Josefine Fett
Hierarchien stehen den tiefen Sehnsüchten des Menschen nach echter Verbindung, gemeinsamem Wachstum und Potenzialentwicklung im Wege. Was wäre, wenn das Zusammenleben und gemeinsame Arbeiten auf Augenhöhe stattfände? Verbunden durch eine Aufgabe, bei der jeder seine Talente und Fähigkeiten einsetzen kann?
Kinder, die ins Spiel versunken sind, machen es so. Und im Sport würde ein guter Torschütze nie als Mittelstürmer eingesetzt werden. Das wäre kontraproduktiv. Die gemeinsame Sache – oder nennen wir es das «Spiel» – steht im Vordergrund.
Hierarchien, die mit Beginn der Industrialisierung Anfang des 18. Jahrhunderts Menschen zu Objekten oder sogar zu «Maschinen» machten, sind nicht nur kontraproduktiv, sondern in allen Bereichen zerstörerisch.
Charlie Chaplin hat es uns in seinem Stummfilmklassiker «Modern Times» eindringlich vor Augen geführt. Entmenschlichung und Ausbeutung führen zu einem Irrsinn, der in Krankheit und Kriminalität endet. Ein schockierender Spiegel!
Durch alle Epochen hinweg haben sich Menschen dagegen gewehrt, hierarchisch verwaltet zu werden. Das Verlangen nach Menschenwürde, der Wunsch nach tiefer menschlicher Verbindung, so zusammenzuleben und zu arbeiten, dass man seine Potenziale und Fähigkeiten entwickeln kann, sind Bedürfnisse, die immer wichtiger werden.
Mit dem Übergang des Hightech-Zeitalters in den aktuellen Zeitgeist des 21. Jahrhunderts stehen wir an der Schwelle der Ära des «Ich im Wir». Was genau heisst das? Das klingt reichlich theoretisch, werden Sie nun einwenden und fragend die Augenbrauen hochziehen. Dann schauen Sie sich doch mal um! Noch nie war die Zahl der Arbeitslosen so hoch. Die Angst, von heute auf morgen auf der Strasse zu stehen, ist gerade für die Älteren unter uns ein ständiger Begleiter. Als Einzelkämpfer, abgetrennt und isoliert von unserem Urbedürfnis nach Nähe und Verbindung, fristen wir ein isoliertes Dasein.
Gemäss Umfragen machen etwa 60 Prozent aller Bewohner der Industrienationen Dienst nach Vorschrift. In den USA liegt die Quote sogar um ein Vielfaches höher. Dass wir herausfordernden Zeiten entgegenblicken, ist mittlerweile allen klar geworden: Dank den Errungenschaften von Industrie und Wirtschaft sowie Bildung, die für alle zugänglich geworden ist, sind wir nicht länger gewillt, uns durch hierarchisch geformte Strukturen unser Leben und unsere Arbeit vorschreiben zu lassen.
Hierarchie ade! Die Rufe nach echter Gemeinschaft und Begegnungen auf Augenhöhe erwachen. Dafür steht dieses Jahrtausend und dafür stehen Europa und seine Menschen. Ich sehe dieser herausfordernden Zeit mit Spannung entgegen und freue mich auf die Entwicklung von neuen humanen Lebens-, Arbeits- und Unternehmensformen.