Corporate Newsroom statt interne Kommunikation?
Corporate Newsrooms sind im Trend. Kommunikationsabteilungen stellen sich neu auf und schaffen die Funktion des Themenmanagers, der alle Kanäle aus einer Hand bespielen soll. Dabei droht die Gefahr, dass die interne Kommunikation aus dem Blickfeld gerät. Damit die Mitarbeitenden im Corporate Newsroom nicht vergessen werden, ist es ratsam, dass sich HR aktiv einbringt.
Arbeitet HR in herkömmlichen Organisationen eng mit der interne Kommunikation zusammen, droht diese Verbindung in Corporate-Newsroom-Strukturen schwächer zu werden. (Bild: 123RF)
In jüngster Zeit geistert ein Begriff durch die Welt der Unternehmenskommunikation und damit verbunden ein Konzept, das nicht nur die Organisation, sondern auch die Tätigkeit der Kommunikation grundsätzlich verändert: Corporate Newsroom. Wo bisher die Kommunikationstätigkeiten eines Unternehmens nach Kanälen oder Zielgruppen organisiert waren – interne Kommunikation, Medienstelle, Online-Kommunikation –, soll neu ein sogenannter Corporate Newsroom alle Kommunikationsaktivitäten der Organisation bündeln. Seine Definition lautet entsprechend: «Eine räumlich und organisatorisch zusammengefasste Steuerungseinheit für die Kommunikation innerhalb einer Organisation.»
Themenorientierung und Integration
Typisch für eine Corporate-Newsroom-Struktur sind dabei zwei Elemente: Erstens sind die Mitarbeitenden in einem Corporate Newsroom neu zumindest teilweise für Themen verantwortlich und nicht mehr nur für Zielgruppen oder Kanäle. Als sogenannte Themenmanager übernehmen sie die Verantwortung für die Kommunikation von Inhalten aus ihrem Themengebiet auf allen Kanälen, an alle Zielgruppen. So kümmert sich beispielsweise die Themenmanagerin für das Thema Personal um alle Kommunikationsmassnahmen, in denen es um organisationsbezogene Inhalte aus diesem Bereich geht. Zweitens findet die Kommunikationsplanung für alle Themen, Zielgruppen und Kanäle integriert und mindestens täglich statt, so dass alle Mitarbeitenden der Kommunikation im Bild sind, wer gerade an welchen Themen für welche Kanäle arbeitet. Räumlich drückt sich diese Integration im Grossraumbüro aus: Wo früher Unterabteilungen der Kommunikation in eigenen Räumlichkeiten agierten, werden neu alle Kommunikationsaktivitäten in einem Grossraumbüro zusammengefasst, so dass jederzeit ein unkomplizierter und spontaner Austausch möglich ist.
Anspruch der Kontrolle ist passé
1992 schrieb Manfred Bruhn zum Thema Integration der Kommunikationsaktivitäten: «Unter der integrierten Unternehmenskommunikation wird ein Prozess der Planung und Organisation verstanden, der darauf ausgerichtet ist, aus den differenzierten Quellen der internen und externen Kommunikation von Unternehmen eine Einheit herzustellen, um ein für sämtliche Zielgruppen der Unternehmenskommunikation konsistentes Erscheinungsbild über das Unternehmen zu vermitteln.» Zunächst ist also der Corporate Newsroom die organisatorische Umsetzung dieses Anspruchs. Doch der Corporate Newsroom bedeutet mehr als nur Integration. Bei der integrierten Kommunikation ging es darum, die Kontrolle zu behalten: Form und Inhalte der Kommunikation sollten einheitlich sein, egal an wen diese ging. In Zeiten von Social Media, in der eine Vielzahl an Kanälen und Plattformen die Kommunikationslandschaft prägen und die Empfänger von Kommunikation oft am längeren Hebel sitzen, passt der Anspruch der Kontrolle nicht mehr. Der Corporate Newsroom will deshalb nicht integrieren, um zu kontrollieren, sondern er unterstützt die Organisation darin, Themen zu identifizieren, vielfältig zu partizipieren und rasch zu reagieren.
Gefährdeter Zielgruppenbezug
Im Corporate Newsroom identifizieren die Themenverantwortlichen die besten, attraktivsten Inhalte und Geschichten in ihrem Themenbereich und kommunizieren diese auf allen Kanälen, die zur Verfügung stehen, intern und extern. Diese Kanäle weisen aber sehr unterschiedliche Kommunikationskulturen und unterschiedliche Erwartungshaltungen auf: Bei der Medienarbeit wusste man aufgrund der engen Kontakte mit den Journalisten, was die Journalisten brauchten und schätzten, wie und wann sie die Inhalte erhalten wollten. Oder: Die Macher der Mitarbeiterzeitschrift kannten die interne Kommunikationskultur, die Interessen und Bedenken der Mitarbeiterschaft sowie die Geschichte und Rolle der Zeitschrift. Der frühere Mediensprecher und die frühere Chefredaktorin der Mitarbeiterzeitschrift wussten zudem, was die Journalisten beziehungsweise die Leser der Mitarbeiterzeitschrift in letzter Zeit an Informationen erhalten hatten. Als Themenverantwortliche sind die beiden nun primär Experten für ihre Themen. Kanäle und Zielgruppen werden damit zwangsläufig sekundär. Mit dem Fokus auf Inhalte gehen nicht nur die engen Beziehungen zu den Zielgruppen verloren, es besteht so neu auch die Gefahr, dass der Kommunikationsmix für die jeweilige Zielgruppe nicht mehr stimmt.
