HR Today Nr. 10/2017: swissstaffing-News

Rosarote Tutus oder tote Bauarbeiter?

Mitarbeitende, ob festangestellt oder temporär, sollten nicht verunfallen. Viel Herzblut und eine passende Kommunikation helfen dabei. Die Autorin hat mit Personalverleihern die Erfolgsfaktoren erforscht.

Arbeitgeber haben die Pflicht, alles in ihrer Macht Stehende für den Schutz ihrer Mitarbeitenden zu unternehmen, so Art. 82 des Unfallversicherungsgesetzes (UVG). Im Fall der Temporärarbeit teilen sich der Einsatzbetrieb und der Personalverleiher die Pflichten in der Arbeitssicherheit und dem Gesundheitsschutz.

Temporärarbeitende verunfallen häufiger als der durchschnittliche Versicherte. Das zeigen die Suva-Statistiken der letzten Jahre1. Sie sind meist nur für kurze Zeit in einem Unternehmen, kommen gerade aus der Ausbildung und viele arbeiten in Branchen mit hohem Risiko wie zum Beispiel auf dem Bau. Ein neuer Mitarbeiter hat ein 50 Prozent höheres Risiko zu verunfallen2. Auch Temporärarbeitende sind immer wieder neu in einem Betrieb und benötigen deshalb umso bessere Einweisung in die Schutzmassnahmen. Im Stress, zum Beispiel wenn ein bestehender Mitarbeiter bei einem Projekt ausfällt und ein temporärer Mitarbeiter diese Lücke füllt, darf die Sicherheit nicht zu kurz kommen. Vom temporären Mitarbeiter wird erwartet, dass er sogleich alle Tätigkeiten beherrscht. Umso wichtiger, dass der Personalverleiher und der Einsatzbetrieb klare Richtlinien haben und die Einweisung auch bei grossem Zeitdruck nicht vergessen geht.

Dies ist keine einfache Aufgabe. Die Personalverleiher überwinden viele Hürden – sprachliche, kulturelle und teilweise sogar fachliche –, um ihren temporären Mitarbeitenden die bestmögliche Unterstützung zu bieten. Je nach Branche sind andere Massnahmen gefordert. Eine grosse Herausforderung besteht darin, die Mitarbeitenden von der Wichtigkeit der Arbeitssicherheit zu überzeugen und sich Gehör zu verschaffen.

Mit Herzblut für die Sicherheit

Grundsätzlich würden die Instruktion der Mitarbeitenden, die Abgabe von Broschüren und Material sowie in gewissen Branchen das Bestehen des Sicherheitstests reichen, um die Pflichten von Seiten der Personalverleiher zu erfüllen. Viele Personalverleiher engagieren sich jedoch weit darüber hinaus. Schwierig erweist sich allerdings der limitierte Einfluss der Personalverleiher, da sie nicht am Arbeitsort dabei sind und nur präventiv arbeiten können. Nichtsdestotrotz sind sie der rechtliche Arbeitgeber und bei einem Unfall zuständig.

Susanne Kuntner ist Inhaberin und Geschäftsführerin der «mein job zürich gmbh» und vermittelt vor allem in der Baubranche. Arbeitssicherheit hat für sie im Geschäftsalltag hohe Priorität: «Mir liegt die Gesundheit meiner Mitarbeitenden sehr am Herzen. Sie sind mein Ein und Alles. » Das bedeutet für sie, ihre Mitarbeitenden zu begleiten und sich auch mal am Wochenende Zeit zu nehmen, um mit einem neuen Mitarbeiter den Suva-Sicherheitstest auf dem PC zu begleiten. Wenn sie dann von den Kunden das Feedback erhalte, dass ihre Leute gut ausgerüstet seien, sorgsam mit den Gerätschaften umgingen, wüssten, wie sie sich auf der Baustelle bewegen müssten, und schlichtweg einfach gute Leute seien, dann sei sie sehr stolz.

Ein gutes Engagement in der Arbeitssicherheit spricht für die Professionalität des Personalverleihers. Matthias Deck, Geschäftsführer der Excellent Personaldienstleistungen Baden AG, konstatiert hier über die letzten Jahre eine grosse Entwicklung: «Der Personalberater ist ein Dienstleister mit Verantwortung. Er sieht seinen temporären Mitarbeiter nicht nur als Arbeitskraft, sondern als Menschen, der eine gute Betreuung braucht – von der Sicherheit bis zu einer guten Unterkunft.»

