«Der Firmenwagen wird abgelöst durch flexible Arbeitszeitmodelle»
Was ist Employer Branding? Diese Frage mag heute obsolet erscheinen. Vor sechzehn Jahren stellten viele Unternehmen jedoch vermehrt fest, dass sie ihre «Arbeitsstellen vermarkten und verkaufen müssen». Gründe dafür sah Thomas Rudolph, heute Betriebswirtschafts- und Marketingprofessor an der Universität St.Gallen, in der erhöhten Verknappung und dem daraus resultierenden verschärften Wettbewerb um begehrte Fachkräfte. Heute reicht die Vermarktung der Arbeitsstellen für ihn nicht mehr, um Mitarbeitende zu binden.
«Ein attraktives Angebot verfehlt sein Ziel, wenn es nicht aktiv kommuniziert und von der Zielgruppe wahrgenommen wird», schrieb Thomas Rudolph in der HR Today-Ausgabe Anfang 2002. (Bild: HR Today)
Um junge Arbeitskräfte zu gewinnen, müsse ein Unternehmen sich als starke, positiv wahrgenommene Marke positionieren, konstatierte Thomas Rudolph 2002 in der März-Ausgabe von HR Today. Nur so könne dieses den begehrten Nachwuchs früh an sich binden und aus einem Pool von High Potentials neues Personal rekrutieren. Dabei gelte es den Wertewandel zu beachten, welche die nachfolgende Arbeitskräftegeneration anstosse.
So würden materielle Entschädigungen weniger wichtig, Arbeitszeitflexibilität und ein angenehmes Arbeitsklima hingegen wichtiger. «Diese Art der Marketing-Kommunikation greift heute zu kurz», meint er rückblickend. «Firmen brauchen eine Vision und eine Mission, um Mitarbeitende zu begeistern und zu binden.»
Herr Rudolph, blickt man zurück, hat man den Eindruck, «Employer Branding» sei im Jahr 2002 erfunden worden. Inwiefern ist dies zutreffend?
Thomas Rudolph: Der Begriff «Employer Branding» kam 1996 erstmals in einer Studie von Simon Barrow und Tim Ambler vor, in welcher die Forschenden den psychologische Nutzen davon erklärten. So gesehen standen wir im Jahr 2002 erst am Anfang.
2004 folgte eine Studie von Sullivan, die belegte, dass Firmen als einzigartig wahrgenommen werden müssen, um qualifiziertes Personal zu gewinnen. Der Anforderungskatalog an die Unternehmen ist seither umfassender geworden. Unternehmen müssen heute «great places to work» sein.
Inwiefern sind «Employer Branding» oder «War for talents» Modewörter?
Der Begriff «Employer Branding» hat wohl eine längere Haltbarkeit. «War for talents» hört man nicht mehr so oft. «War» hat ja auch eine sehr negative Konnotation. Das Problem des Fachkräftemangels ist jedoch bestimmt nicht kleiner geworden. So sind qualifizierte Wissensarbeiter in unserer Dienstleistungsgesellschaft viel stärker gefragt und können den Arbeitgeber viel schneller wechseln.
Serie: 20 Jahre HR Today
HR Today wird 20 Jahre alt. Am 5. Juni 2018 feiern wir unser Jubiläum. Bis dahin blicken wir jede zweite Woche zurück auf den HR-Diskurs der vergangenen 20 Jahre. Dafür haben wir im Archiv gekramt, alte Artikel ausgegraben und uns auf die Suche gemacht nach den damaligen Protagonistinnen und Protagonisten sowie ehemaligen Chefredaktorinnen, um mit ihnen über die Entwicklungen im HR zu sprechen. Zur Übersicht
Haben die Unternehmen heute verstanden, worum es beim «Employer Branding» geht?
Ein Stück weit schon. So wollen sich alle Firmen als einzigartig und bedeutsam positionieren. Es reicht jedoch nicht, Hochglanz-Unternehmensbroschüren herzustellen und Trainee-Programme anzubieten. Es geht vermehrt um Unternehmenswerte und die Unternehmenskultur.
Wofür setzen wir uns ein? Was ist unsere Mission und wie wollen wir die Gesellschaft weiterbringen? Der Sinn der Arbeit, Freiräume und Entwicklungsmöglichkeiten sind ausschlaggebend, um loyale, zufriedene und ermächtigte Arbeitnehmende zu haben. Nur wenn diese Punkte erfüllt sind, leisten Mitarbeitende Überdurchschnittliches.
Oder ist der Fachkräftemangel eine Folge eines schlechten oder fehlenden «Employer Brandings»?
Das mag einen Einfluss haben, es gibt aber auch andere Faktoren. Wir befinden uns inmitten eines demografischen Wandels. Die Zahl der Nachwuchskräfte wird kleiner, obwohl die Nachfrage steigt. Die Unternehmen geben sich Mühe und haben ihre Marketing-Tools verbessert, allerdings haben Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer ihre Ansprüche erhöht.
Wenn Sie den Artikel nochmals neu schreiben könnten, was würden Sie heute ändern?
Ich würde das «Employer Branding» heute um einige Aspekte des sogenannten «Empowerments» ergänzen. Arbeitnehmende brauchen ein gewisses Mass an Autonomie, müssen Resultate aktiv beeinflussen können. Monetäre Anreize sind nach wie vor wichtig, reichen aber zur Differenzierung gegenüber anderen Arbeitgebern nicht mehr aus. Stattdessen wird Immaterielles wichtiger. Der Firmenwagen wird abgelöst durch flexible Arbeitszeitmodelle, um es überspitzt zu sagen. Mit den genannten Aspekten geht eine hohes Niveau an transparenter Information einher. Arbeitnehmer wollen wissen, wie und warum sie sich in ein Unternehmen einbringen können. Das «Empowerment»-Gefühl zu fördern, wird zu den Kernaufgaben des künftigen HRM zählen.
Zur Person
Prof. Dr. Thomas Rudolph ist Professor für Betriebswirtschaft und Marketing an der Universität St. Gallen sowie Direktor des Forschungszentrums für Handelsmanagement und des Gottlieb Duttweiler-Lehrstuhls für internationales Handelsmanagement. Zu seinen thematischen Schwerpunkten gehören das strategische Handelsmanagement, Kaufverhalten, Marktforschung, Positionierung und Profilierung von Verkaufsstellen, Cross-Channel-Management, E-Commerce, Transformation von Geschäftsmodellen und Employee Empowerment.