Die Helden von Abu Dhabi
Mit 20 Medaillen hat die Schweizer Delegation an den Berufs-Weltmeisterschaften «World Skills» das beste Resultat aller Zeiten erzielt. Als bestes Team Europas belegte die Schweiz in der Nationenwertung den zweiten Rang – einzig geschlagen von China. – Grund genug für eine Hommage an den Schweizer Berufsnachwuchs und dessen Förderer.
Die Schweizer Goldmedaillen-Gewinner der Berufs-Weltmeisterschaften «Worldskills» 2017 in Abu Dhabi im Siegestaumel. (Bild: Michael Zanghellini)
Fast wie ein Märchen aus 1001 Nacht endeten Mitte Oktober die 44. Berufs-Weltmeisterschaften «World Skills» in Abu Dhabi, die zum ersten Mal auf der arabischen Halbinsel stattfanden. Nun sind die Meisterschaften Geschichte. Und die Schweizer Delegation hat Geschichte geschrieben.
Mit 20 Medaillen – davon elf Gold-, sechs Silber- und drei Bronzemedaillen – gab es für eine Schweizer Delegation an einer Berufs-Weltmeisterschaft tatsächlich noch nie einen derart überragenden Erfolg zu feiern. Bei insgesamt 51 Berufsgattungen hat das Schweizer Team somit in einem Fünftel aller Disziplinen die höchste Stufe des Siegerpodests erreicht. Nicht zu vergessen die 13 Diplome für ebenfalls herausragende Leistungen sowie drei Zertifikate. Damit haben über 90 Prozent des «Swiss Skills»-Teams mindestens ein Diplom erlangt.
Beste Nation Europas
Auch gemessen an der durchschnittlichen Medaillenpunktzahl steigen unsere jungen Berufsleute im Nationenranking gemeinsam aufs Treppchen. Mit dem zweiten Rang in der Nationenwertung ist und bleibt das «Swiss Skills»-Team unangefochten und mit Abstand die beste Nation Europas.
Einer der Helden von Abu Dhabi ist der Berner Oberländer Beat Schranz (21). Der Elektroinstallateur aus Adelboden hat sich mit harter Arbeit eine Goldmedaille erarbeitet. Doch damit nicht genug: Nach der Einzel-Siegerehrung wurde er gleich nochmals auf die Bühne gerufen und erhielt eine weitere Goldmedaille als «Best of Nation» mit der höchsten Punktzahl des Schweizer Teams. Er könne es noch gar nicht richtig fassen, sagte er sichtlich bewegt. Am ersten Tag sei es ihm nicht gut gelaufen, er sei zwar fertig geworden, habe aber einige Abstriche machen müssen. Dass er jetzt tatsächlich als einer der Weltbesten seines Berufstandes mit der Schweizer Fahne auf die Bühne gehen dürfe, sei «schlicht unglaublich.»
Schweiss und Tränen
Auch die 21-jährige St. Gallerin Tatjana Caviezel, frischgebackene Weltmeisterin in der Beruf skategorie Restaurant Service ringt nach Worten: «Wir haben so viel trainiert, um die Goldmedaille nach Hause zu holen, jetzt haben wir es geschafft.» Unmittelbar nach der grossen Schlussfeier steht sie vor dem Radiomikrofon und spricht mit brüchiger Stimme und etwas feuchten Augen. «Ich habe nicht mehr daran geglaubt, es ging mir körperlich teilweise nicht so gut. Trotzdem habe ich es durchgezogen. Und jetzt hat es doch gereicht.» Grosse Unterstützung hat sie von ihrer ganzen Familie bekommen, die sie auch nach Abu Dhabi begleitet hat. Und speziell auch von ihrem Experten Martin Erlacher, dem sie ein «ganz grosses Dankeschön» ausspricht: «Ohne ihn hätte ich das nie geschafft.»
