Öffentliches Mitarbeiter-Feedback: Fluch oder Segen?
Nicht Stellenanzeigen und Arbeitgeber-Hochglanzbroschüren, sondern enthusiastische Mitarbeitende, die als glaubwürdige Botschafter agieren, sind die wirksamsten Recruiter. Vorausgesetzt, dass das, was sie sagen, positiv ist.
Was wird wo in welchem Ton über das Unternehmen gesprochen? Ein Webmonitoring verräts. (Bild: 123RF)
Wer will, kann heute so ziemlich alles erfahren, was hinter den Mauern eines Firmengebäudes tatsächlich passiert. Am besten folgt er dazu den Spuren derjenigen, die sich auf Arbeitgeber-Bewertungsportalen und einschlägigen Diskussionsforen direkt an die Online-Gemeinde wenden.
Selbst YouTube ist voll von Clips, die frustrierte Mitarbeitende heimlich im Büro gedreht oder nachgestellt haben, um Missstände und Fehlverhalten offenzulegen.
Zweckmässige Vorinformationen für Bewerber
Zumindest für die grösseren Organisationen ist die Zahl der Auskünfte schon recht repräsentativ. Und weil sie öffentlich sind, also von jedem Interessierten gesucht und gefunden werden können, machen sie jedes Arbeitsverhältnis bis ins kleinste Detail transparent.
Bewerber erscheinen auf diese Weise bestens vorbereitet zum Einstellungsgespräch. Vor schlechten Führungsmanieren können sie rechtzeitig die Flucht ergreifen. Und jeder, der will, kann vorab erfahren, was es mit dem Betriebsklima auf sich hat.
Den Verantwortlichen in den Unternehmen zeigt sich durch das Mitverfolgen solcher Online-Gespräche, welche Informationen kursieren, was von besonderem Interesse ist, wo es Glanzpunkte gibt und um welche Schwachstellen man sich ganz schnell kümmern sollte.
Web-Monitoring: Dem Online-Gerede auf der Spur
Beim Web-Monitoring geht es um das Beobachten und die Bewertung der Meinungsbildung zur Arbeitgebermarke im Internet. Dies ist die beste Echtzeit-Marktforschung aller Zeiten: in Klartext, ungefiltert und unverblümt.
Doch neben all den positiven, wahren, weniger schönen und bisweilen überaus traurigen Schilderungen gibt es leider auch die, die bösen Zwecken dienen: Verleumdung, Rufmord, Geschäftsschädigung. Gegen solche Machenschaften kann, soll und muss ein Unternehmen rechtliche Schritte einleiten. Dies lässt sich allerdings nur dann an die Hand nehmen, wenn man das Ganze überhaupt mitbekommt.
Eine regelmässige Analyse dessen, was man im Web über Sie sagt, ist also Pflicht. Dies sollte genauso zur täglichen Routine gehören wie das Lesen der Geschäftskorrespondenz und das Checken der wichtigsten Kennzahlen. Um dies zu bewerkstelligen, arbeiten HR und Social Media Management am besten eng zusammen.
Kostenlose und kostenpflichtige Monitoring-Tools
Dabei geht es zunächst um eine Bestandsaufnahme. Legen Sie hierzu eine Liste aller einschlägigen Plattformen an. Dann notieren Sie die Begriffe, die Sie beobachten wollen. Dazu gehören Ihr Firmenname, die Namen der Geschäftsleitung sowie wichtige Fachbegriffe.
Dann checken Sie, was im Web bereits über Sie steht. Das Gleiche machen Sie bei Bedarf auch für Ihre Mitbewerber. Danach richten Sie Google Alerts oder Talkwalker Alerts ein. So erhalten Sie täglich das neu hinzukommende Online-Gerede zugespielt. Rufen Sie dazu im Internet die entsprechenden Eingabemasken auf und folgen Sie den weiteren Anweisungen. Das ist kostenlos.
Oder besser noch: Automatisieren Sie das Zuhören. Verwenden Sie Tools wie Addictomatic oder Social Mention zum Beobachten des Mitmach-Web. So haben Sie mit dem geringstmöglichen Zeitaufwand eine grösstmögliche Zahl von Webseiten im Blick. Und es entgeht Ihnen kaum mehr eine Erwähnung.
Profis verwenden dazu kostenpflichtige Social Media Analyse-Programme, die das Internet mit «Crawlern» durchsuchen und relevante Informationen herausfiltern. So erhält der Personaler dann auch Controlling-taugliche Kennziffern wie etwa Hotspot-Analysen (wo wird über uns gesprochen?), Topics (worüber wird gesprochen?), Buzzvolumen (wie oft wird über uns als Arbeitgeber gesprochen?) und Tonalität (wie sprechen die User über uns?).
Die Analyse in Bezug auf die internen Touchpoints
Analysieren Sie in der Folge alle gefundenen Angaben auf ihren Inhalt hin. Überlegen Sie, was Sie daraus lernen können, und wie Sie das an den einzelnen internen Touchpoints, also den Interaktionspunkten zwischen Mitarbeitenden, Führungskraft und Organisation, weiterbringt. Stellen Sie sich hierzu folgende Fragen:
- Welche Touchpoints werden am besten bewertet? Und was findet den grössten Zuspruch dabei?
- Wo gibt es Optimierungsbedarf? Und wie können uns die Hinweise aus dem Web dabei helfen?
- Gibt es konkrete Verbesserungsideen? Und wie lassen sich diese dann umsetzen?
- Welcher Bereich erhält ganz schlechte Noten? Gibt es Kritik, die schnell Wellen schlagen könnte? Und wie reagieren wir darauf?
- Wenn Sie auch die Konkurrenz beobachten: Was können Sie aus dem, wie andere Ihre Mitbewerber bewerten, für sich selbst lernen?
Erstellen Sie auf dieser Basis ein übersichtliches Reporting mit den wichtigsten Ergebnissen. Und entwerfen Sie einen minutiösen Krisenplan für den Fall, dass Kritik tatsächlich eskaliert, zu einem Shitstorm führt oder Medieninteresse auf sich zieht. In wirklich kritischen Fällen bleibt oft kaum eine Stunde Zeit, um zu agieren.
Buchtipp
Anne M. Schüller: Das Touchpoint-Unternehmen. Mitarbeiterführung in unserer neuen Businesswelt. Gabal 2014, 368 Seiten. Auch als Hörbuch erhältlich.