Mentoring für den HR-Nachwuchs
Mentoring-Programme, wo erfahrene Mentoren auf jüngere Mentees treffen, erfreuen sich grosser Beliebtheit. Auch in der HR-Welt. Einblick in die Zusammenarbeit dreier Mentoring-Tandems.
Beide Seiten profitieren vom Mentoring – darüber sind sich die befragten Tandems einig. (Bild: 123RF)
Junge HR-Fachleute lernen von erfahrenen HR-Persönlichkeiten – und umgekehrt. So lässt sich das Mentoring-Programm «young@ZGP» auf eine kurze Formel bringen. Die Junior-Community der Zürcher Gesellschaft für Personal-Management (ZGP) vermittelt interessierten HR-Nachwuchskräften zwischen 22 und 38 Jahren einen passenden Mentor oder eine Mentorin. Im Rahmen des einjährigen Mentoring-Programms vereinbaren Mentee und Mentor mindestens sechs Treffen à zwei bis drei Stunden.
Keine Frage von Richtig oder Falsch
Michèle Spörri, Leiterin Personal bei der Enea GmbH, einem internationalen Unternehmen für Landschaftsarchitektur aus Rapperswil-Jona, hat sich als Mentee für das Programm der ZGP angemeldet, nachdem sie mit der aktuellen Stelle eine leitende Position übernommen hatte. Das erste Mal in einer Funktion mit einer grösseren Entscheidungsbefugnis sei es für sie wichtig gewesen, an Selbstvertrauen zu gewinnen.
Ihre Mentorin Sabine Schneider, HR-Business-Partnerin im Universitätsspital Zürich, habe sie darin bestärkt, ihre Entscheide schneller umzusetzen und an ihnen festzuhalten, wenn sie sie einmal als richtig befunden habe.
Auch das Rollenverständnis von ihr als HR-Leiterin gegenüber den Abteilungsleitern sei ein wichtiges Thema gewesen, erklärt Spörri. Zudem hatten sie sich immer wieder über fachliche Themen ausgetauscht: Reorganisation, Arbeitszeiten, Kündigungen, Sperrfristen, Weiterbildungsmöglichkeiten, Führungsthemen. Aber auch in konkreten Situationen konnte sie ihre Mentorin um Rat fragen. Beispielsweise, als einem Mitarbeiter nach zweimaligem Fehlverhalten die Kündigung ausgesprochen wurde: «Ich war zuerst unsicher, ob dies die richtige Entscheidung ist. Dadurch, dass ich die Situation meiner Mentorin erläutern konnte, war ich danach bestärkt. Sie konnte mir auch die Angst nehmen vor dem Kündigungsgespräch.» Ein weiteres Beispiel: «Ich wollte für unsere Führungskräfte eine Schulung zum Thema Mitarbeiterbeurteilung organisieren. Meine Mentorin hat mir erklärt, wie sie ihre Schulungen jeweils macht und worauf man achten soll.»
Sie habe durch das Mentoring gelernt, selbst auf Lösungen zu kommen, die für sie und ihr Unternehmen passen, sagt Spörri – obwohl sie sich manchmal gewünscht habe, dass ihr ihre Mentorin die Lösung für ein Problem mitteilt. «Im Personalwesen gibt es aber oft kein Richtig oder Falsch. Mit der Erfahrung reagiert man je nach Situation anders. Es war für mich ein grosser Gewinn, die Meinung und Einschätzung einer erfahrenen HRlerin zu bekommen.»
Image «Manchmal hätte ich mir gewünscht, dass meine Mentorin mir die Lösung für ein Problem mitteilt.»
Mentee Michèle Spörri, Leiterin Personal, Enea GmbH
Image «In der Praxis trauen sich die Mentees nicht, in heiklen Situationen gegenüber der Linie klar Stellung zu beziehen.»
Mentorin Sabine Schneider, HR-Business-Partnerin, Universitätsspital Zürich
Auch unliebsame Themen angehen
Für Mentee Andrea Hartmann, HR-Business-Partner der Commerzbank AG in der Zweigniederlassung Zürich, war eines der wichtigsten Themen des Mentorings ihre fachliche und berufliche Weiterentwicklung in ihrer Rolle als HR-Business-Partner. Darüber hinaus seien auch fachliche Kompetenzen wie Gesprächsführung, Coaching, Arbeitsrecht, Betriebliches Gesundheitsmanagement sowie mobiles Arbeiten und Zeitmanagement Gegenstand ihrer Gespräche gewesen.
Durch den Austausch mit ihrem Mentor Bruno Steurer, Head Group Learning & Development bei der Swiss Life, habe sie an Sicherheit und Gelassenheit gewinnen können: «Er hat die richtigen Fragen gestellt und immer zum Nachdenken angeregt.» Das habe sie dazu animiert, sich auch mit unliebsamen Themen zu beschäftigen und «vor schwierigen Fragestellungen keine Angst zu haben, sondern diese als Herausforderung zu sehen».
