Das Silodenken überwinden
Mehr denn je ist HR gefordert, mit anderen Fachdisziplinen bereichsübergreifend zusammenzuarbeiten. Anlässlich einer Tagung der Personalchefinnen und Personalchefs der Bundesverwaltung hat HR-Berater Marcel Oertig Erfolgsfaktoren und Praxisbeispiele zusammengetragen.
Schnittstellen zu anderen Unternehmensbereichen werden für HR immer wichtiger. (Bild: 123RF)
Die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Unternehmensdisziplinen wird für HR wichtiger, meinen die HR-Verantwortlichen von Novartis Schweiz, der Mobiliar und des Eidgenössischen Personalamts unisono. Marcel Oertig, Partner und Leiter Consulting der Avenir Group, hat für eine Tagung des Eidgenössischen Personalamts Erfolgsfaktoren und Praxisbeispiele gesammelt.
Für ihn gehören IT, Finanzen, Logistik oder Kommunikation zu den wichtigsten HR-Schnittstellen. Meist habe es das HR nicht nur mit einem, sondern zeitgleich mit mehreren Bereichen zu tun. Etwa mit Ansprechpartnern aus der IT- oder Rechtsabteilung, die in fast allen grösseren HR-Projekten involviert seien. Damit steigere das HR seine Kompetenz, «eine gesamtunternehmerische Perspektive einzunehmen».
Rund 80 Prozent der Unternehmen setzen bereits heute auf interdisziplinär agierende Teams, um zu «höherwertigen und originelleren Ideen zu gelangen», belegt eine Studie des Zukunftslabors «CreaLab» der Hochschule Luzern. Meist unterschieden sich die Teammitglieder bezüglich Ausbildung, Abteilungszugehörigkeit und Hierarchiestufen. Hingegen spielten das Alter, das Geschlecht sowie die Nationalität bei der Teamzusammensetzung keine bedeutende Rolle, was erstaunen mag, denn gerade Unterschiedlichkeit führe zu mehr Vielfalt.
Auch Novartis, die Mobiliar und das Eidgenössische Personalamt setzen auf interdisziplinare Teams. «Erfolgreich sind diese besonders», so Oertig, «wenn sie sich auf gemeinsame Regeln einigen, die mit unterschiedlichen kulturellen Normen vereinbar sind.» Dazu zählen gegenseitiges Vertrauen und der Wille, tragfähige Beziehungen aufzubauen, Respekt und Toleranz, eine offene und transparente Kommunikation, ein Grundverständnis für die Arbeitsweise des anderen Bereichs sowie der Wille, sein Wissen zu teilen und Kompetenzen zu bündeln.
Dies allein genüge aber noch nicht, um taugliche Lösungen zu erarbeiten. Hierzu müsse das HR «vom Kunden her denken», die Unternehmensstrategie verinnerlichen und die HR-Arbeit daran ausrichten. Bei HR-Projekten sei zudem mit allen involvierten Stellen frühzeitig Kontakt aufzunehmen, um die Auswirkungen des Projekts zu antizipieren. Kompetenzgerangel liesse sich vermeiden, wenn Rollen und Verantwortlichkeiten klar geregelt seien.
Wie Interdisziplinarität in der Praxis gelebt wird, haben die HR-Verantwortlichen von Novartis, der Mobiliar und des Eidgenössischen Personalamts auf Nachfrage von HR Today folgendermassen präzisiert.
Novartis: Siloziele ersetzen
Für Thomas Bösch, HR-Leiter, Novartis Schweiz, ist klar: «Grundsätzlich sollte sich die HR-Arbeit an der Unternehmensstrategie sowie den dafür notwendigen Kompetenzen und Verhaltensweisen orientieren.» Dies funktioniere jedoch nur mit interdisziplinärer Zusammenarbeit. Mit Big Data, der Vernetzung der Arbeitsabläufe vom Lieferanten bis zum Service Center sowie neuen Arbeitsmodellen sei die bereichsübergreifende Zusammenarbeit wichtiger und anspruchsvoller geworden. «Deshalb haben wir unsere Werte neu definiert und kommuniziert, welche Erwartungen wir an eine Zusammenarbeit haben. Seit drei Jahren setzen wir unser Changemanagement-Programm konsequent um, belohnen richtiges Verhalten und adressieren negatives», erklärt Thomas Bösch. «So gewichten wir bei den individuellen Leistungsvereinbarungen beispielsweise das Verhalten gleichwertig mit der Erreichung der qualitativen und quantitativen Ziele. Ausserdem haben wir unsere ‹Siloziele› durch gemeinsam zu erreichende Unternehmensziele ersetzt, denn eine interdisziplinäre Zusammenarbeit bedingt eine konstruktive Unternehmenskultur, bei der Schnittstellen und Verantwortungen lösungsorientiert diskutiert werden.»
Eidg. Personalamt: Sprache lernen
Barbara Schaerer, Direktorin, des Eidgenössischen Personalamts, hält fest: «Um Aufträge oder Projekte abzuwickeln, müssen HR-Fachkräfte aufgrund des komplexer und vernetzter werdenden Umfelds bereit sein, sich mit anderen Fachdisziplinen auseinanderzusetzen, deren ‹Sprache› zu lernen und sich kurzfristig Grundkenntnisse aus anderen Bereichen anzueignen.» Wenn Spezialwissen nötig sei, müsse das HR weitere Fachpersonen beiziehen. Etwa bei der Frage, wie die Arbeitsplätze der Zukunft aussehen. «Dort arbeiten Logistik-, IT- und HR-Fachexperten sowie Psychologen zusammen und schaffen gemeinsam eine Lösung, die den verschiedenen Bedürfnissen gerecht wird», sagt Schaerer. «Bei schwierigen Personalfragen zieht das HR die Linie sowie den Rechtsdienst bei und bei der Einführung eines IT-gestützten Personalführungsinstruments arbeiten HR und IT Hand in Hand. Nur mit einem solchen situativen und flexiblen Vorgehen wird das HR in der Lage sein, die künftigen Herausforderungen zu meistern.»
Mobiliar: Vom Leadership zum Netship
«Für den langfristigen Unternehmenserfolg und eine hohe Kundenzufriedenheit müssen die Kultur und das Verhalten in der Organisation übereinstimmen», sagt Nathalie Bourqenoud, Leiterin Human Development bei der Mobiliar. Dies sei nur erreichbar, wenn die Zusammenarbeit zwischen den Bereichen vereinfacht würde und die Transparenz sowie die Kommunikation untereinander gefördert würden. «Schon darüber zu sprechen, dient der Entwicklung der Arbeitskultur. In interdisziplinären Teams zu arbeiten, fördert die Offenheit im gesamten Unternehmen. Diese Teams verändern auch die Logik einer Organisation», erklärt Bourqenoud. «Wir bewegen uns vom Funktions- zum Rollenverständnis und vom Leader- zum Netship. Damit werden viele HR-Instrumente infrage gestellt, die auf klassisch-hierarchischen Organisationen aufbauen. Um diese neue Methoden und HR-Instrumente zu testen und konkrete Erfahrungen zu sammeln, muss das HR als Vorbild vorangehen.»