HR Today Nr. 5/2018: Porträt

Bloss keine Routine

Oliver Vogt hat im HR stürmische Zeiten durchlebt. Bei der UBS im Projekt «Exit», für das niemand arbeiten wollte. Bei Publicitas unter massivem Kostendruck. Bei Alpiq Trading mit einem Projekt, das an der Katastrophe von Fukushima scheiterte. Heute ist Oliver Vogt HR-Leiter der Grosshandelsfirma Hostettler Group. Auch hier bleibt es spannend. Gut so. Denn Routine und Planbarkeit sind dem Hobby-Gitarristen ein Gräuel.

Hunderte von Motorrädern stehen Seite an Seite im Motorradlager bereit zur Auslieferung. Im Reifenlager sticht der Geruch von mehreren Tausend Pneus in die Nase. Im Showroom stehen auf Hochglanz polierte Yamaha-Motorräder. Im Auto-Ersatzteillager ist Fach an Fach gefüllt mit Zündkerzen, Kupplungen, Luftfiltern. Im 
Bike-Shop führt eine Tür zwischen Velohelmen und Motorradanzügen ins HR-Büro der Hostettler Group.

HR-Leiter Oliver Vogt ist sichtlich stolz, wenn er Besucher durch die verschiedenen Räumlichkeiten des Unternehmens führt: «Nun bin ich bei einem Unternehmen, bei dem die Produkte Emotionen wecken», sagt er mit leuchtenden Augen.

Im Jahr 1906 gegründet, ist die Hostettler Group in den Bereichen Motorrad, Automobil, Consumer Electronics und Fahrrad tätig. Die 13 Unternehmen der Gruppe – davon zehn Handelsfirmen – beschäftigen heute über 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Schweiz und in Deutschland.

Sprung ins kalte Wasser

Seine berufliche Laufbahn beginnt Vogt mit einem Jus-Studium. Danach absolviert er einen der ersten Studiengänge der Militärakademie der ETH in Militärwissenschaften und arbeitet später an der Offiziersschule Wangen an der Aare als Ausbildungsverantwortlicher. «Die Aufgabe als Lehrperson war sehr interessant und fordernd, aber auch sehr repetitiv», erinnert sich Vogt. Sein berufliches Leben sei mit diesem Job «viel zu absehbar» geworden: «Die militärische Karriere war vorgespurt.» Er entscheidet sich, in die Privatwirtschaft zu wechseln: «Hätte ich damit zu lange gewartet, wäre ich für die Privatwirtschaft nicht mehr interessant gewesen.»

Kurz vor seinem 30. Geburtstag gelingt ihm dieser Wechsel. Durch einen Freund und Personalvermittler wird Oliver Vogt 1998 HR-Leiter des Softwareunternehmens Tech Data, das damals noch Computer 2000 hiess und rund 200 Mitarbeitende beschäftigte. Hier begann er das erste Mal, eine Personalabteilung aufzubauen. «Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Ich hatte keine HR-Ausbildung, nur meine Erfahrung als Jurist und Ausbildner.» Das HR-Wissen habe er sich nach und nach angeeignet.

Nach eineinhalb Jahren wechselt Vogt zur UBS. Dort legt er eine klassische HR-Karriere hin: «Ich startete als Bereichspersonalleiter und habe in dieser Zeit eine Ausbildung zum Personalleiter gemacht. Das war meine erste fundierte HR-Ausbildung mit Zertifikat und Stempel.» Nach zwei Jahren als Bereichspersonalleiter steigt Vogt zum HR-Direktor für den Geschäftsbereich IT-Infrastruktur auf.

Projekt «Exit» bei der UBS

Nach neuneinhalb Jahren wechselt er vom HR-IT-Umfeld ins eigentliche Banking und übernimmt bei der UBS die HR-Verantwortung für das Projekt «Exit», mit dem die UBS aus dem amerikanischen Offshore-Geschäft aussteigen soll. Er baut dafür ein geschlossenes Projektteam von Kundenberatern auf, «die grösstenteils sehr jung waren, aber extrem hohe Portfolios hatten».

