Ethik

«Moral ist der Preis der Globalisierung»

Eine komplexe und globalisierte Welt ist eine Welt voller ethischer Fallstricke. Um zu verstehen und zu kommunizieren, wo sie bezüglich Ethik stehen, brauchen Unternehmen einfache Instrumente. Markus Huppenbauer, Titularprofessor für das Gebiet der Ethik an der Universität Zürich, hat dafür gemeinsam mit Werner von Allmen des Swiss Excellence Forum ein Modell entwickelt. Wir sprachen mit ihm über ethische Herausforderungen und über die zentrale Rolle von HR bei der Unternehmensethik.

Herr Huppenbauer, das Swiss Ethics Model ist ein «Modell zur Bewertung und Entwicklung der ethischen Performance von Unternehmen». Warum braucht es ein solches Modell?

In der Öffentlichkeit werden zunehmend ethische Forderungen an Unternehmen gestellt und viele Unternehmen möchten sich auch ethisch verhalten. Einfach handhabbare Instrumente, die es Unternehmen erlauben, zu verstehen und zu kommunizieren, wo sie bezüglich Ethik stehen, sind aber immer noch Mangelware. Diese Lücke füllt das Swiss Ethics Model.

Warum gewinnt das Thema Unternehmensethik zunehmend an Bedeutung?

Das hat mit der Globalisierung der Wirtschaft zu tun. Die Möglichkeit, in und mit anderen Regionen der Welt Geschäfte zu machen, hat nicht nur wirtschaftlichen Erfolg gebracht, sondern auch zunehmende Möglichkeiten, sich moralisch falsch zu verhalten. Ohne zu werten und ganz nüchtern: Moral ist der Preis der Globalisierung.

Wie standen Unternehmen früher – also vor 10, 20 Jahren – zum Thema Unternehmensethik? Bzw. wann begann der «Trend» Unternehmensethik?

Vor 20 Jahren haben einige Firmen zwar schon Nachhaltigkeitsberichterstattungen oder Corporate Social Responsibility-Programme gehabt. Aber erst einige grosse Wirtschaftsskandale zu Beginn der 2000er Jahren sowie die zunehmende Sensibilität für das, was in den globalen Wertschöpfungsketten passiert, haben umfassende Ethikmodelle zu einem wichtigen Thema gemacht.

Markus Huppenbauer

Prof. Dr. Markus Huppenbauer ist geschäftsführender Direktor des Zentrums für Religion, Wirtschaft und Politik an der Universität Zürich und dort seit 2006  Titularprofessor für das Gebiet der Ethik. Er ist seit 2009 Gründungs- und Vorstandsmitglied des European Business Ethics Network Schweiz und seit 2012 im Vorstand des Swiss Excellence Forum. Im Dezember erscheint von ihm das Buch «Leadership und Verantwortung. Grundlagen ethischer Unternehmensführung» im Versus Verlag.

Globalisierung, Digitalisierung, Schnelllebigkeit: Die Welt wird immer vernetzter und komplexer. Welche ethischen Herausforderungen entstehen daraus für Führungskräfte, Mitarbeitende und Organisationen?

Die Welt und die Wirtschaft sind moralisch nicht schlechter geworden. Aber die zunehmende Komplexität macht das Steuern von wirtschaftlichen Prozessen schwieriger. Es gibt mehr Möglichkeiten, moralische Fehler zu machen. Für ein Unternehmen mit tausenden von Verträgen und Zulieferern ist es sehr schwierig zu garantieren, dass sich alle Mitarbeitenden und Geschäftspartner ethisch anständig verhalten.

Ihr Modell soll dabei helfen, diese Herausforderungen zu erkennen und aufzunehmen. Wie arbeitet man mit Ihrem Modell?

Moral begegnet uns ja häufig so: Jemand stellt abstrakte ethische Forderungen wie «Respektiert die Menschenrechte!» Von den Adressaten wird dann erwartet, dass sie sich entsprechend verhalten. Wie sie das angesichts ihrer oft komplexen geschäftlichen Strukturen und Prozesse machen sollen, wissen sie häufig nicht. Unser Modell verknüpft ethische Forderungen mit Handlungsfeldern und Ergebnisbereichen von Unternehmen. Es zeigt, wie und an welcher Stelle ethische Forderungen im Unternehmen aufgenommen und abgebildet werden können.

Was ist die Rolle von HR im Bereich der Unternehmensethik?

Meines Erachtens ist sie absolut zentral. Um ethische Herausforderungen bewältigen zu können, brauchen Unternehmen moralisch integre Mitarbeitende und Führungsverantwortliche.
Schon bei der Personalgewinnung muss darauf geachtet werden, dass ein Unternehmen die Personen gewinnt, die kein ethisches Risiko darstellen. Darüber hinaus müssen Schulung und Training sicherstellen, dass die Mitarbeitenden die relevanten moralischen Standards nicht nur kennen, sondern auch anwenden. Zentral ist dabei, dass Führungsverantwortliche selbst ethische Vorbilder sind und dafür Sorge tragen, dass die richtigen organisatorischen Anreize für ethisches Verhalten gesetzt werden.

Wie kann ich als Unternehmen oder HR anhand ihres Modells meine ethische Performance entwickeln?

Zentral ist sicher, dass die Führungsverantwortlichen sich darüber verständigt haben, welches die ethischen Normen und Werte sind, an denen sich das Unternehmen orientieren will. Diese Normen und Werte müssen in der Strategie verankert sein und von dort aus über geeignete Unternehmensstrukturen und Zielvorgaben in die alltäglichen Routinen der Mitarbeitenden einfliessen. Fehlbares Verhalten muss sanktioniert werden.

Gibt es ein Schweizer Unternehmen, das ethische Herausforderungen besonders innovativ angeht und sich damit Wettbewerbsvorteile verschaffen konnte?

Ein schönes Beispiel ist meines Erachtens das Unternehmen Weleda, das dieses Jahr den vom Swiss Excellence Forum verliehenen Swiss Ethics Award erhalten hat. Das Unternehmen behauptet sich seit Jahrzehnten erfolgreich am Markt, in dem es ständig neue Produkte entwickelt, die sowohl sehr hohe ökologische wie auch soziale Standards erfüllen.

Swiss Ethics Model

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Das Swiss Ethics Model dient als erste Orientierungshilfe bezüglich ethischer Performance und zielt auf die kontinuierliche Verbesserung der ethisch relevanten Ergebnisse einer Organisation. Es thematisiert die Aktivitäten und Ergebnisse, die im Hinblick auf das Erreichen der strategischen und operativen Ethikziele relevant sind. Das Modell sensibilisiert Führungskräfte und Mitarbeitende für eine ethisch orientierte nachhaltige Führung.

Werner von Allmen, Markus Huppenbauer: Swiss Ethics Model. Das Modell zur Bewertung und Entwicklung der ethischen Performance von Organisationen in Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft.

www.swiss-excellence-forum.ch

 

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