Das Experiment

Im Rahmen ihres MAS in Business Communications an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich (HWZ) hat Julia Bryner die Thesis «Wirksame Kommunikation mit Arbeitgebern zur Unfallverhütung am Beispiel von swissstaffing» verfasst. In der Arbeit wurde mittels eines Newsletter-Experiments getestet, welche Botschaft (neutral, positiv, negativ, Schock) zum grössten Engagement führt. Ebenfalls wurden Interviews mit sechs Personalverleihern geführt, um Motivation und Schwierigkeiten in der Arbeitssicherheit aufzudecken. Der vorliegende Artikel basiert auf den Ergebnissen dieser Master-Thesis.

Ein Personalverleiher, der verschiedene Branchen betreut, ist mit einer grossen Vielfalt an Sicherheitsregeln konfrontiert. Von grossen Unternehmen werden zudem häufig weitere Auflagen gemacht, etwa bei der Abgabe der Sicherheitsausrüstung. Das kann für Personalberater im Alltag eine Herausforderung sein. Das hat auch die «das team ag» erkannt. Martin Kunz, Personalberater bei «das team ag» in Basel, hat kürzlich die Ausbildung zum SiBe-Sicherheitsassistenten absolviert und ist Fachmann für alle Fragen rund um Sicherheit. Michael Niggli, Filialleiter der «das team ag» bestätigt: «Es hat ein enormer Wandel stattgefunden. Heute sind die Sicherheitsvorschriften wirklich zentral und sehr strikt. Wir möchten immer einen Schritt voraus sein und können mit Martin Kunz die Sicherheitsbedürfnisse der Kunden nun professionell abklären.»

Schock oder Motivation?

Für Sicherheitsverantwortliche, aber auch für HR-Fachleute, Personalberater und Organisationen stellt sich immer wieder die Frage: Wie dringe ich durch mit meiner Sicherheitsbotschaft und wie kann ich motivieren? Klar ist: Eine personalisierte und emotionale Geschichte ist effektiver als trockene Fakten (siehe Box oben). Ebenso hat sich gezeigt, dass eine Visualisierung hilfreich ist. Bilder zu verwenden, hilft dabei, die Sicherheitsbotschaft zu verdeutlichen und Aufmerksamkeit zu erregen. Auch eine klare Handlungsaufforderung verstärkt die Sicherheitsbotschaft und gibt dem Empfänger die Möglichkeit, direkt zu reagieren. Wichtig ist auch, die Zielgruppe zu kennen: In der Romandie kommen emotionale und negative Botschaften besser an, während in der Deutschschweiz positive Botschaften eher Anklang finden. Je nach Zielgruppe könnten somit Bauarbeiter in rosaroten Tutus genauso effektiv sein wie ein toter Bauarbeiter. Mit einer stimmigen Geschichte, Bild und Handlungsaufforderung kann bereits eine effektive Kommunikationsmassnahme gestaltet werden.

Arbeitssicherheit in Zukunft

Unsere Arbeitswelt flexibilisiert sich zunehmend. Mit Gig-Work, Crowdworkern und Freelancern stellen sich neue Herausforderungen für die Sicherheit der Mitarbeitenden. Arbeitnehmer sind vermehrt mit neuen Arbeitsorten, Personen und Aufgaben konfrontiert und somit auch mit einer erhöhten Unfallgefährdung. Diese Veränderungen brauchen vermehrt Instruktionen und engagierte Botschafter bei den Personalverleihbetrieben wie auch bei den Unternehmen selbst. Auch Verbände und Organisationen sind gefordert. Eine gute Kommunikation dient der Sicherheit und sensibilisiert sowohl vor als auch während des Arbeitseinsatzes für die Beachtung der Regeln. Neue Technologien in der Sicherheitsschulung – wie etwa Sensibilisierungsvideos mittels Smartphone – sollten somit auch für die Arbeitssicherheit ausgeschöpft werden.

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Julia Bryner

Julia Bryner ist Leiterin Operations & Mitgliederservices bei swissstaffing.

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