Die Herausforderung: «Niemand wollte mehr in dieses Team, denn wer Teil davon war, stand vermeintlich auf einer Blacklist der amerikanischen Zollbehörde. Und die, welche im Team waren, wollten möglichst schnell wieder raus. Wir mussten die Leute also mit hohen finanziellen Mitteln binden. Das war ein Vabanquespiel.» Viele rechtlichen Themen hätten Vogt zu dieser Zeit beschäftigt: Retention-Pläne, Lock-in-Verträge und Boni-Versprechen. Das sei hochinteressant und intensiv gewesen, auch wenn Vogt manchmal habe schauen müssen, dass sein Name nicht in der Zeitung auftauchte.

Fukushima ändert alles

Nach zehn Jahren UBS und nach Abschluss des Projekts «Exit» ist Oliver Vogt reif für einen Wechsel. Die neue Herausforderung findet er bei der Alpiq Trading AG, wo er die HR-Leitung übernimmt. Das Alpiq-Tochterunternehmen sollte aus der Alpiq-Gruppe herausgelöst und zu einer eigenständigen Energiehandelsfirma formiert werden. Es geht darum, zu rekrutieren, eine Firma zusammenzustellen, zu kapitalisieren sowie die richtigen Leute zu entwickeln und zu fördern, um rechtliche Themen und darum, ein Reglementswesen aufzubauen. «Alpiq Trading war als eigenständige Firma an den Börsen gemeldet und kapitalisiert», so Vogt. Dann passiert das Undenkbare zur denkbar ungünstigsten Zeit: «Eine Woche, bevor wir an die Börse gehen wollten und uns freigeschaltet hätten von der Gruppe, passierte die Katastrophe von Fukushima.» Aufgrund der Marktverwerfungen an der Börse und des politischen Umfelds wurde die Autonomie von Alpiq Trading AG nicht vollzogen. Die Folge: «Wir integrierten die Firma wieder in die Gruppe. Alles, was wir während zwei Jahren rausdividiert hatten, haben wir dann wieder reintegriert.»

Vier Jahre ist Oliver Vogt insgesamt bei Alpiq Trading. Nach einem Abstecher als Leiter HR beim Haushaltgeräte-Hersteller V-Zug beginnt für Vogt ein neues Abenteuer als Leiter Personal und Mitglied der Geschäftsleitung beim Werbevermarkter Publicitas AG. Wo abermals turbulente Zeiten auf ihn zukommen. Einen Monat, bevor Vogt seine Stelle antritt, verkauft die Schweizer Publigroup die Firma der deutschen Beteiligungsgesellschaft Aurelius.

Die Folge für Publicitas: massiver Kostendruck. «Wir mussten die Kosten senken und haben restrukturiert auf Teufel komm raus.» Restrukturierungen hat Vogt zwar schon aus seiner Zeit bei der UBS gekannt, «aber da ging es immer um Effizienzsteigerung». Bei der Publicitas seien es andere Dimensionen gewesen: «Wir sparten, wo wir konnten. So haben wir zum Beispiel im Spesenreglement die Kilometerentschädigung bis auf ein Minimum reduziert – 20 Rappen pro Kilometer haben wir noch bezahlt.» Auch in Erinnerung geblieben ist Vogt ein externer Consultant, der aufgrund der Kosten die AHV-Beiträge senken wollte.

Oliver Vogt im Video-Porträt

Bloss keine Routine und Planbarkeit. Oliver Vogt wechselte ins HR, weil sein berufliches Leben davor «zu absehbar» geworden sei. Bei der UBS, bei Publicitas und bei Alpiq Trading durchlebte er danach im HR stürmische Zeiten. Und auch bei seiner aktuellen Position als HR-Leiter der Grosshandelsfirma Hostettler Group wird es ihm nicht langweilig. Zum Video-Porträt

Erstmals ein HR auf Gruppenstufe

Ende 2016 trennt sich Aurelius wieder von Publicitas und verkauft das Unternehmen ans Management. Zu dieser Zeit ist auch Vogt bereits wieder weitergezogen: «Ich wurde von einem Headhunter für meine jetzige Stelle bei Hostettler angefragt.» Darüber sei er glücklich: «Ich habe mich noch nie so zuhause gefühlt wie bei Hostettler.»

