhalte auf vertraute Arbeitssettings zu übertragen.»

Das Zauberwort heisst «Gamification» und bedeutet den Einsatz von Spielelementen in einem Nichtspielumfeld. Eingesetzt wird Gamification im Marketing, aber auch im Personalbereich. Beispielsweise im Recruiting in Form eines Assessment-Games oder im Onboarding. Der grösste Anwendungsbereich liegt aber in der betrieblichen Weiterbildung.

«Game» und «Play»

Im Zuge der Digitalisierung haben Spielen und Lernen manche Etikette erhalten, wie Gamification, gamifiziertes Lernen, Game-based Learning oder Serious Games. «Die Grenzen sind hier fliessend», erklärt Philipp Reinartz, Mitgründer und Geschäftsführer der Gamification-Agentur Pfeffermind.

Im Prinzip unterscheide man zunächst zwischen «Play» und «Game»: «Play» habe den Prozess des Spielens im Fokus wie beim kindlichen Spiel mit Puppen oder – im Business-Kontext – beim Design Thinking das freie Entwickeln mithilfe von Spielmaterialien. «Game» sei hingegen ein Spiel mit einem Ziel.

Auch wenn man nur einzelne Game-Elemente nutze – etwa einen Fortschrittsbalken in einem spielfremden Zusammenhang – nennt sich dies Gamification. Seien sämtliche Elemente eines Spiels in eine Anwendung oder Schulung eingebaut oder handle es sich um reine Videospiele in der Weiterbildung, spreche man von «Serious Games».

Auch offline liessen sich Spielelemente in die Weiterbildung einbauen und digitale sowie analoge Spielelemente sinnvoll kombinieren. Etwa indem Verkäufer in einem virtuellen Seminarraum Rätsel und Aufgaben lösen und so versteckte Argumente finden, um einen Kunden zum Kauf zu animieren.

Spielen erleichtert Lernen

Dass Gamification nicht mehr an Bedeutung gewonnen hat, verwundert Reinartz: «Es ist eine Methode, die das Lernen für die Mitarbeitenden vereinfacht und ihnen hilft, viele neue Lerninhalte aufzunehmen. Im Wandel der Arbeitswelt sollte Gamification das Lernformat der Stunde sein.»

Er selbst sei seit Kindertagen ein «echter Spieler» und habe Vokabeln gelernt, indem er sich ein dafür passendes Spiel bastelte. Mit seinem Team bei Pfeffermind konzipiert und entwickelt er bedarfsgerechte Spiellösungen für Unternehmen. Besonders beliebt seien die spielerische Vermittlung von Inhalten zu Themen der Arbeits- und Informationssicherheit oder Produktschulungen. «Alles, worauf die Mitarbeitenden in  der Regel keine Lust haben, kommunizieren Unternehmen gerne mit Gamification.»

Spiele für unternehmerische Lernziele einzusetzen hat grosses Potenzial. «Sie sind besonders geeignet, um neues Wissen aufzubauen und Informationen aufzunehmen», sagt Johannes Starke. Durch ein Spielszenario erlebe ein Mitarbeitender einen simulierten Kontext, durch den ein Lerninhalt gefestigt wird.

Zudem kann ein Lernender neues Wissen sofort anwenden und erhält zu seiner Leistung umgehend ein Feedback. Damit spüre er eine Selbstwirksamkeit, denn er gestalte den Spielverlauf durch die Anwendung seiner erlernten Fähigkeiten ja selbst. «Dadurch erfährt ein Lernender, dass das, was er lernt, für seinen Arbeitsalltag relevant ist», erklärt Starke.

Erfahrungsaustausch inklusive

«Er sieht in der Spielsimulation, was passiert, wenn er eine Herausforderung meistert. Das treibt ihn an und versetzt ihn im Idealfall in einen Flow-Zustand, wenn die spielerische Herausforderung weder zu schwierig noch zu einfach ist.» Je nach Szenario könne ein Spieler verschiedene Rollen und Perspektiven einnehmen. «Ein wirksamer Mechanismus hierzu ist die kompetitive Gestaltung einer Spielszene», erklärt Starke.

Ein spielerischer Wettkampf müsse dem Trend zur Kooperation und Kollaboration jedoch nicht im Weg stehen. «Auch kompetitive Vertriebler schätzen beim Spielen den Erfahrungsaustausch mit Kollegen.» Es gebe aber auch Gamification-Konzepte mit kollaborativen Ansätzen, bei denen eine Gruppe von Mitarbeitenden gemeinsam an einer Zielerreichung arbeitet. Beispielsweise bei einem virtuellen Escape Room. «Verlassen können ihn die Mitarbeitenden nämlich nur, wenn sie gemeinsam bestimmte Aufgaben lösen.»

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