Employer Branding

Arbeitsmarkt-Check: Vorbereitung auf den «Battle for Brainpower»

Unternehmen können sich auf den Kampf um Talente aller Alterskategorien vorbereiten, indem sie erstens die Struktur und Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden ermitteln, zweitens den für sie relevanten Arbeitsmarkt analysieren sowie drittens festlegen, mit welcher Value Proposition sie am Arbeitsmarkt auftreten wollen. Ein strukturiertes und praktisches Analysemodell in zwölf Schritten.

Der Fachkräftemangel, die demografische Entwicklung, der Wettbewerb um Nachwuchskräfte und die veränderten Wertesysteme vieler Beschäftigten sind nur einige Aspekte, die zu einer grundlegenden Veränderung der Arbeitsmärkte beitragen. Da sich der Arbeitsmarkt und seine Teilmärkte fundamental verändert haben, sollten Unternehmen die Art und Weise überdenken, wie sie Personal gewinnen (Recruiting) und halten (Retention) sowie mit welchem Arbeitgeberimage (Employer Brand) sie am Markt auftreten.

Es ist aber nicht nur mit quantitativen Effekten auf dem Arbeitsmarkt zu rechnen. Auch die Zusammensetzung des Marktes ändert sich fundamental. Weil nicht mehr genügend Kandidaten direkt ab Ausbildung zur Verfügung stehen (siehe Abbildung 1),  suchen Unternehmen im Ausland, in allen Alterskategorien und bei Wiedereinsteigerinnen nach zukünftigen Mitarbeitenden. Dadurch wird der Arbeitsmarkt an sich heterogener, und die Bedürfnisse der jeweiligen Bewerbergruppen können erheblich differieren. Zusätzlich verändern sich die Wertesysteme der Mitarbeitenden laufend. Die Bindung zum Arbeitgeber nimmt tendenziell ab, immer häufiger treten Burn-out- und Stress-Symptome auf, Work-Life Balance gewinnt an Bedeutung, Anreizstrukturen wandeln sich. Für Unternehmen, die sich auf dem Arbeitsmarkt positionieren wollen, ist es sehr wichtig, sowohl die eigene Mitarbeiterschaft als auch die externen Bewerber gut zu kennen. Nur dann können sie sich angemessen auf dem wettbewerbsintensiven Arbeitsmarkt positionieren.

Der Blick nach innen

Mitarbeitende, die eine Unternehmung nicht verlassen, müssen nicht neu rekrutiert werden. In diesem Sinne gewinnt die Vermeidung ungewollter Fluktuation an Bedeutung. Die Analyse der unternehmensspezifischen Ausgangslage beginnt mit einer Untersuchung und Bewertung der Organisationsdemografie (Schritt 1). Es geht hier um die Ermittlung der Altersstruktur sowie um die qualitative und quantitative Personalplanung. Anschliessend gilt es im Rahmen einer Commitment-Kompetenz-Analyse (Schritt 2) herauszufinden, wo für die Unternehmung das grösste Fluktuationsrisiko besteht. Das Ziel ist nicht eine Fluktuationsrate von null, sondern die Vermeidung von Abgängen von Schlüsselpersonen oder Potenzialträgern.

Aus der Commitment-Kompetenz-Analyse lassen sich spezifische Entwicklungs-, Retentions- oder Rekrutierungsstrategien für einzelne Mitarbeitergruppen ableiten. Gleichzeitig mit der Strukturierung der Mitarbeitenden in verschiedene Kategorien können die spezifischen Bedürfnisse pro Kategorie ermittelt werden. Als Instrument bietet sich die Personalbefragung an. In einem dritten Schritt ermittelt die Unternehmung die aktuelle Employee Value Proposition (Schritt 3). Es handelt sich hierbei um das Bündel von Anreizen, das eine Unternehmung seinen Mitarbeitenden bietet oder das «Produkt Arbeitsstelle». Die Aspekte der Employee Value Proposition reichen von der Unternehmenskultur über das Personalmanagement-System, die Arbeitsinhalte und die materiellen Anreize bis hin zur Ausstattung der Arbeitplätze. Die Analyse der Ist-Situation ist als Voraussetzung zur Angebotspositionierung auf dem Arbeitsmarkt sehr wichtig.

Der Blick nach aussen

Nachdem eine Unternehmung die internen Rahmenbedingungen (Schritte 1 bis 3) analysiert hat, empfiehlt sich der Blick nach aussen. Die Ziele der Arbeitsmarktanalyse bestehen darin, die für die eigene Unternehmung relevanten Arbeitsmärkte zu identifizieren, die Bedürfnisse der jeweiligen Bewerbergruppen zu ermitteln, das eigene Arbeitgeberimage zu analysieren, das Verhalten der Mitbewerber zu bewerten sowie aus all diesen Daten die eigene Wettbewerbsposition auf dem Arbeitsmarkt abzuleiten.