Das Mentoring habe ihr ausserdem auch die Möglichkeit eröffnet, sich selbst besser kennenzulernen: «Wir haben etwa mit dem ‹Herrmann Brain Dominance›-Test meine bevorzugten Denkweisen identifiziert. Damit wollte ich besser verstehen, warum ich so denke, wie ich denke, und handle, wie ich handle – und wie sich das in verschiedenen Situationen auswirkt. Zudem haben wir mit dem ‹Life Balance Index› ermittelt, in welchen Bereichen meines Lebens ich an welchem Punkt stehe und daraus Massnahmen abgeleitet.»
«Dadurch, dass mein Experte die richtigen Fragen stellte, beschäftigte ich mich auch mit unliebsamen Themen.»
Mentee Andrea Hartmann, HR-Business- Partner, Commerzbank AG, Frankfurt am Main, Zweigniederlassung Zürich
Image «Man bekommt einen Spiegel vorgesetzt. Die Fragen und Herausforderungen der Mentees sind anregend und fordernd.»
Mentor Bruno Steurer, Head Group Learning & Development, Swiss Life
Klareres Bild von den Zielen
«Weil ich keine klassische Laufbahn im Personalwesen habe und mich dennoch fachlich in diesem Bereich weiterentwickeln möchte, haben wir viel über mögliche Weiterbildungen und meine berufliche Entwicklung gesprochen», erklärt Frederico Rinke, Consultant bei Mercuri Urval. Er hat von seinem Mentor Armin Haas, Berater und HR-Experte bei Haas Advisory, unter anderem Tipps und Anregungen zur Zusammenarbeit mit dem HR auf Kundenseite bekommen: «Da er die HR-Abteilungen grösserer Unternehmen gut kennt, konnte er mir auch erklären, wie die internen Prozesse funktionieren und wie man als externer Partner mit empfindlichen oder politischen Themen umgehen kann.»
Aber auch seine persönlichen Stärken und Schwächen seien ein Thema gewesen, über das er und sein Mentor offen gesprochen hätten: «Er konnte dabei gut einschätzen, wie ich diese am besten einsetzen und verbessern kann.» Um zu lernen, wichtige Entscheidungen bewusster und schneller zu treffen, habe ihm sein Mentor Armin Haas eine Übung empfohlen. Dafür reiste Rinke zu einem abgelegenen Bergort, wo er sich «in aller Einsamkeit mit dieser Übung auseinandersetzen» konnte. Die Ergebnisse hätten sie anschliessend gemeinsam besprochen. Das Resultat: «Es entstand ein viel klareres Bild von meinen Zielen und den nötigen Entscheidungen, um diese zu erreichen.»
Image «Mein Mentor konnte mir erklären, wie man als externer Partner mit empfindlichen oder politischen Themen umgehen kann.»
Mentee Frederico Rinke, Consultant, Mercuri Urval
Image «Es ist wertvoll, sich mit anderen Menschen auszutauschen, um den eigenen Weg und die eigenen Gefühle besser reflektieren zu können.»
Mentor Armin Haas, Berater und HR-Experte, Haas Advisory
Keine Einbahnstrasse
Dass von einem Mentoring beide Seiten profitieren, darüber sind sich die befragten Mentoring-Tandems einig. «Mentoring ist keine Einbahnstrasse», sagt etwa Mentorin Sabine Schneider, die im Herbst bereits ihr fünftes Mentoring startete. Sie profitiere vom Programm, weil sie unter anderem vertiefte Einblicke in Themen und Fragestellungen von anderen Unternehmen bekomme, was in dieser Form sonst selten möglich sei. Im Mentoring mit den jungen Leuten habe sie zudem die Möglichkeit, «Szenarien gedanklich auch mal auf neuen Pfaden durchzuspielen und dabei auf neue Lösungen zu kommen».
Den Einblick in andere Branchen und Betriebe ist auch für Bruno Steurer eine zentrale Motivation für sein Mentoren-Engagement. Er ist seit über sieben Jahren beim Mentoring-Programm dabei. «Man bekommt einen Spiegel vorgesetzt, mit dem man die eigene Situation reflektieren kann. Die Fragen und Herausforderungen der Mentees sind anregend und fordernd.» Das fördere auch den Mentor. Eines seiner wichtigsten Learnings, das er aus dem Programm mitgenommen habe: «Man darf dem Gegenüber nie die Möglichkeit nehmen, sich selber weiterentwickeln zu können.»
Auch Armin Haas schätzt den regen Austausch mit den Mentees: «Für berufliche Entscheidungen und Entwicklungen ist es unheimlich wertvoll, sich mit anderen Menschen auszutauschen, um den eigenen Weg und die eigenen Gefühle besser reflektieren zu können.» Ein Beispiel? «Mein letzter Mentee etwa hat einen unglaublich vielseitigen, internationalen Werdegang. Aus seinen Schilderungen und Überlegungen habe ich viel gelernt.»
