Porträt: Daniel Lüscher

«Meine Tür ist immer offen»

Ob Südamerika, Europa oder Asien: Daniel Lüscher ist in seiner HR-Karriere viel herumgekommen. Inzwischen ist der Aargauer etwas sesshafter geworden und engagiert sich seit November 2021 als Global Head Human Resources beim Schoggi-Fabrikant Läderach (Schweiz) AG in Bilten.

Duft-Flash: Wer das House of Läderach betritt, hat einen berauschenden Geruch von Schokolade in der Nase. Hier in der Erlebniswelt im glarnerischen Bilten ist die Redewendung «es läuft einem das Wasser im Mund zusammen» keine blosse Plattitüde. Für Daniel Lüscher, Global Head Human Resources bei Läderach, gehört dieser verführerische Duft inzwischen zum Alltag. «Man muss sich aber schon ein wenig unter Kontrolle haben, wenn man hier arbeitet», gibt er unumwunden zu und lacht. Lüscher ist ein positiv eingestellter Mensch und erzählt mit einnehmender Begeisterung von seinem HR-Alltag im Familienunternehmen, das sich in den letzten
60 Jahren von der kleinen Confiserie zum internationalen Betrieb mit über 1500 Mitarbeitenden gewandelt hat. Trotz zunehmender Grösse sei es der dritten Generation der Eigentümerfamilie wichtig, dass die familiäre Unternehmenskultur erhalten bleibt.

Das gefällt Lüscher, der in seiner HR-Karriere schon manches erlebt hat und sich lieber mit Wachstum als mit Rezession beschäftigt. «Während andere in diesen Zeiten Mitarbeitende entlassen, schaffen wir neue Arbeitsplätze.» In Zahlen ausgedrückt verzeichnet Läderach zwei Jahre nach der Pandemie zweistellige Wachstumszahlen. «Alles ist hochdynamisch», sagt Daniel Lüscher mit einem Augenzwinkern. Manchmal hätte er gerne etwas mehr Zeit, um neue Tools wie ein SAP-System einzuführen. In einem Familienunternehmen, in dem Entscheidungen sehr schnell getroffen werden können, wird auch eine schnelle Umsetzung erwartet – und das kann Lüscher. Heute bringe ihn nichts mehr so schnell aus der Ruhe. «Es gibt immer für alles eine Lösung. Vielleicht nicht unmittelbar, aber bald.» Damit beruhigt er in Stressmomenten auch seine Mitarbeitenden.

 

 

Von der Wirtschaft ins HR

Gelassenheit sei eine Eigenschaft, die ihm heute am meisten nütze. Anders hätte Lüscher seine langjährige, internationale HR-Karriere mit Aufenthalten in den verschiedensten Ländern kaum so erfolgreich gemeistert. Auch während des Gesprächs zeigt sich: Der 57-Jährige ist trotz jahrzehntelanger Weltenbummler-HR-Karriere ein ausgeglichener und bodenständiger Charakter geblieben. Doch wie wurde aus dem Aargauer Jungen ein Kosmopolit? Die Weichenstellung ergab sich durch Lüschers Studium an der Universität St. Gallen, wo er von 1986 bis 1991 einen Master in Business Administration absolvierte. Noch während des Studiums rät ihm ein Kollege aus der Studentenverbindung, sich einen Job zu suchen, bei dem er weltweit unterwegs sein kann, weil das mit Familie später nicht mehr möglich sei. «Da dachte ich: Recht hat er.»

Der Zufall will es, dass er bei seinem ersten Engagement nach dem Studium 1992 als Internal Consultant bei Zurich Financial Services nach wenigen Monaten nach Madrid entsandt wird, um die Mitarbeitenden bei Projekten und Aufgaben im Prozess- und Qualitätsmanagement zu unterstützen. Vorgesehen waren drei Monate, «am Ende bin ich anderthalb Jahre in Madrid geblieben». Weil sein Vorgesetzter von seiner Arbeit überzeugt ist, schickt er Lüscher für ein weiteres Jahr nach Lissabon, um Informatikprozesse zu optimieren und neue Systeme einzuführen, und danach ein weiteres halbes Jahr nach Buenos Aires. Die Reiserei, das Leben in anderen Ländern und die kulturelle Horizonterweiterung passen dem jungen Aargauer. «Mir war aber stets bewusst, dass ich das nur machen kann, weil ich frei bin und mich um niemanden ausser um mich selbst kümmern muss. 1997 kehrt Lüscher in die Schweiz zurück und wechselt als Manager Executive Education ins HR – «sozusagen als Quereinsteiger». In dieser Position verwaltet und optimiert er bis 1998 die Leadership-Programme des Unternehmens in enger Zusammenarbeit mit dem IMD in Lausanne, der Northwestern University in Chicago und anderen externen Beratern.

