«Diverse unsinnige Zwangsvorschriften»
Für die überrissenen Löhne und Boni, welche in den Chefetagen mancher Schweizer Konzerne an der Tagesordnung sind und waren, gibt es keine Rechtfertigung. Folgerichtig wird am 3. März auch gar nicht mehr entschieden, ob man gegen Abzockerei vorgehen soll, sondern nur noch, wie. Zur Auswahl steht einerseits eine Initiative mit einem knackigen Titel, hinter der sich 24 starre Vorschriften für Aktionäre und Pensionskassen verbergen. Und andererseits der Gegenvorschlag, der den Aktionären Instrumente in die Hand gibt, die Abzockerei wirksam zu bekämpfen.
Minders Initiative hat Konstruktionsfehler
Thomas Minder ist zugutezuhalten, dass er die wichtige Diskussion angestossen hat. Leider hat seine Initiative mehrere Konstruktionsfehler. Sie gibt zwar vor, die Aktionärsrechte zu verbessern, beinhaltet in Tat und Wahrheit aber diverse unsinnige Zwangsvorschriften und Strafandrohungen. Eindeutig zu weit gehen beispielsweise die Bestimmungen für Pensionskassen. Sie wären gezwungen, an den Generalversammlungen aller Unternehmen, von denen sie Aktien halten, aktiv teilzunehmen. Führt man sich vor Augen, dass selbst kleine Vorsorgeeinrichtungen bis zu 100 verschiedene Titel im Portfolio halten, wird die Absurdität dieser Vorschrift rasch klar. Die Folge wäre eine teure, unnütze Bürokratie, finanziert mit unseren Rentengeldern.
Auch aus personalpolitischer Sicht können die Unternehmen mit der Initiative nur verlieren. Die Saläre der Geschäftsleitung sind gemäss Minder zwingend von den Aktionären abzusegnen. GL-Mitglieder kündigen aber selten termingerecht auf eine GV. Sollen die Neuen etwas mehr verdienen als ihre Vorgänger, müsste also zwingend eine solche einberufen werden. Wer derart umständlich operieren muss, hat auf dem internationalen Kadermarkt einen schweren Stand.
Negative Folgen auch für KMU
Wenn sich die Schweiz mit dieser Initiative das strengste Aktienrecht der Welt verpasst, hat das aber noch weitreichendere Folgen. Machen wir uns als Standort für börsenkotierte Unternehmen unattraktiv, stehen Steuereinnahmen und Arbeitsplätze auf dem Spiel. Und es trifft keineswegs nur UBS-Banker, Novartis-Manager oder Ingenieure der ABB. Nur zu gerne geht vergessen, dass unsere KMU-Wirtschaft auf Zulieferaufträge dieser Unternehmen angewiesen ist. Der Blumenladen um die Ecke wäre genauso betroffen wie das Grafikbüro zwei Strassen weiter oder der Hersteller von Halbfabrikaten im Nachbardorf. Es trifft uns alle, wenn die Schweiz der Wirtschaft Knüppel zwischen die Beine wirft.
Zum Glück kann die Abzockerei effizienter bekämpft werden, ohne Flurschaden anzurichten. Der Gegenvorschlag des Parlaments enthält alle wichtigen Forderungen Minders, gibt den Aktionären aber mehr Gestaltungsfreiheit. Ob Jungfraubahnen oder Nestlé – als Eigentümer können sie die jeweilige Situation ihrer börsenkotierten Firma bei der Umsetzung berücksichtigen. Und der Gegenvorschlag wirkt nicht nur gezielter, er kann auch viel schneller in Kraft treten als die Initiative, für welche die gesetzlichen Bestimmungen erst noch ausgearbeitet werden müssten. Ich stimme mit Überzeugung Nein, um der besseren Lösung zum Durchbruch zu verhelfen.
- Thomas Weibel, Nationalrat Grünliberale, Dozent ZHAW und Präsident der Schweizer Kader Organisation (SKO).