Apropos Experten: Die Frauen und Männer des «Swiss Skills»-Teams haben am Wettbewerb herausragende Leistungen gezeigt. Dass der Wettbewerb aber überhaupt stattfinden konnte, ist namentlich eben jenen Expertinnen und Experten zu verdanken. So hätten sie gerade in der Woche vor den Wettkampftagen einige Herausforderungen meistern müssen, erinnert sich Rico Cioccarelli, Technischer Delegierter von «Swiss Skills». Er muss es wissen, ist er doch seit über 25 Jahren mit von der Partie und inzwischen eine eigentliche Instanz in Fragen der Durchführung von Berufs-Wettbewerben mit einem entsprechend grossen Kontaktnetzwerk in die «World Skills»-Organisation hinein.
Kompliment ans Expertenteam Umso mehr zählt sein Urteil, wenn er sagt: «Den Expertinnen und Experten gebührt ein Riesenkompliment. Die Vorbereitungen waren so herausfordernd wie noch nie.» Erst durch deren Einsatz sei es möglich gewesen, einen fairen und korrekten Wettkampf durchzuführen, zeigt er sich sichtlich stolz auf «sein» Experten-Team sowie deren Kolleginnen und Kollegen aus allen teilnehmenden Nationen.
Auch für Delegationsleiterin Christine Davatz war es ein «emotionsgeladener» Moment, als dieser sensationelle Erfolg bekannt wurde: «Doch das ist kein Zufall. Alle rund um das Team haben sich wahnsinnig eingesetzt», erklärt sie. Die
Vorbereitung und die Zusammenarbeit hätten einfach gestimmt: «Und das ist nun das Resultat davon.»
Frenetischer Empfang
Nach der Rückkehr in die Schweiz empfingen rund 1000 Fans die Helden von Abu Dhabi in der Messe Zürich zu einem furiosen Welcome-Event.
Der Empfang war schlicht überwältigend. Rund 1000 Angehörige, Freunde, Arbeitskollegen und Fans erwarteten das Swiss Skills- Team. Eine imposante Kulisse fürs Auge wie fürs Ohr: Transparente, ein rot-weisses Fahnen- und Fähnchenmeer, ohrenbetäubendes Kuhglockengeläut.
Und auch bundesrätliche Glückwünsche durfte das Schweizer Team entgegennehmen. Bundesrat Johann Schneider-Ammann, Vorsteher des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF, liess es sich nicht nehmen, den jungen Berufsleuten persönlich zu ihrem grossen Erfolg zu gratulieren. Er sei wahnsinnig stolz auf diese Equipe, sagt er: «Dieser Erfolg ist eine Entschädigung für sehr viel Aufwand – eine Motivationsspritze in die Zukunft, wie sie besser nicht sein könnte.»
Reto Wyss, Stiftungsratspräsident von Swiss Skills, begrüsste die Fangemeinde und sprach dem Team voller Stolz seine Bewunderung für die herausragende Leistung aus. Daneben betonte er erneut, wie wichtig die Unterstützung der Expertinnen und Experten für ein derart erfolgreiches Abschneiden sei. Wie die Wettkämpferinnen und Wettkämpfer selber hätten sich auch diese mit unglaublichem Engagement eingesetzt und diesen Erfolg möglich gemacht – dafür gebühre ihnen ein besonderer Dank.
Zurück in der Realität
Die eine oder der andere aus der Delegation hat sich nach der Heimkehr zwar einen freien Tag gegönnt oder vom Arbeitgeber bekommen,
einige wenige haben sich eine kurze (aber verdiente) Auszeit genommen. Die meisten aber sind inzwischen bereits wieder im ganz normalen Arbeitsalltag angekommen. Hier wartet, besonders auf die Wettkämpferinnen und Wettkämpfer, eine ganz neue Herausforderung. Noch einmal ist ihr Durchhaltewillen gefragt: Vor unzähligen Mikrofonen und Kameras müssen sie wieder und wieder ihre Leistungen kommentieren und von ihren Eindrücken in Abu Dhabi berichten. Ob lokal, regional oder national: Zeitungen, Radio- und TV-Stationen wollen «ihre» Wettkämpferinnen und Wettkämpfer für das Publikum porträtieren. Das ist für manche fast so streng wie der Wettkampf. (Swiss Skills/sb)