Die Karriereleiter nach oben

Um sich im HR weiterzuentwickeln, schaut sich Lüscher in der NZZ nach einer passenden Stelle um und entdeckt eine: «Da war ein HR Business Partner für Südamerika und Asien beim Transportunternehmen Danzas ausgeschrieben.» Er bewirbt sich und bekommt die Stelle. Als Danzas ab 1999 durch einen Merger von 5000 auf 15 000 Mitarbeitende wächst, gehören zu Lüschers Aufgaben unter anderem: die Koordination aller internationalen HR-Aktivitäten, die Führung der regionalen und nationalen Personalleitungen sowie die Leitung der HR-Due-Diligence- und Integrationsprozesse. Eine intensive Zeit für den noch immer ungebundenen HRler. «Um an allen Standorten weltweit präsent zu sein, flog ich in der heissen Phase während drei Monaten ­mehrfach um die Welt.»

2003 folgt der nächste Merger im Unternehmen. Danzas, DHL, die ­Deutsche Post und Euro Express verschmelzen unter dem Namen DHL zu einem Unternehmen mit globalem Hauptsitz in Belgien. Für Daniel Lüscher bringt das eine neue Funktion als Head Organizational Transition Support and Functional Integration Director mit sich sowie einen neuen Wohnort in Brüssel. Fortan unterstützt Lüscher die Führungskräfte bei weltweiten Veränderungsinitiativen und hilft bei der Entwicklung einer neuen globalen HR-Strategie, führt ein weltweites HR-Controlling ein und organisiert für 120 000 Mitarbeitende eine Mitarbeiterbefragung in Europa. Da die Deutsche Post 2005 alle globalen Funktionen nach Bonn beruft, packt Lüscher erneut seine Koffer. In Deutschland wird der Veränderungserprobte Head Shared Service Center HR Development und verantwortet von da an alle Schulungsaktivitäten der Gruppe.

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Daniel Lüscher treibt im Familienunternehmen Läderach die Digitalisierung voran. (Bild: Aniela Lea Schafroth)

Auf dem internationalen Parkett wäre es für Daniel Lüscher wohl noch lange weitergegangen, hätte es ihn aufgrund des Älterwerdens seiner Eltern nicht zurück in die Schweiz gezogen. «Ich wollte einfach wieder vermehrt in ihrer Nähe sein», erklärt der engagierte HRler. So kehrt der inzwischen über 40-Jährige 2007 in die Schweiz und zu seinem ersten Arbeitgeber, Zurich Financial Services, zurück. Diesmal als HR Business Partner for Group Functions & Head HR Corporate Centre. In dieser Zeit lernt Daniel Lüscher auch seine Frau kennen, «ebenfalls eine HRlerin». 2010 werden die beiden Eltern eines inzwischen 13-jährigen Sohnes, der wie sein Vater begeisterter Fussballer ist. So steht ausser Frage, dass Lüscher seinen Sohn an den Wochenenden an Spiele begleitet. «Mag der Job noch so fordern, die Familienzeit ist mir sehr wichtig.» Genauso wie die Zeit mit Freunden, zu denen der weitgereiste HRler in all den Jahren nie den Kontakt abbrechen liess. «Man muss sich halt bemühen, den Kontakt zu halten, wenn man so einem aufreibenden Beruf nachgeht. Denn niemand hat auf dich gewartet», betont er.

2012 sieht sich Lüscher nach einer HR-Funktion um, in der er über HR-Belange selbständig entscheiden kann. Bei der Bank Vontobel wird er fündig und Global Head Human Resources. «Als ich ankam, war das HR sehr administrations-lastig. Somit konnte ich es von Grund auf nach meinen Vorstellungen gestalten – angefangen bei der Entwicklung und Einführung eines standardisierten Talentmanagement- und Nachfolge-Planungsprozesses über ein Leadership-Programm bis hin zur Digitalisierung und Implementierung einer neuen, cloudbasierten ERP-Lösung.» Auch zum kulturellen Wandel trug Lüscher einiges bei: Er führte regelmässige Mitarbeiterbefragungen ein, setzte einen Diversity-and-Inclusion-Ansatz um und errichtete Kommunikations-Plattformen. Nach 6,5 Jahren hat Daniel Lüscher vieles von dem erreicht, was er wollte, und wechselt 2018 als Global Head Human Resources zur EFG Bank. Hier hält es ihn aber nur drei Jahre: «Die Bank befand sich in einer schwierigen Situation und meine Hauptaufgabe bestand am Ende darin, Leute hinauszubegleiten und Sozialpläne zu machen. Nicht meine Lieblingsaufgabe.»

Kurz und bündig

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National oder international?
International. Nach meinem Studium war ich beruflich permanent ­international unterwegs – von Spanien über Portugal und Argentinien bis hin zu Belgien und Deutschland. Ich bin auch privat immer viel gereist. Heute arbeite ich zwar für einen Schweizer Familienbetrieb, der aber ­international stark wächst.

Musik oder Stille?
Vor ein paar Jahren hätte ich noch die Musik gewählt, heute die Stille, denn in unserem Alltag ist permanent etwas los. Man ist unter Leuten, immer ist es laut. Deshalb geniesse ich zwischendurch die Stille, um ein Buch zu lesen oder spazieren zu gehen.

