Arbeit und Recht

Arbeitszeitdokumentation und Produktivitätsklausel: 2 Muster

Betriebliche Arbeitszeitregimes lassen sich auch ohne ­Umgehung des Arbeitsgesetzes und ausserhalb ausgetretener Pfade bekannter Arbeitszeitmodelle massschneidern. Die Produktivitätsklausel und die Vereinbarung verein­fachter Arbeitszeitdokumentation sind zwei Beispiele dafür. Ein Diskussionsbeitrag zur konkreten Umsetzung.

In HR Today vom Januar/Februar 2014 (S. 28 f.) wurde über die auf den 1. Januar 2014 neu eingeführte vereinfachte Arbeitszeitdokumentation berichtet. Diese betrifft (verkürzt dargestellt) Arbeitnehmer mit einer qualifiziert verantwortungsvollen Aufgabe und bewirkt zweierlei: Erstens reduziert sich der betriebliche Aufwand, weil die Arbeitszeit bei betroffenen Arbeitnehmern nicht mehr lückenlos erfasst werden muss. Und zweitens erhöht sich der Aufwand der kantonalen Arbeitsinspektorate. Denn sie müssen zusätzlich «aufgrund des Pflichtenheftes und der Schilderung der tatsächlichen Aufgaben und Arbeitsbedingungen» überprüfen, ob im Einzelfall die vereinfachte Dokumentationspflicht zulässig ist oder nicht (SECO-Weisung Vereinfachte Dokumentationspflicht, ­Dezember 2013).

Vereinfachte Arbeitszeitdokumentation

Der im Bereich der Arbeits- und Ruhezeitkontrolle faktisch ohnehin limitierte Einflussbereich der kantonalen Arbeitsinspektorate wird durch die SECO-Weisung punktuell also noch mehr eingeschränkt. Nachstehend findet sich eine Musterverein­barung, mit welcher betroffene Mitarbeiter der vereinfachten Kontrollpflicht unterstellt werden können.

Muster 1: Vereinfachte Arbeitszeitdokumentation

«Mit Bezug auf die gesetzliche Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeit sind die Parteien der übereinstimmenden Ansicht, der Arbeitnehmer unterliege gemäss seinem Pflichtenheft der vereinfachten Dokumentationspflicht, die das SECO mit Weisung vom Dezember 2013 vorsieht. Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Parteien Folgendes:

Der Arbeitnehmer erfasst täglich mit Datum die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden (exklusive Pausen) und legt die Rapporte am Ende jeden Monats vor.

Der Arbeitnehmer kann seine Arbeitszeit frei einteilen. Dabei beachtet er eigenverantwortlich das Arbeitsgesetz (ArG) mit Verordnungen (ArGV), und namentlich folgende Regeln:

  • Die Höchstarbeitszeit beträgt pro Tag 12,5 Stunden (ohne Pausen) und pro Woche [45 oder 50] Stunden (Art. 9 ArG). Es dürfen nicht mehr als sechs Arbeitstage in Folge geleistet werden (Art. 21 ArGV1).
  • Nachtarbeit (23.00 Uhr bis 06.00 Uhr) und Sonntagsarbeit sind verboten, auch zu Hause (Art. 16, 18 ArG).
  • Es werden täglich nach Massgabe von Art. 15 ArG arbeitsfreie Pausenzeiten eingehalten.

Wird ausnahmsweise von diesen Bestimmungen abweichende Überzeitarbeit notwendig, sind die entsprechenden Rechtsnormen und namentlich Art. 10 Abs. 3 und 12 ArG sowie Art. 25 und 26 ArGV1 zu beachten. Bei Unklarheit über die Rechtslage ist die vorgesetzte Stelle zu konsultieren. Ob Überzeit kompensiert oder entschädigt wird, unterliegt separater Vereinbarung.

Am Ende des Geschäftsjahres wird mit dem Arbeitnehmer ein Jahresendgespräch geführt, das insbesondere die Arbeitsbelastung des Arbeitnehmers thematisiert. Entsprechend gilt vorliegende Vereinbarung jeweils für ein Jahr, kann aber jährlich einvernehmlich erneuert werden.

Der Arbeitnehmer bestätigt durch seine Unterschrift, folgende Unterlagen erhalten zu haben:

  1. Pflichtenheft;
  2. SECO-Weisung vom Dezember 2013 betreffend vereinfachte Dokumentationspflicht;
  3. Arbeitsgesetz mit den Verordnungen 1 bis 5, amtliche Ausgabe.

Diese Vereinbarung steht unter dem ausdrücklichen Vorbehalt von Änderungen der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen, der Kontrollpraxis des SECO oder des Arbeitsinspektorats.»