Seit zwei Jahren ist Oliver Vogt HR-Leiter der gesamten Gruppe. Mit seinem Team hat er in kurzer Zeit einiges ins Rollen gebracht. «Früher haben die einzelnen Unternehmen in ihrem eigenen Gärtchen gearbeitet und das Personalwesen war sehr heterogen organisiert, wenn überhaupt. Nun haben wir erstmals ein HR auf höchster Gruppenstufe, wo wir unsere neuen Strukturen und Prozesse für alle Firmen europaweit definieren und ausrollen», erklärt Vogt. Möglich sei dies auch, weil der neue CEO Pascal Lütolf viel frischen Wind in die Gruppe gebracht habe und viel Vertrauen ins HR setze.

«Es gibt viel aufzubauen», sagt Vogt. Das beginne bei ganz grundlegenden Strukturen wie Personaldossiers, Mitarbeiterstammdaten, HR-Prozessen, einheitlicher Kommunikation mit externen Partnern bis hin zu versicherungstechnischen Themen und grösseren Projekten.

Ein Projekt, welches das HR-Team der Hostettler Group erst kürzlich abgeschlossen hat, ist die Einführung eines neuen Arbeitszeitmodells. «Das haben wir dank unserem hohen Engagement und der Freude aller Beteiligten relativ schnell eingeführt», sagt Vogt. «Die gleitenden Arbeitszeiten sind bei Hostettler ein Novum. Bis Ende letzten Jahres gab es fixe Blockzeiten, die penibel eingehalten wurden.»

Veränderung in kleinen Schritten

Oliver Vogt legt grossen Wert auf den Kulturwandel: «Das geht nicht von heute auf morgen. Wir haben Mitarbeitende, die seit über 40 Jahren bei Hostettler arbeiten. Wer so lange unter der patronalen Führungskultur gedient hat, kann sich nicht von heute auf morgen ändern.» Vogt will den Leuten Zeit geben für den Kulturwandel: «Wir wandeln uns stetig in kleinen Schritten, mit ersten nachhaltigen Erfolgen. Wir sind bestrebt, möglichst alle unsere Mitarbeitenden mitzunehmen.»

Es gebe auch Mitarbeitende und Führungspersonen bei Hostettler, «die Mühe haben mit den Veränderungen und meinen, dass früher alles besser gewesen sei». Wie geht Vogt damit um, wenn sich jemand querstellt? «Ich sage immer: Wenn die Mitarbeitenden wollen und können, dann klappt es. Wenn sie nicht können, geben wir ihnen die Möglichkeit, zu lernen. Wenn sie aber nicht wollen, dann wird es schwierig.»

Auch mal eine Umarmung

Um alte Schranken aus den hierarchisch geprägten Zeiten der Hostettler Group abzubauen, nimmt sich Vogt zwei bis drei Mal pro Woche Zeit, um «bewusst durch die Firma zu gehen, hallo zu sagen, einen Schwatz mit den Leuten zu halten und Berührungsängste abzubauen». Er gebe wenig auf Hierarchien und Status, sagt Vogt. Und: «Wir wollen nicht, dass die Mitarbeitenden immer gleich denken, etwas Schlimmes sei passiert, wenn sie uns vom HR sehen.»

Dass die Mitarbeitenden wahrnehmen, dass die Hierarchien flacher werden, merke er daran, dass sein Team und er von Mitarbeitenden an Team-Anlässe eingeladen werden. «Sie laden uns ein, weil wir ein Teil des Ganzen sind – und nicht, weil sie müssen. Das finde ich grossartig – es zeugt von Vertrauen.»

Ebenfalls wichtig sei ihm, dass die Führungspersonen aus der Linie nicht nur auf das HR zukommen, wenn es irgendwo brennt: «Wir bieten ihnen aktiv unsere Beratung an.» Zu diesem Zweck würden die HR-Mitarbeiterinnen auch mehrmals pro Woche ihren Arbeitsplatz in verschiedene Abteilungen verlegen. So wolle das HR-Team innerhalb der Gruppe Verbundenheit schaffen.

Verbundenheit – ein Wert, der Vogt besonders wichtig scheint und den er auch im eigenen Team lebt. Konkret: «Wir pflegen innerhalb unseres Teams ein sehr freundschaftliches und offenes Verhältnis, so dass Erfolge auch mal mit einer Umarmung besiegelt werden. Das Interesse am Gegenüber, die Präsenz, die Authentizität, die Begeisterung, aber auch die Verbindlichkeit – das ist es, was ich mit Verbundenheit meine. Und das lebe ich täglich.»