Man kann einwenden, dass es genau dafür neu den Chef vom Dienst oder den Tagesverantwortlichen gibt und dass neben den Themenverantwortlichen Kanalverantwortliche für den geeigneten Mix zuständig sind. Es stellt sich aber dabei die Frage, ob eine Koordination von Themen- und Kanalverantwortlichen sowie einem koordinierenden Chef dem Bedürfnis nach effizienteren und schnelleren Abläufen auch wirklich entspricht.
Corporate Newsrooms auf dem Vormarsch
Eine Befragung von Schweizer Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen aus dem Jahr 2016 zeigt, dass Corporate Newsrooms in der Schweiz eine Realität darstellen: Von den 74 antwortenden Unternehmen (53) und Ämtern (21) gaben bereits 20 – also mehr als ein Viertel – an, die Kommunikation in einem Newsroom organisiert zu haben.
Sechs Organisationen gaben an, sie würden über keinen Newsroom verfügen, obwohl sie zahlreiche Newsroom-typische Merkmale aufweisen. Daraus lässt sich folgern: Newsroom-typische Merkmale wie die verstärkte Themenorientierung oder die integrierte Kommunikationsplanung spielen inzwischen eine zentrale Rolle in der Organisationskommunikation – ob man seine Organisation nun mit dem Label Newsroom versieht oder nicht. Das organisierte Zusammenspiel von Themen- und Kanalverantwortlichen ist in allen Corporate Newsrooms grundlegendes Strukturmerkmal. Trotzdem unterscheiden sich die real existierenden Newsroom-Modelle deutlich voneinander: Der Postfinance gelang beispielweise, was in vielen Organisationen noch nicht realisiert ist: Kommunikation und Marketing in einem integrierten Newsroom zusammenzuführen und die fast 50 Marketing- und Kommunikationskanäle aus einer Hand zu bespielen. Die Axa Schweiz wiederum hält noch an der Trennung von Kommunikation und Marketing fest, geht dafür aber am weitesten, wenn es darum geht, die Medienarbeit in den Newsroom zu integrieren. Die Themenmanager bei Axa sind für ihre Themen auch Mediensprecher, was die Arbeit besonders herausfordernd, aber auch attraktiv macht. Die meisten Organisationen mit Newsroom haben diesen eigentlich konsequenten Schritt nicht gemacht und lassen die Medienarbeit in den Händen der bisherigen etablierten Mediensprecher.
Neue Anforderungen
Der Umzug ins Grossraumbüro und die Installation von technischer Infrastruktur ist oft der erste sichtbare Schritt zu einem Corporate Newsroom. Gleichzeitig müssen Mitarbeitende neu auf Kanälen kommunizieren, die sie bisher kaum kannten. Zudem gelten neue Anforderungen bezüglich Sachwissen: Wer für ein Thema verantwortlich ist, muss sich darin viel besser auskennen als vorher, als man sie als inhaltlicher Generalist kommunizierte. Diese Veränderungen funktionieren nicht ohne aufwändige Weiterbildungen und Umschulungen.
Dazu kommt aus Personalsicht eine weitere Veränderung. Wo bisher in kleinen Teams für den eigenen Kanal gearbeitet wurde, ist man plötzlich als thematischer Einzelkämpfer Teil eines grossen Teams, im Grossraumbüro, in dem alle einander sehen und alle voneinander wissen, was sie tun. Dabei treffen sehr unterschiedliche Kulturen aufeinander. Eine solche Veränderung braucht Zeit und nicht alle Betroffenen empfinden die Veränderung als angenehm. Die Erfahrungen mit der integrierten Kommunikation und auch aus journalistischen Newsrooms zeigen, dass die Umstellung an diesen kulturellen und zwischenmenschlichen Faktoren scheitern kann. Deshalb ist es ratsam, dass HR einen solchen Veränderungsprozess aktiv begleitet und nicht nur die Verantwortlichen für die Umstellung, sondern alle Beteiligten aktiv unterstützt. Die Aufgabe des HR besteht insbesondere darin, den Fokus auf die menschlichen Aspekte der Umstellung zu richten, damit der Newsroom nicht primär als technische und innenarchitektonische Veränderung verstanden wird.
Herausforderungen für das HR
Arbeiten die HR-Abteilungen in herkömmlichen Organisationen eng mit den Verantwortlichen für interne Kommunikation zusammen, droht diese Verbindung in Corporate-Newsroom-Strukturen schwächer zu werden. Erstens gibt es den Spezialisten für interne Kommunikation schlichtweg nicht mehr. Und zweitens: Auch wenn die Themenmanager an alle Zielgruppen denken (müssen), spielen sie ihre Themen mit Vorliebe über externe Kanäle aus, die reputationsmässig stärker wirken. Damit im Corporate Newsroom die Mitarbeitenden nicht vergessen gehen, sollte sich HR direkt oder über den zuständigen Themenmanager aktiv einbringen: allgemein als «Fürsprecher» für die Mitarbeitenden und spezifisch mit der ganzen Palette von HR-Themen.