Fleisch oder Vegi?
Völlig gegen den Trend: Ich bin ein absoluter Fleischesser – auch der Rest meiner Familie. Das hat wohl damit zu tun, dass ich in Argentinien und Brasilien war und dort jeweils ganz tolle Steaks gegessen habe.

Einzelgänger oder Teamwork?
Teamwork ist für mich essenziell, wenn es darum geht, etwas zu bewegen. Man braucht ein Team, das einen unterstützt und mitzieht. Ohne das geht es nicht. Ich versuche dafür zu sorgen, dass in meinem Team eine gute Zusammenarbeit herrscht. Dafür muss man keine privaten Freundschaften eingehen, aber sich verstehen und akzeptieren.

Gestalter oder Verwalter?
Eindeutig ein Gestalter. Ich möchte etwas bewegen und verändern, einen Fussabdruck hinterlassen. Das hat mich im Leben immer an­­getrieben und das zeigt auch mein beruflicher Werdegang. Ich bin in die Welt hinaus gegangen, um Neues zu erlernen und in die Schweiz zurückzubringen.

In den Schokoladenhimmel

Über einen alten Kontakt wird Daniel Lüscher 2021 auf die Stelle des Global Head Human Resources bei Läderach aufmerksam. Er zögert nicht lange und wird genommen. Auch beim schnell wachsenden Familienunternehmen beschäftigt sich der HRler mit der Einführung von digitalen HR-Prozessen. «Stammdaten, Zeiterfassung und Payroll funktionieren nun über SAP, im Sommer implementieren wir Learning-Management- und Performance-Management-Tools.» Unterstützung in dieser intensiven Zeiten erhält Lüscher von seinem HR-Team. Dazu gehören zwölf Personalerinnen und Personaler in der Schweiz, zwei in Deutschland, vier in den USA, «dort haben wir inzwischen 40 Läden mit rund 350 Mitarbeitenden», sowie eine Kollegin in China, «wo wir in den letzten Monaten fünf neue Läden eröffneten. Bis kommenden Sommer werden es zehn sein». Nebst der Vertretung in diesen Märkten ist Läderach auch in Ländern des Mittleren Ostens tätig, dort jedoch im Franchisemodell. «Märkte, die wir weniger gut kennen, bedienen wir nicht selbst.»

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Der Aargauer ist viel bereist, schätzt es aber, wieder sesshafter zu sein. (Bild: Aniela Lea Schafroth)

Zu seinem internationalen HR-Team pflegt der Vielgereiste einen regen Austausch. Aufgrund der pandemiebedingten Reiseschwierigkeiten sei er zwar noch nicht so oft wie gewünscht vor Ort gewesen, «aber normalerweise bin ich ein- bis zweimal im Jahr vor Ort». Wichtig ist ihm zudem, dass seine HR-Mitarbeitenden auch mal am Schweizer Hauptsitz sind, «damit sie sich mit dem Unternehmen und dem Produkt besser identifizieren». Nähe zum Unternehmen sei nicht nur der Eigentümerfamilie bis heute wichtig, sondern auch ihm als Chef. «Zugänglich sein und einen direkten, offenen Austausch pflegen ist essenziell. Meine Tür ist immer offen», sagt Lüscher.

Das Familiäre, das Bodenständige, die Wertschätzung für jeden Einzelnen: Das ist es auch, was Lüscher beim nicht immer einfachen Recruiting als Pluspunkte aufzählt. Zwar kämen viele Mitarbeitende durch Mund-zu-Mund-Propaganda zu Läderach, aber Spezialfunktionen zu besetzen, sei nicht immer einfach. «Vor allem im Retail-Bereich: Dort können wir mit den Löhnen des nahen Zürich nicht mithalten. Dafür winkten Arbeitnehmenden bei Läderach sichere Jobs in einem wachsenden Unternehmen. Keine leeren Worte, denn das Unternehmen plant derzeit den Bau einer neuen Fabrik in Bilten, die bereits 2025 in Betrieb genommen werden soll. «Ja, Läderach wächst und das Wachstum ist noch lange nicht abgeschlossen», sagt Daniel Lüscher, der sich schon heute darauf freut, an den neuen Standorten vor Ort zu sein. Einmal Weltenbummler, immer Weltenbummler.

Läderach – Chocolatier Suisse

Das 1962 gegründete Familienunternehmen mit rund 1500 Beschäftigten aus mehr als 50 Ländern hat seinen Hauptsitz im Kanton Glarus. Läderach überwacht den gesamten Produktionsprozess von der Kakaobohne bis zur Ladentheke und produziert ausschliesslich in der Schweiz. Die handwerklich hergestellten Produkte werden in über 100 eigenen Chocolaterien mit Verkaufsstandorten in 15 Ländern sowie über Franchisepartner im Nahen Osten und in Asien angeboten. laderach.ch

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Christine Bachmann 1

Christine Bachmann ist Chefredaktorin von Miss Moneypenny. cb@missmoneypenny.ch

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