HR Today Nr. 3/2019: Lichterlöschen – Vor dem Aus

Rien ne va plus

OVS-Betreiber Sempione Fashion, Werbevermarkterin Publicitas und die Berner Airline Skywork: Sie alle haben letztes Jahr Pleite gemacht. Doch auch hinter weniger bekannten Fällen stecken tragische Geschichten. Human Resources ist in solchen Fällen besonders gefordert, denn die Mitarbeitenden sind von einem Konkurs direkt und an vorderster Front betroffen.

Exakt 4813 Firmen waren in der Schweiz 2018 in ein Insolvenzverfahren verwickelt. Das zeigt eine aktuelle Bisnode-D&B-Studie. Im Baugewerbe, bei den Handwerksbetrieben sowie im Gastgewerbe herrscht dabei die höchste Konkursgefahr. Das Pleiterisiko solcher Unternehmen ist doppelt so hoch wie in anderen Branchen.

Es gibt noch weitere relevante Faktoren wie etwa das Gründungsjahr: Rund die Hälfte aller Konkurse betreffen Unternehmen, die vor weniger als fünf Jahren gegründet wurden. Auch die Rechtsform ist relevant. So kann die höhere Kapitalausstattung einer AG im Vergleich zur GmbH verhindern, dass ein Unternehmen wegen eines leichten finanziellen Engpasses in arge Schwierigkeiten gerät.

Die Finanzzahlen einer Unternehmung scheinen nur teilweise einen Hinweis auf eine mögliche Pleite zu geben. So verzeichneten gemäss einer Studie von Eco’Diagnostic, welche die Finanzzahlen von 400 gescheiterten Unternehmen untersucht, dass nur 40 Prozent der Firmen vor ihrem Konkurs einen deutlichen Umsatzrückgang erlitten. 25 Prozent steigerten den Umsatz sogar, trotzdem wurde die Firma dann zahlungsunfähig.

Eine Zahlungsunfähigkeit kann viele Ursachen haben. Betriebswirtschaftliche Fehlentscheidungen, strukturelle Veränderung und operative Fehlleistungen: All dies kann zu einem Liquiditätsengpass führen. Rund zehn Prozent der Konkurse entstehen aber durch einen Dominoeffekt, weil wichtige Kunden einer Unternehmung pleitegehen und die offengebliebenen Rechnungen wiederum zur Zahlungsunfähigkeit des Lieferanten führen.

Die Finanzabteilung steht in solchen Situationen in der Pflicht, durch geeignete Controlling-Systeme frühzeitig auf Engpässe hinzuweisen. Mit geeigneten Massnahmen muss sie die Zahlungsabwicklung beschleunigen, diese gegen Fehler absichern und sicherstellen, dass es keine kritischen Zahlungsausfälle gibt.

Trotz aller Vorsichtsmassnahmen kann eine Unternehmung dennoch in die Zahlungsunfähigkeit rutschen. Aus gesamtwirtschaftlicher Betrachtung sind Konkurse aber so etwas wie die Selektion in der Evolution: Wer nicht fit ist, geht unter.

Achtung: Persönliches Haftungsrisiko!

Konkurse, die zu Stellenverlusten führen, lösen kritische Fragen zur Verantwortung gegenüber dem Personal aus. Dies gilt insbesondere, wenn die konkursite Unternehmung Teil eines grösseren Konzerns ist und die Mitarbeitenden gewerkschaftlich organisiert sind. Beim Konkurs einer Aktiengesellschaft (AG) oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) werden die Schulden dem Unternehmen und nicht den verantwortlichen Personen zugeschrieben. Eine allfällige persönliche Haftung des Verwaltungsrats oder des Managements einer AG kann unter Umständen noch vor Gericht zustande kommen.

Das Gesetz verlangt, dass die Geschäftsführungsorgane ihre Aufgaben mit aller Sorgfalt erfüllen und die Interessen der Gesellschaft wahren. Die Treuepflicht bedeutet, dass ein Geschäftsführungsorgan den Interessen der Unternehmung den Vorzug gibt – vor den persönlichen Interessen.

Dabei hat das HR eine besonders wichtige Funktion: Als Drehscheibe für Mitarbeiteranliegen darf das HR bekannt gewordenes Fehlverhalten und geschäftsgefährdende Vorgänge nicht vertuschen. Es kann zwar unangenehm sein, sich gegen andere Abteilungen oder Personen zu stellen und deren Fehler zu benennen. Wer Vorkommnisse jedoch verschweigt oder verschleiert, kann im Konkursfall schwerwiegende Rechtfertigungsprobleme bekommen.

Nachträglich am Pranger

Während bei einer GmbH bei einem Konkurs die Namen der Gesellschafter auftauchen, werden bei einer AG die Namen der Zeichnungsberechtigten angezeigt – und nicht jene der Aktionäre. Es kann also durchaus sein, dass Sie 
in der Funktion als HR-Managerin plötzlich den Makel eines Konkurses auf sich tragen. 
Mögliche Wirkungen: Der Zugang zu Krediten wird erschwert, Bestellungen sind nur noch gegen Vorkasse möglich, die Kreditkartenlimite wird verringert oder bei der Stellensuche ergeben sich kritische Fragen zu ihrer Vergangenheit.

Absicherung des Managements mittels D&O-Versicherung:

Die D&O (Directors-and-Officers-Versicherung) ist eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung der Geschäftsorgane und der leitenden Angestellten einer Unternehmung. Neben den Verwaltungsratsmitgliedern unterstehen alle mit der Geschäftsführung beauftragten Personen einer D&O-Haftung. Das sind jene Personen, die Geschäftsführungsaufgaben eigenständig wahrnehmen und dabei einen entscheidenden Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft haben.

Bei Top-Managern in Geschäftsleitungsfunktionen ist diese Voraussetzung erfüllt. Auch Mitglieder einer tieferen Management-Stufe können einer D&O-Haftung unterstehen. D&O-Versicherungen umfassen üblicherweise den Rechtschutz zur Abwehr von Forderungen und andererseits die monetäre Übernahme von Forderungen.

Tipps für Arbeitnehmende im Konkursfall

Was tun, wenn der Konkurs eröffnet wird?

Üblicherweise wird die Konkursverwaltung die Anstellung auflösen, da die Arbeitsverträge nicht automatisch aufhören. Betroffene sollten sich sofort an das zuständige RAV wenden, um sich für die unmittelbare Zukunft finanziell abzusichern.

Was passiert mit dem Lohn vor der Konkurseröffnung?

Lohnansprüche, die vor dem Konkurs angefallen sind, müssen bei der Konkursverwaltung angemeldet werden. Sie gelten als Forderung erster Klasse und werden bevorzugt behandelt. 
Ab dem Publikationsdatum der Konkurseröffnung läuft eine Frist von 60 Tagen, in der 
Arbeitnehmende einen Antrag auf Insolvenzentschädigung stellen können.

Die Arbeitslosenversicherung deckt unter bestimmten Voraussetzungen die Lohnforderungen für bisher geleistete Arbeit. Dieser Schutz ist aber zeitlich auf die letzten vier Monate des Arbeitsverhältnisses beschränkt.

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Marlies Tognella-Abbrederis ist Director Human Resources bei Bisnode D&B, einem Anbieter für Data & Analytics. Die Bisnode-Gruppe mit Hauptsitz in Stockholm beschäftigt rund 2100 Mitarbeitende in 19 europäischen Ländern.

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