Die Strukturierung des Arbeitsmarktes (Schritt 4) erfolgt anhand von räumlich-geografischen (etwa regionaler, nationaler oder internationaler Arbeitsmarkt), zeitlichen (Teilzeit- oder Vollzeitmitarbeitende), sozio-demografischen und funktionalen Kriterien (Berufsbilder, Ausbildungsinhalte, Kompetenzprofile). Im Anschluss an die Abgrenzung des Arbeitsmarktes bzw. der Teilarbeitsmärkte ist es wichtig, die primären Akteure (Marktteilnehmer und interne beziehungsweise externe Beeinflusser) sowie die Beziehungen (Informations-, Leistungs- und Geldflüsse) des Marktes im System darzustellen.

Die Analyse von spezifischen Erwartungen der verschiedenen Bewerbergruppen (Schritt 5) und die Bewertung des eigenen Arbeitsmarktimages (Schritt 6) erfolgen im Rahmen von Imagestudien, Fokusgruppen oder Bewerberbefragungen. Das Instrument der Fokusgruppen und das Instrument der Bewerberbefragung eignen sich auch für kleine und mittlere Unternehmen. Mit einem überschaubaren finanziellen Aufwand lassen sich differenzierte Erkenntnisse zum relevanten Arbeitsmarkt gewinnen. Die Konkurrenzanalyse (Schritt 7) liefert schliesslich Hinweise zum Verhalten der Mitbewerber. Die Informationsbeschaffung gestaltet sich bei der Konkurrenzanalyse als eher schwierig, gleichwohl lassen sich via Internet, Printmedien sowie  Befragung von Bewerbern diesbezügliche Informationen gewinnen. Alle in den Schritten 4 bis 7 ermittelten Daten führen schliesslich zu einer relativen und absoluten Wettbewerbspositionierung (Schritt 8) der eigenen Unternehmung auf dem Arbeitsmarkt.

Die Wettbewerbspositionierung beantwortet u. a. die folgenden Fragen: Was spricht meine Bewerberzielgruppen an? Wie bewertet meine Bewerberzielgruppe mein Unternehmen als Arbeitgeber? Welche Kanäle nutzen meine Zielgruppen, um sich über Unternehmen und Stellen zu informieren? Welche Aspekte meines Employer Brand beziehungsweise meiner Employee Value Proposition werden von der Zielgruppe wie wahrgenommen?

Employer Brand und 
Employee Value Proposition

Sowohl die internen Analysen (Schritte 1 bis 3) als auch die externen Untersuchungen (Schritte 4 bis 8) liefern wichtige Informationen zum Aufbau eines Ziel-Employer-Brand (Marke als Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt) sowie einer Employee Value Proposition (Set von Anreizen, welches sich an spezifische Bewerbergruppen richtet). Während der Employer Brand als übergeordnetes Leitmotiv für alle Bewerbergruppen gilt, kann die Employee Value Proposition, also die Angebotspositionierung, spezifisch für Bewerbergruppen gestaltet werden. Es ist allerdings darauf zu achten, dass keine Inkonsistenzen zwischen dem Employer Brand und der Employee Value Proposition auftreten.

Mit der Festlegung des Employer Brand (Schritt 9) bestimmt die Unternehmung, mit welchen Kernbotschaften sie auf dem Arbeitsmarkt auftreten will und wie der Auftritt visuell zu gestalten ist. In diesem Schritt geht es beispielsweise um die Gestaltung von Stellenanzeigen oder des E-Recruiting auf dem Internet. Damit der Auftritt auf dem Arbeitsmarkt in sich konsistent ist, findet die Gestaltung der Employee Value Proposition (Schritt 10) parallel statt. Hier wird allerdings zwischen verschiedenen internen und externen Bewerbergruppen differenziert. Die Angebotspositionierung beinhaltet ein spezifisches Set von Anreizen sowie eine systematische Rekrutierungs-, Entwicklungs- oder Retentionsstrategie. Während sich die Rekrutierungsstrategien vor allem an externe Bewerbergruppen richten, ist die Entwicklungs- und Retentionsstrategie vor allem für interne Bewerbergruppen gedacht.

Versprechen an den Arbeitsmarkt

Im Anschluss an die Festlegung des Employer Brand sowie der Employee Value Proposition pro Bewerbergruppe (Zielgruppe) empfiehlt es sich zu überprüfen, ob die heutigen Personalmanagementsysteme und -prozesse geeignet sind, um das dadurch ausgedrückte «Versprechen an den Arbeitsmarkt» einzuhalten. Im Einzelnen geht es hier um die Ausgestaltung des Rekrutierungsprozesses, die verfügbaren Arbeitsformen (flexible Arbeitszeitsysteme, Telearbeit usw.), die Führungs- und Unternehmungskultur, die materiellen und immateriellen Anreizkomponenten, die Entwicklungs- und Laufbahnmodelle, die Aus- und Weiterbildung etc. Dieses HR-Audit (Schritt 11) überprüft, ob die vorgesehene Wirkung auf dem Arbeitsmarkt mit den bestehenden Strukturen und Prozessen erzielt werden kann und wo Verbesserungen erforderlich sind.