Spirituell und bodenständig

Das Thema Verbundenheit habe bei ihm noch zusätzlich an Bedeutung gewonnen durch eine Ausbildung zum diplomierten Persönlichkeitstrainer, die er kürzlich abgeschlossen hat. Da sei es viel um Verbundenheits- und Energie-Themen gegangen. Er wisse, dass das esoterisch klinge, sagt Vogt und fügt an: «Ich interessiere mich auch für spirituelle Themen wie Achtsamkeit, Feuerlauf, Lebensaufgaben und mentale Energiearbeit.»

Bodenständig sind hingegen seine weiteren Hobbys. Vogt spielt Gitarre in zwei Bands: «Wir spielen Soul & Blues bis hin zu rockigen Mucken. Wir traten an einem Open Air unter anderem schon als Vorband von Barclay James Harvest auf.»

Oliver Vogt liest gerne und viel: «Ich habe mir vor Kurzem eine persönliche Leseecke eingerichtet. Mit einem richtig coolen Sessel und einem gut bestückten Bücherregal. Nur zum Lesen, Chillen und Meditieren.» Seine momentane Lieblingslektüre sind die Bücher von Peter Allmend. Neben vielen spirituellen Büchern liest er auch gerne Biografien – «ganz viele über Bruce Springsteen, meinen musikalischen Hero».

Und Vogt ist leidenschaftlicher Motorradfahrer: «Letztes Jahr bin ich nach über 20 Jahren wieder einmal auf einem Töff gesessen. Nachdem ich mit einem guten Freund einmal nach Spanien und wieder zurück gefahren bin – viereinhalbtausend Kilometer in sieben Tagen – bin ich wieder auf den Geschmack gekommen.» Nicht zuletzt ist Oliver Vogt auch begeisterter «Fasnächtler»: «Als Stadtluzerner wurde mir das in die Wiege gelegt.»

Zur Person

Oliver Vogt (50) wächst mit einer vier Jahre jüngeren Schwester in der Stadt Luzern auf. Sein Vater war Direktor bei der Publicitas, seine Mutter Hausfrau. Oliver Vogt studiert Rechtswissenschaften an der Universität Zürich und Militärwissenschaften an der ETH Zürich. Von 1993 bis 1997 
arbeitet er als Klassenlehrer an der Offiziersschule Wangen an der Aare. 1998 nimmt er als Quereinsteiger bei Computer 2000 (heute: Tech Data) eine Stelle als HR-Leiter an. 1999 wechselt er zu UBS, wo er zuerst als Bereichspersonalleiter, später als HR-Direktor für den Geschäftsbereich IT-Infrastruktur tätig ist. Nach neuneinhalb Jahren übernimmt er bei der UBS die HR-Verantwortung für das Projekt «Exit». 2009 wird Oliver Vogt Head of Human 
Resources bei Alpiq Trading. Vier Jahre später wechselt er als Leiter Personal zu V-Zug, die er nach weniger als einem halben Jahr wieder verlässt, um bei Publicitas die Stelle des Head of Human Resources anzunehmen. Im Mai 2016 tritt Oliver Vogt seine aktuelle Stelle als Leiter Personal bei der Hostettler Group an. Oliver Vogt ist zwei Mal geschieden und hat 
einen 20-jährigen Sohn. Er wohnt in 
Rothenburg am Rande der Agglomeration Luzern auf einem Bauernhof.

Hostettler Group

Die Hostettler Group vertreibt seit über 110 Jahren Motorräder, Reifen, Auto
ersatzteile und Velos. Die 13 Unternehmen der Gruppe beschäftigen über 700 Mitarbeitende in der Schweiz und in 
Europa. Hostettler ist unter anderem 
Generalimporteur der Motorradmarke Yamaha für die Schweiz , Importeur und Hersteller der Velomarken Wheeler und BiXS sowie Inhaber der weltweit vertriebenen Bekleidungs- und Accessoire-
Marke iXS für Motorrad- und Velofahrer.

 

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