Der Mastermind
John Stepper gilt als Erfinder von «Working Out Loud», einer Methode, welche die Zusammenarbeit innerhalb eines Unternehmens fördern soll. Wir haben uns mit ihm über diese Methode unterhalten.
«Working Out Loud ist das fehlende Puzzleteil im Change-Programm», sagt John Stepper, Erfinder der WOL-Methode. (Bild: 123RF)
John, Sie werden als Erfinder von WOL gefeiert. Weshalb haben Sie diese Methode entwickelt?
John Stepper: Ich habe 30 Jahre in Grossunternehmen gearbeitet und fast mein ganzes Leben lang Karriere-Roulett gespielt, ohne mir dessen bewusst zu sein. Die meiste Zeit hatte ich einfach Glück. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort, hatte gute Projekte und mächtige Sponsoren. Dann wurde ich beinahe entlassen. Das hat mein Selbstbewusstsein mächtig erschüttert. Da realisierte ich, wie wenig Kontrolle ich über meine Karriere hatte und dass alle anderen auch Karriere-Roulett spielen. Jedes Mal, wenn ein neuer Vorgesetzter auftaucht oder eine Reorganisation stattfindet, wird am Roulette-Rad gedreht.
Dieser Kontrollverlust führt dazu, dass kluge und fähige Menschen ängstlich und defensiv werden, miteinander im Wettkampf stehen und weniger herzlich zueinander sind. Ich war mir sicher, dass es einen besseren Weg geben muss, um miteinander zu arbeiten. Ich habe danach gesucht und Working Out Loud als Haltung und als Methode entwickelt, die andere auch verwenden können.
Ist Working Out Loud nicht einfach ein anderes Wort für Netzwerken?
Das uns bekannte Netzwerken fühlt sich an, als wolle man nur etwas bekommen. Bei Working Out Loud geht es hingegen darum, einen Beitrag für Menschen zu leisten, die einem bei der Umsetzung eigener Projekte helfen können. Ein solcher Beitrag kann darin bestehen, jemandem Beachtung und Wertschätzung zu schenken oder Erfahrungen zu teilen, die anderen nützlich sein können.
Working Out Loud ist nicht manipulativ oder unecht. Man zählt keine Punkte oder erwartet etwas im Gegenzug. Mit der Zeit führen die eigenen Beiträge dazu, dass einem andere vertrauen. Ausserdem entsteht ein Verbundenheitsgefühl zu anderen Menschen. Das erhöht die Chance, sich auch künftig mit ihnen auszutauschen oder zusammenzuarbeiten.
Das klingt nach altem Wein in neuen Schläuchen. Was ist wirklich neu daran?
Keine dieser Ideen ist wirklich neu. Ich habe bloss nützliche Konzepte und Methoden gesammelt und neu verpackt, damit Menschen diese Methoden in einem psychologisch sicheren Umfeld ausprobieren können, bis sie sich neue Gewohnheiten und ein neues Mindset angeeignet haben. Es geht darum, seine Karriere besser zu gestalten und allgemein ein besseres Leben zu führen. «Besser» kann für den Einzelnen bedeuten, dass er effektiver wird, in dem, was er tut, und eine Gelegenheit findet, sein Potenzial zu entfalten. Es kann aber auch heissen, die Art und Weise, wie man zusammenarbeitet, zu verändern.
WOL soll ein Gefühl von Selbstbestimmtheit und einen Arbeits- sowie einen Lebenssinn vermitteln. Das kann sich auf verschiedene Arten manifestieren. Einen Studienabgänger kann es beispielsweise befähigen, verschiedene Karrierepfade zu erkunden und ein Netzwerk aufzubauen. Menschen im mittleren Alter kann WOL aufzeigen, wie sie das Beste aus ihrem bisherigen Job herausholen. Es ist eine Art des Netzwerkens mit einem menschlichen Drehpunkt. Im Fokus steht dabei, tragfeste Beziehungen aufzubauen.
Ist Netzwerken nicht eine natürliche Sache?
Meiner Ansicht nach nicht. Denken Sie nur an all die Netzwerkevents mit oberflächlichem Geplauder und den Austausch von Visitenkarten bei Snacks und Alkohol. Natürlich sind diese Events nicht per se schlecht. Aber wie viele bedeutende Beziehungen sind daraus hervorgegangen?
Was bringt WOL den Unternehmen?
Wir haben Mitarbeitende viele Jahre lang daraufhin trainiert, auf Vorgaben zu warten und diese einzuhalten, sich im internen Wettbewerb durchzusetzen und sich der Position im Organigramm anzupassen. Heute sollen Mitarbeitende dagegen einen Sinn für die Auswirkungen ihrer Arbeit entwickeln, auf der Arbeit anderer aufbauen, ihre Arbeit teilen, um Innovation zu ermöglichen und verhindern, dass sich dieselben Fehler wiederholen. Dazu sollen sie sich mit anderen Mitarbeitenden verbinden und mit ihnen zusammenarbeiten, ohne dass dies befohlen wird.
Working Out Loud ist in diesem Kontext für viele Firmen das fehlende Puzzleteil in ihren Change-Programmen. Eines, das die intrinsische Motivation der Mitarbeitenden anzapft, sich den neuen Arbeitsweisen anzupassen, und sie ausstattet, damit sie deren Möglichkeiten ausschöpfen können. Die Führungskräfte der meisten Firmen sind überzeugt, dass sie und ihre Mitarbeitenden anders arbeiten müssen. Sie verstehen die VUCA-Welt. Sie wissen nur nicht, wie sie das Verhalten der Menschen in ihrer Organisation ändern können. Die Unbeweglichkeit vieler Firmen ist sehr hartnäckig, denn Firmen-Antikörper tendieren dazu, neue Arten der Zusammenarbeit abzuwehren.
In welchen Firmen gedeiht Working Out Loud?
Meine Definition von «gedeihen» mag sich von Ihrer unterscheiden. Es braucht nur eine Person, um einen Working-Out-Loud-Kreis zu starten und damit den Samen zur Verhaltensänderung im Unternehmen zu säen. Man muss nicht alle Mitarbeitenden erreichen, um einen Kulturwandel voranzutreiben. Ich glaube indes, dass fast alle Unternehmen fünf bis fünfzehn Prozent ihrer Mitarbeitenden erreichen. Das genügt, um die Firmenkultur bedeutend zu verändern.
Working Out Loud (WOL)
Als Working Out Loud (WOL) wird eine Mentalität der Zusammenarbeit und eine darauf aufbauende Selbstlernmethode bezeichnet. John Stepper entwickelte die Methode und machte sie mit seinem 2015 veröffentlichten Buch «Working Out Loud» bekannt. Darin beschreibt Stepper WOL als einen Weg, um Beziehungen aufzubauen, die einem helfen ein Ziel zu erreichen, eine Fähigkeit zu entwickeln oder ein neues Thema zu entdecken. Anstatt zu netzwerken, um etwas zu bekommen, soll in Beziehungen investiert werden. Durch das Einbringen von Beiträgen aus eigener Arbeit und Erfahrungen werde jeder Teilnehmer im Lauf der Zeit besser sichtbar. workingoutloud.com