HR Today Nr. 11/2017: swissstaffing-News

Der Personaldienstleister: Zentrales Scharnier im Arbeitsmarkt 4.0

Die Digitalisierung erfasst mittlerweile den gesamten Arbeitsmarkt. Auch die Personaldienstleistungsbranche. Eine Marktbeobachtung zeigt viel Dynamik.

Keine Spur von Mistgabeln, die versuchen, fahrende Eisenbahnen aufzuhalten. Nein, wir sehen vielmehr zahlreiche Beispiele von Innovationen, die aus der klassischen Personaldienstleistungsbranche heraus entstehen. Natürlich ist das erst der Anfang eines Weges, der in eine fernere Zukunft führt. Aber die Branche ist in Bewegung und das ist ein sehr gutes Zeichen. Die Digitalisierung eröffnet den Personaldienstleistern viele Chancen. Und der digitalisierte Personaldienstleister kann am Arbeitsmarkt der Zukunft zentrale Scharnierfunktionen erfüllen.

Chancen auf allen Ebenen

Es gibt zahlreiche Ebenen, auf denen sich die Personaldienstleistung digitalisieren kann: sei es im Backoffice, bei der Rekrutierung von Mitarbeitern, im Kontakt mit den Einsatzbetrieben oder an der Schnittstelle zwischen Kandidaten und Einsatzbetrieben. Digitale Tools vereinfachen die internen Prozesse von der Stundenerfassung bis zur Lohnauszahlung und Rechnungsstellung. Suchroboter spüren die passenden Fachkräfte im World Wide Web auf, und Matching-Systeme nehmen den Abgleich mit den offenen Stellen zielsicher vor. Die Einsatzbetriebe erhalten über digitale Schnittstellen den direkten Zugriff auf den Talentpool des Personaldienstleisters. Über Plattformlösungen können sich Einsatzbetriebe und Stellensuchende sogar direkt finden. Auf jeder dieser Ebenen kann die Digitalisierung herkömmlicher Personaldienstleister-Prozesse neue Potenziale erschliessen, Kosten reduzieren, Effizienz erhöhen, Qualität steigern und für neuartige Kundenerlebnisse sorgen.

Die Wirtschaftsstruktur verändert sich Der Wandel endet aber nicht in der Personaldienstleistung, auch bei den Einsatzbetrieben wird so manches geschehen. Gewisse Branchen und Berufe werden verschwinden, andere werden sich weiterentwickeln und wieder andere Berufe entstehen gänzlich neu. Der Personaldienstleister, der den Einsatzbetrieben das Personal zur Verfügung stellt, muss die sich ändernden Bedürfnisse seines Kunden erkennen und im bes­ten Fall sogar antizipieren. Enge Kontakte und fundierte Kenntnisse der Wirtschaftsstruktur sind ein Trumpf der Personaldienstleister und bieten eine gute Grundlage, damit diese ihre Firmenkunden als HR-Partner in die Zukunft begleiten können.

Die Personaldienstleister verfügen aber nicht nur über gute Kontakte zur Wirtschaft, sondern durch ihre zahlreichen Interaktionen mit den Unternehmen auch über viele Daten. Sie wissen, welche Unternehmen wann welche Leute benötigen. Diese Big Data können Personaldienstleis­ter nutzen, um ihre Kunden in HR-Fragen zu beraten und auf die Zukunft vorzubereiten.

Die Arbeitsnomaden kommen

Und was tut sich an der Mitarbeiterfront? Die Gig Economy schafft eine neue Kategorie von Erwerbstätigen. Die Gig Workers stellen sich ihr Erwerbsleben wie ein Mosaik zusammen. Sie wählen Einsätze und Projekte selber aus und entscheiden, wann, wo und wie viel sie arbeiten wollen. Auf diese Weise erlangen sie eine ganz neue Dimension von Freiheit und Selbstverwirklichung. So attraktiv diese Freiheit des Gig Worker auch ist, die Atomisierung der Erwerbsphasen birgt auch Risiken, weil sie wenig Stabilität gewährleistet. Deshalb braucht es neue Formen der Absicherung. Der gesetzliche Rahmen ist in der Schweiz für flexible Arbeit (noch) nicht geeignet. Die Temporärarbeit und ihre Abwicklung könnten einen passenden Rahmen für die Gig Economy darstellen.

Spielregeln für die neue Arbeitswelt

Die Temporärbranche hat im sozialpartnerschaftlichen Dialog eigene Lösungsansätze entwickelt, um die soziale Absicherung der Temporärarbeitenden zu gewährleisten. Diese Ansätze könnte man weiterentwickeln. Warum nicht mit einer Versicherung für die Einkommensglättung? Wenn jemand arbeitet, zahlen Leistungserbringer und Leistungsbezüger einen Beitrag in die Versicherung ein. Während der Erwerbspausen kann der Gig Worker dann Leistungen aus der Versicherung beziehen.

Weiterbildung ist auch ein Thema, das in einer Welt mit kurzen und wechselnden Arbeitsbeziehungen neu organisiert werden muss. Der Arbeitgeber hat wenig Interesse, in seinen Mitarbeiter zu investieren, wenn dieser bald wieder weiterzieht. Deshalb muss die Weiterbildungsfinanzierung in der Gig Economy solidarisiert werden. In der Temporärbranche ist das bereits heute der Fall. Personaldienstleister und Temporärarbeitende speisen einen Lohnanteil in den Weiterbildungsfonds temptraining, welcher der gesamten Temporärbranche offen steht. Dieses Modell ist prädestiniert für die Gig Economy.

Ein starker Partner am Arbeitsmarkt 4.0

Nicht jedes Unternehmen kann einen riesigen Talentpool an Gig Workers unterhalten. In der Sharing Economy ist diese Rolle beim Personaldienstleister gut platziert. Er kann ein Netzwerk mit Talenten aufbauen und pflegen, das die Unternehmen punktuell anzapfen können. Die Gig Workers kann der Personaldienstleister auf ihren wechselnden Pisten begleiten und unterstützen.

Die Parteien am Arbeitsmarkt 4.0 haben Interesse an einem starken Partner, der für einen glatten Ablauf der rasch wechselnden Arbeitsbeziehungen sorgt und aufgrund seines Know-hows in HR-Fragen berät. Wenn das Karussell immer schneller dreht, braucht es eine stabile Drehscheibe. Der Personaldienstleister, der die Möglichkeiten der Digitalisierung erfolgreich einsetzt, kann diese Rolle übernehmen.

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Myra Fischer Rosinger

Myra Fischer-Rosinger ist Direktorin von swissstaffing, dem Branchenverband der Personaldienstleister. Die Politologin und Volkswirtschaftlerin prägt die Entwicklung von swissstaffing seit 2006. Massgeblich beteiligt war sie an der Einführung des Gesamtarbeitsvertrags Personalverleih, der seit 2012 in Kraft ist. Im Branchenverband swissstaffing sind 300 schweizerische Personaldienstleister organisiert. Der Arbeitgeberverband ist Kompetenz- und Servicezentrum für die Temporärbranche und vertritt die Anliegen seiner Mitglieder gegenüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. www.swissstaffing.ch

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