Georg Lange
Aus Sicht des Vorgesetzten birgt eine Vernetzung mit Mitarbeitenden auf den Sozialen Medien potenzielle Schwierigkeiten. Es gibt zwar Vorgesetzte, die ein Team führen und über Hierarchien hinweg kommunizieren, doch wenn es letztendlich um Performanceangelegenheiten, Restrukturierungen oder gar Kündigungen geht, sind Führungskräfte alleine in der Pflicht. Eine Freundschaft zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden auf den Sozialen Medien ist aus meiner Sicht deswegen eher hinderlich.
In guten Zeiten mag eine solche Beziehung attraktiv sein, doch wenn sich die Umstände ändern, sind orientierungsbietende Grenzen bereits überschritten oder verwässert.
Zusätzlich ist zu bedenken, dass Arbeitnehmende eine Vernetzungsanfrage ihres Vorgesetzten als verpflichtend verstehen könnten und sich nicht trauen, diese abzulehnen. So werden Grenzen potenziell überschritten.
Im schlimmsten Fall könnte eine Vernetzungsanfrage des Chefs als sexuelle Belästigung interpretiert werden. Auf stärker regulierten Arbeitsmärkten wie in Deutschland könnte eine Vernetzungsanfrage eines Vorgesetzen und die daraus resultierende Verbindung sogar als unerlaubte Kontrolle über die Aktivitäten eines Arbeitnehmenden wahrgenommen werden.
Wenn umgekehrt Arbeitnehmende ihren Vorgesetzten eine Vernetzungsanfrage schicken, können ähnliche Irritationen entstehen. Dass es innerhalb der Linie Kommunikationswege gibt, hat gute Gründe. Diese über die Sozialen Medien zu verlassen, kann deshalb nur zu Konfusion und zu Missverständnissen führen, denn es werden Grenzen verletzt, wenn Vorgesetzte Weisungen oder Massnahmen innerhalb bestimmter Gruppen kommunizieren oder durchsetzen müssen.
Es besteht zudem die Gefahr, dass Betriebsinterna über die Sozialen Medien die vorgesehenen Wege verlassen oder zumindest zum falschen Zeitpunkt kommuniziert werden.
Last but not least: Ich persönlich nutze Soziale Medien sehr intensiv mit Tausenden von Kontakten und schätze den Austausch mit Mitgliedern meines weltweiten Netzwerks sowie die Inspiration, die ich daraus ziehe. Meinen Chef sehe ich jedoch fast jeden Tag. Wir diskutieren immer wieder über Inputs aus unseren sozialen Netzwerken. Da wir diesen persönlichen Austausch pflegen, müssen wir nicht auch innerhalb unserer sozialen Netzwerke vernetzt sein.
Abschliessend möchte ich empfehlen, dass Unternehmen gut beraten sind, klare Anweisungen für die Kommunikation zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten vorzugeben. Diese beinhalten auch, wie Soziale Medien über alle Hierarchiestufen verwendet werden sollen. Dafür müssen die Unternehmen jedoch erst einen Umgang damit entwickeln, denn die Digitalisierung schreitet derart schnell voran, dass dieser oft noch fehlt.