Produktivitätsklausel

Auch wenn die Einführung der vereinfachten Dokumentationspflicht die Arbeit der kantonalen Arbeitsinspektorate tendenziell erschweren dürfte: Hier sei keineswegs dazu angestiftet, auf Vollzugsprobleme beim Arbeitsgesetz zu vertrauen und auf Arbeitszeiterfassung zu verzichten. Im Gegenteil: Selbst ohne regulatorischen (oder gesamtarbeitsvertraglichen) Zwang spricht einiges für die genaue Erfassung der Arbeitszeit: Die Kontrolle der geleisteten Arbeit  ergibt nämlich «ehrliche» (also zutreffende) Daten, mit denen Unternehmen die Personalkosten, den Personalbestand und die Einsatzplanung exakt steuern können. Zudem können Unternehmen ihre Arbeitszeitregimes trotz Arbeitsgesetz aktiv gestalten. Sie müssen sich dabei nicht auf die Möglichkeit flexibler Arbeitszeitmodelle limitieren lassen. Ein Beispiel: Viele Unternehmen hinterfragen heute die Formel «Lohn für Präsenzzeit». Als Alternative setzt die Produktivitätsklausel das Arbeitsergebnis ins Verhältnis zur dafür aufgewendeten Arbeitszeit.

Die folgende Musterklausel geht von einem Berater aus, dessen verrechenbare Arbeitszeit Kunden in Rechnung gestellt wird und der auf Basis eines teilvariablen Lohnmodells arbeitet. Er soll einen Ziellohn von 10 000 Franken verdienen für eine verrechenbare Quote von 80 Prozent.

Muster 2: Produktivitätsklausel

«Der Arbeitnehmer wird auf Basis der verrechen­baren Quote variabel entlöhnt. Als verrechenbare Quote definieren die Parteien das Verhältnis der durchschnittlichen täglichen (den Kunden) verrechenbaren Arbeitszeit zur gesamten durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers. Die Parteien halten eine verrechenbare Quote von 80 Prozent für angemessen.

Als kalkulatorischen Basiswert, der mit der verrechenbaren Quote multipliziert wird, vereinbaren die Parteien CHF 10 000.00 brutto pro Monat.

Der variable Monatslohn des Arbeitnehmers wird nach folgender Formel berechnet: Die verrechenbare Quote wird zunächst mit 125 % und das Ergebnis mit dem kalkulatorischen Basiswert multipliziert.

Ein Berechnungsbeispiel: Angenommen, im Durchschnitt würden 6,0 verrechenbare Stunden pro Arbeitstag erzielt. Je nach dafür auf­gewendeter Arbeitszeit fällt dafür folgender ­Monatslohn an:

  • a. 6,0 Stunden tägliche Arbeitszeit; verre­chenbare Quote 100,00 %; Monatslohn CHF 12 500.00 brutto (100 % x 125 % des kalkula­torischen Basiswerts);
  • b. 7,5 Stunden tägliche Arbeitszeit; verrechenbare Quote 80,00 %; Monatslohn CHF 10 000.00 brutto (80 % x 125 % des kalkulatorischen Basiswerts);
  • c. 9,0 Stunden tägliche Arbeitszeit; verrechenbare Quote 66,66 %; Monatslohn CHF 8333.35 brutto (66,66 % x 125 % des kalkulatorischen Basiswerts);

Der Arbeitgeber verpflichtet sich zur Bezahlung eines Mindestlohns von CHF 6000.00 brutto pro Monat, unabhängig von der verrechenbaren Quote. Der Mindestlohn versteht sich als untere Mindestlohngrenze und nicht als (zum variablen Lohn zu addierender) zusätzlicher Fixlohn.»

  • Bitte beachten Sie: Für die hier präsentierten zwei Mustervertragstexte lässt sich keine Rechtssicherheit garantieren – auch mangels Literatur oder Gerichtspraxis, die diese Ansätze bislang thematisiert hätten.

HR Today-Serie Arbeitszeiterfassung: Teil 3

Innerhalb der Rubrik «Arbeit und Recht» ­beleuchtet HR Today in ­jeder dritten Ausgabe das kontroverse Thema Arbeitszeiterfassung. Der Hauptbeitrag von Dr. Heinz Heller, der juris­tische Aspekte der Arbeitszeiterfassung beleuchtet, wird von Ivo Muri durch eine Replik aus der Perspektive der Zeitwirtschafts­system-Praxis ergänzt.

 

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Dr. Heinz Heller 
praktiziert als Fachanwalt SAV Arbeitsrecht. Er berät überwiegend Arbeitgeber und Manager.

Weitere Artikel von Heinz Heller

Cela peut aussi vous intéresser