Arbeit und Recht

Wie finde ich den passenden Anwalt?

Ein Vorteil, wenn ein HR-Verantwortlicher bei Rechtsfragen eine unternehmenseigene Rechtsabteilung an der Seite hat. Alle anderen müssen sich wohl früher oder später einmal an einen externen Rechtsberater wenden, der bei
arbeitsrechtlichen Fragen oder einem Gerichtsprozess unterstützen kann. Aber wie findet man den richtigen Anwalt?

Sucht ein HR-Verantwortlicher einen externen Rechtsberater, kann die Website des Schweizerischen Anwaltsverbands (www.sav-fsa.ch) eine Anlaufstelle sein. Dort bietet sich dem Nutzer eine Suchmaske an. Wählt man als Tätigkeitsgebiet «Arbeitsrecht», findet das System in der Schweiz 1506 Anwälte (alleine 538 im Kanton Zürich). Somit zählt offenbar etwa jeder sechste Anwalt in der Schweiz 
«Arbeitsrecht» zu seinen Spezialgebieten.

Etwas übersichtlicher wird es, wenn in der Suchmaske der gleiche Begriff unter dem Abschnitt Fachanwalt SAV eingegeben wird. Dann werden noch 98 Anwälte aufgeführt (davon 37 im Kanton Zürich). Dieses Hilfsmittel kann somit durchaus einer ersten Übersicht dienen, aber es ist nicht ganz zielführend. Es müssen deshalb weitere Kriterien herangezogen werden, um bei Rechtsfragen den richtigen Partner zu finden.

Gute Vorbereitung macht sich auch bei Rechtsfällen bezahlt

Anwälte müssen oft unter Zeitdruck gefunden werden. Zum Beispiel im Falle einer 
Klage oder einer dringend zu lösenden Rechtsfrage. Für eine seriöse Suche bleibt dann oft kaum mehr Zeit. Empfehlungen von Kollegen zu folgen, ist in einem solchen Fall sicher ein guter Ansatzpunkt. Besser wäre es aber, rechtzeitig Überlegungen zur Wahl eines passenden Anwalts anzustellen. Weil eine gute Vorbereitung sich am Ende immer bezahlt macht, sowohl auf der Kosten- als auch auf der Ergebnisseite. Es ist einem 
HR-Verantwortlichen deshalb zu empfehlen, sich frühzeitig mit dieser Frage auseinanderzusetzen, um bei Bedarf über die erforderlichen Informationen der für ihn passenden Anwälte zu verfügen. Denn nicht jeder 
Anwalt ist für alle Fälle gleich gut geeignet: Manche Anwälte sind erfahrene Prozessanwälte, andere bessere Mediatoren oder Verhandler, wiederum andere haben sich auf gewisse Rechtsfragen spezialisiert (beispielsweise Sozialversicherungsrecht).

In diesem Such- und Auswahlprozess kann man bereits einen ersten Eindruck vom möglichen Geschäftspartner gewinnen. Und da ein Auftragsverhältnis zu einem Anwalt in die gleiche Kategorie fällt wie jenes zum Arzt, gilt auch hier: Das Bauchgefühl ist nicht zu vernachlässigen! Dieses spielt oft auch eine grosse Rolle, wenn es um die Beurteilung des professionellen Auftritts eines Anwalts geht (beispielsweise Büroräumlichkeiten, Website, Arbeitsergebnisse oder Kommunikation).

Der Nachweis von fachlicher
Qualifikation und Erfahrung

Primär sollte ein Anwalt nach seiner fachlichen Qualifikation und Erfahrung ausgesucht werden. Es bringt einem Unternehmen nichts, wenn es zwar Kosten sparen kann, das Ergebnis aber unbefriedigend ist. Es ist jedoch nicht zwingend erforderlich, immer einen 
Fachanwalt SAV mit Spezialgebiet Arbeitsrecht auszuwählen. Im Zweifelsfall dient dieser Ausweis zumindest als Indikation für eine gewisse Erfahrung auf diesem Fachgebiet. Bei einem Gespräch mit einem potenziellen Anwalt sollte deshalb nach der Weiterbildung im Fachbereich und praktischer Erfahrung gefragt werden. Ein erfahrener Anwalt wird keine Probleme haben, auch ohne Nennung von Kundennamen, einen Nachweis für bisherige Fälle zu erbringen.

Schliesslich ist auch zu prüfen, ob es sich um einen Anwalt handelt, der regelmässig Arbeitgeber oder nur Arbeitnehmer vertritt, weil sich dies in der Art der Mandatserledigung niederschlagen könnte. Ein weiteres 
Element kann unter dem Begriff «Service» 
zusammengefasst werden. Hierunter versteht man Punkte wie zum Beispiel Erreichbarkeit, Verfügbarkeit und Lieferzeiten. Denn diese haben einen unmittelbaren Einfluss auf das Führen des Mandats und des Anwalts als 
Zulieferer, weil am Ende nur der HR-Verantwortliche seinem Vorgesetzten gegenüber verantwortlich bleibt. Mit geeigneten Fragen ist deshalb herauszufinden, wie ausgelastet ein Anwalt ist und wie er sich als Dienstleister des Kunden versteht. Allenfalls kann man nach anonymisierten Beispielen von Arbeitsergebnissen verlangen, um den Stil und die Arbeitsweise des Anwalts besser beurteilen zu können. Das ist insbesondere von Bedeutung, wenn man bedenkt, dass der Anwalt als Vertreter das Unternehmen nach aussen repräsentiert. Ferner ist zu überlegen, ob man von einem Anwalt Referenzen verlangen sollte, um sich mit bisherigen oder aktuellen Kunden über ihre Zufriedenheit und ihre Erfahrungen zu unterhalten.