Wenn sich die Unternehmung beispielsweise entscheidet, ältere Mitarbeitende als Bewerberkategorie anzusprechen, sollten entsprechende Arbeitszeitmodelle (Teilzeit, variable Arbeitszeit usw.) und spezifische Arbeitsstellen zur Verfügung stehen. Als weiteres Beispiel ist die vermehrte Beschäftigung von Mitarbeitenden aus anderen Kulturkreisen zu nennen. In diesem Fall ist es für die Unternehmung sehr wichtig, die kulturelle Sensibilität im Betrieb durch gezielte Massnahmen des Diversity Management zu steigern. Die Fähigkeit einer Unternehmung, Menschen mit verschiedensten Lebenshintergründen (Nationalität, Alter, Werdegang, Erfahrungen, Einstellungen usw.) zu produktiven und motivierten Teams zusammenzuschweissen, ist ein wichtiger Erfolgsfaktor der Zukunft. Vielfalt wird dadurch nicht zur Bedrohung, sondern zum Erfolgsfaktor.

Der Arbeitsmarkt-Check wird mit einer Erfolgskontrolle (Schritt 12) abgeschlossen. Diese Evaluation findet zeitversetzt statt und überprüft, ob die Neupositionierung der Unternehmung auf dem Arbeitsmarkt zum gewünschten Erfolg geführt hat. Die gewonnenen Erkenntnisse erlauben Korrekturmassnahmen und Verbesserungen.

Langstreckenlauf, nicht Sprint

Der «Battle for Brainpower» ist eine Realität. Es ist fünf vor zwölf. Unternehmen sollten rasch reagieren und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sie im Wettbewerb um motivierte und qualifizierte Mitarbeitende bestehen können. Dabei geht es nicht nur um eine Optimierung der Rekrutierungsstrategie, sondern auch um die Überprüfung der Mitarbeiterbindung und der Personalentwicklung. Da ein glaubwürdiger Employer Brand und Employee Value Proposition auf fortschrittlichen Prozessen und Instrumenten aufbauen, ist das Personalmanagement als Gesamtsystem gefordert. Der Aufbau eines Employer Brand ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf. Der beschriebene Arbeitsmarkt-Check in 12 Schritten kann dabei helfen, die notwendige «Fitness» zu erlangen.

Arbeitsmarkt-Check in zwölf Schritten

  1. 
Analyse der Organisationsdemografie
    Ergebnisse: Altersstruktur sowie qualitativer und quantitativer Personalbedarf
  2. Commitment-Kompetenz-Analyse

    Ergebnis: Ermittlung von Fluktuationsrisiken
  3. 
Ermittlung der aktuellen Employee Value Proposition

    Ergebnis: Beschreibung der Angebotspositionierung (Ist)
  4. 
Arbeitsmarktanalyse

    Ergebnisse: Identifikation der relevanten Bewerbergruppen und Teilarbeitsmärkte
  5. 
Bewerberanalyse

    Ergebnis: Spezifische Erwartungen pro Bewerbergruppe (Zielgruppe)
  6. 
Imageanalyse

    Ergebnis: Image der eigenen Unternehmung bei den relevanten Bewerbergruppen
  7. 
Konkurrenzanalyse

    Ergebnis: Aktivitäten der Mitbewerber auf den relevanten Arbeitsmärkten
  8. 
Wettbewerbspositionierung
    
Ergebnisse: Absolute und relative Wettbewerbspositionierung auf dem Arbeitsmarkt
  9. 
Erarbeitung Employer Brand
    
Ergebnis: Leitmotiv für Rekrutierungs-, Entwicklungs- und Retentionsstrategien
  10. 
Neupositionierung der Employee Value Proposition
    
Ergebnis: Angebotspositionierung pro Bewerbergruppe
  11. 
HR-Audit

    Ergebnisse: Hinweise zur Tragfähigkeit der bestehenden HR-Systeme und HR-Prozesse 
im Hinblick auf den angestrebten Employer Brand beziehungsweise auf die Employee Value Proposition (inkl. Verbesserungshinweise)
  12. 
Erfolgskontrolle

    Ergebnisse: Hinweise auf Optimierungspotenziale betreffend Employer Brand und Angebotspositionierung

Der Arbeitsmarkt-Check ist modular aufgebaut. Er startet mit einem eintägigen Workshop. Anschliessend kann die Unternehmung festlegen, welche weiteren Schritte sie unternehmen will, um ihre Wettbewerbsposition auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Zusätzliche Informationen zum Arbeitsmarkt-Check sind zu finden unter www.empiricon.ch

 

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Dr. Robert Zaugg ist in der Geschäftsleitung der empiricon AG für Personal- und Marktforschung, Bern. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Konzeption und Durchführung von Mitarbeiterumfragen in Unternehmungen unterschiedlichster Branchen und Grössen.
www.empiricon.ch.

Weitere Artikel von Robert Zaugg