Regelmässige Treffen
Die konkrete Zusammenarbeit gestaltet sich bei allen Mentoring-Tandems ähnlich: regelmässige Treffen in vertraulicher Atmosphäre und dazwischen Platz für Austausch per Telefon, E-Mail oder Whatsapp. Mentee Andrea Hartmann: «Zu Beginn jeder Sitzung hat mein Mentor kurz die Inhalte des letzten Treffens zusammengefasst. Anschliessend haben wir aktuelle Themen besprochen. Nach jeder Sitzung habe ich ein Protokoll erstellt und dabei folgende Fragen beantwortet: Worüber haben wir gesprochen? Was habe ich mitgenommen? Was ist mir wichtig für das nächste Treffen?»
Frederico Rinke: «Wir haben uns bei einem ersten Treffen im Büro meines Mentors kennengelernt, uns zu privaten sowie geschäftlichen Themen ausgetauscht und schliesslich einen Plan für das Mentoring-Programm festgelegt.» Die Treffen hätten alle fünf bis sechs Wochen stattgefunden. «Zwischendurch haben wir sowohl per E-Mail als auch telefonisch kommuniziert. Mein Mentor hatte immer ein offenes Ohr für mich.» Auch Michèle Spörri hat sich alle fünf bis sechs Wochen mit ihrer Mentorin getroffen. «Ich brachte jeweils die Themen mit, die mich gerade beschäftigten. Meine Mentorin wohnte in meiner Nähe und wir haben uns in unkomplizierter Atmosphäre bei ihr zu Hause getroffen. Die Gespräche waren entsprechend locker.»
Wermutstropfen: Zeitaufwand
Besonders gefallen hat Armin Haas der angeregte Austausch und das Wissen, etwas Sinnvolles zu tun und für einen anderen Menschen hilfreich zu sein. «Mit all meinen bisherigen Mentees hatte ich einen sehr angenehmen Austausch.» Einziger Wehrmutstropfen: Die Zeit. «Das Mentoring bringt mir weitere Termine in meine übervolle Agenda.»
Auch Sabine Schneider bestätigt: «Ich kann mir vorstellen, dass sich einige durch den vermeintlich hohen Zeitaufwand abschrecken lassen.» Das finde sie schade: «Meiner Meinung nach kann auch in kurzen Sequenzen viel erreicht werden.»
Für Bruno Steurer ist es ein besonderes Highlight, «wenn Mentees über positive Veränderungen berichten, Ziele erreichen und neugierig sind». Weniger einfach sei es, wenn sich der oder die Mentee in einer schwierigen Situation befinde und er merke, dass seine Möglichkeiten zur Unterstützung begrenzt sind: «Ich habe mir auch schon Sorgen um die Gesundheit eines Mentees gemacht wegen seiner starken Belastung.»
Selbstvertrauen mitgeben
Beim Mentoring geht es weniger darum, den Mentees vorgefertigte Lösungen mitzugeben, als vielmehr darum, sie darin zu unterstützen, ihre eigenen Lösungen zu finden. «Vertrau auf das, was du kannst, und vermittle das deinem Gegenüber» – so lautet die Kernbotschaft, die Sabine Schneider all ihren Mentees mitgegeben hat. «Sie sind gut ausgebildet und verfügen über einiges an Fachwissen. In der Praxis fehlt ihnen aber die nötige Erfahrung und sie trauen sich nicht, in heiklen Situationen gegenüber der Linie klar Stellung zu beziehen.»
Auch Bruno Steurer möchte seinen Mentees Selbstvertrauen mitgeben und sie so dabei unterstützen, zu eigenständigen Entscheidungen zu kommen: «Mentoring ermöglicht, dass die Mentees den eigenen Weg gestalten und vorwärtsschauen. Dazu gehört, sich auch von anstrengenden und hoffnungslosen Situationen nicht unterkriegen zu lassen.»
Auch Armin Haas hat seine Mentees darin bestärken können, ihren eigenen Weg zu gehen: «Ich habe sie dabei unterstützt, Gelassenheit sowie positives Vertrauen in die Zufälle des Lebens zu entwickeln.»
Über das Mentoring-Programm
«young@ZGP» ist eine Community der Zürcher Gesellschaft für Personal-Management (ZGP). Sie richtet sich an HR-Fachleute im Alter zwischen 22 und 38 Jahren und bietet ihren Mitgliedern für die persönliche Weiterentwicklung ein einjähriges Mentoring durch Senior-HR-Profis, die ihre Erfahrungen an junge HR-Fachleute weitergeben.
Mentor und Mentee vereinbaren während eines Jahres mindestens sechs Treffen à zwei bis drei Stunden. In dieser Zeit besprechen sie Entwicklungsthemen und tauschen sich über Erfahrungen aus.
Die Reihenfolge der Anmeldungen und die Verfügbarkeit eines Mentor-Partners, der zum entsprechenden Mentee-Profil passt, entscheiden über eine Teilnahme.
Weitere Informationen