Hat man das Fachwissen und den Service eines Anwalts genügend evaluiert, verlangt eine sorgfältige Auswahl, auch die Frage von Abwesenheiten zu adressieren (wie bei Ferien, Unfall oder grosser Arbeitsauslastung). Als Auftraggeber hat man ein Interesse an der Sicherstellung einer geeigneten Stellvertretung, sowohl fachlich als auch zeitlich. Das ist insbesondere von grosser Bedeutung bei dringenden oder wichtigen Projekten.

Fixpreise oder Stundensatz –
beides ist möglich

Schliesslich ist natürlich das Honorar von Bedeutung. Sehr verbreitet ist noch immer die Abrechnung nach Stundensätzen, deren Höhe sich je nach Kanton und Erfahrung des Anwalts unterscheidet. Mit der nötigen Erfahrung und Selbstsicherheit kann ein HR-
Verantwortlicher für klar umrissene Aufgaben auch Fixpreise vereinbaren. Werden 
Stundenhonorare festgelegt, empfiehlt es sich, regelmässig (beispielsweise monatlich) eine detaillierte Rechnungstellung zu verlangen, um eine geeignete Kostenkontrolle zu gewährleisten. Es ist zu empfehlen, dass die Partner eine gleiche Vorstellung von Reise- und anderen Spesen haben (zum Beispiel 
Kopierkosten, Telefon etc.). Interessant sind hier auch nicht naheliegende Fragen, wie zum Beispiel: in welchen zeitlichen Schritten abgerechnet wird (auf fünf Minuten genau?) oder ob sich der Stundensatz inklusive der Mehrwertsteuer versteht. Handelt es sich um ein grösseres Anwaltsbüro, stellt sich auch die Frage nach dem bearbeitenden Anwalt beziehungsweise der Zusammensetzung des Teams, denn ein Auftrag muss nicht immer vom (teureren) Partner einer Kanzlei, sondern kann auch von einem angestellten Anwalt erledigt werden.

Es darf nicht vergessen werden, dass ein Neukunde bei der erstmaligen Beauftragung eines Anwalts eine gute Verhandlungsposition hat, um allfällige Wünsche einzubringen. So ist unter anderem zu überlegen, ob bereits die Frage nach weiteren Leistungen gestellt werden soll (beispielsweise nach kostenloser telefonischer Beratung oder Vorträgen im Unternehmen). Dabei ist stets zu beachten, dass auch solche Themen mit der nötigen Professionalität zu adressieren sind, um das für die Beziehung wichtige Vertrauensverhältnis nicht unnötig zu belasten. Gerade dieses letzten Punkts sollte sich der Kunde bewusst sein, wenn er allenfalls später das Vertrauen in seinen Anwalt verliert: Ein Auftragsverhältnis kann jederzeit beendet werden (Art. 404 
Abs. 1 OR), die Folgen bei Unzeit vorbehalten.

Die Aufgaben nach der Auswahl des richtigen Anwalts

Sind alle für die Auftragserteilung und die Zusammenarbeit wichtigen Punkte geklärt, ist zu empfehlen, diese formell festzulegen. Wird keine schriftliche Vereinbarung gemacht, sollte man sich diese Punkte wenigs-tens per E-Mail bestätigen lassen. Damit können auf einfache Art und Weise unnötiger Ärger und künftige Missverständnisse verhindert werden.

Ist die Auswahl einmal erfolgt, ist ein HR-Verantwortlicher von seiner Verantwortung noch nicht entbunden. Anschliessend hat er sicherzustellen, dass der Anwalt richtig beauftragt wird, das heisst, die Art der gewünschten Unterstützung ist klar zu definieren, und er hat ihn laufend mit den relevanten Informationen zum Sachverhalt zu versorgen. Je besser die Zusammenarbeit zwischen den Parteien funktioniert, desto zufriedener werden beide Seiten sein. Eine vollständige Instruktion sowie das permanente Management der Geschäftsbeziehung können sicherstellen, dass ein Anwalt effizient im vorgegebenen Budget arbeitet und die gewünschten Arbeitsergebnisse in der erforderlichen Form und Qualität produziert.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos
Bruno Mascello

Rechtsanwalt, Direktor des Geschäftsbereichs Law and Management an der Executive School der Universität St.Gallen (HSG). Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Wirtschaftsrecht und Legal Management.

Weitere Artikel von Bruno Mascello