Employer Branding

Beim Papst auf der Payroll: Wo Image und Realität in Einklang stehen

Eines der ältesten Markenzeichen der Menschheitsgeschichte ist das christliche Kreuz. Theo Grewenig steht im Dienst der Deutschen Bischofskonferenz, ist Leiter der Abteilung Zentrale Dienste/Organisation und koordiniert die gemeinsamen Aufgaben der von den Bistümern eingesetzten IT. Auch die Fusstruppen von Benedikt XIV. spüren den Fachkräftemangel.

HR Today: Als angehender Diplom-Kaufmann studierten Sie unter anderem bei Joachim Griese in Bern und Hubert Oesterle in St. Gallen. Hätten Sie es auch zum Chief Information Officer bei Nestlé oder bei der Zürcher Kantonalbank bringen können?

Theo Grewenig: Dagegen spricht, dass ich meinen Berufsweg zwar in der Wirtschaft begonnen, dort aber nicht fortgesetzt habe. Die Kirche ist keine Kapitalgesellschaft und in dezentraler Selbstverantwortung organisiert. Zu uns gehören rund 13000 Pfarreien mit Kindergärten, Hospitälern, Schulen, Hilfsdiensten und Bildungshäusern, die in 27 Bistümern zusammengeschlossen sind. Alles in allem verwalten wir um die 15000 Dienststellen mit rund 100000 Computern. Jede Einrichtung und jedes Bistum entscheiden autonom über ihre wirtschaftlichen Belange. Bei der Deutschen Bischofskonferenz werden die gemeinsamen Projekte koordiniert, hier laufen die Informationen zusammen. Eine meiner Aufgaben ist es, eine Standardisierung hinzubekommen, ohne dass ich gegenüber meinen Kollegen vor Ort weisungsbefugt bin. Das ist nicht immer einfach. Ein CIO in einem Unternehmen dürfte es da etwas leichter haben. Aber der steht stattdessen vor anderen Herausforderungen.

Wie ist die katholische Kirche als Arbeitgeber? Wird die gute Botschaft intern gelebt?

Als Arbeitgeber ist sie grosszügig, menschlich und familienfreundlich. Was für den einzelnen Beschäftigten nicht immer von grossem Vorteil sein muss. Als Arbeitgeber, der für traditionelle Werte wie Familie und Gemeinschaft eintritt, ist sie ein Stück weit freundlicher zu Mitarbeitenden mit Familie als zu Alleinstehenden. Familien mit Kindern haben klare Vorteile. Das kann zu Konflikten innerhalb der Belegschaften führen. Wobei ich einschränken muss: Für die IT gilt das nicht.

Warum nicht?

Weil auf diesem Segment des Arbeitsmarktes ein grosser Mangel herrscht und man von seinem IT-Personal weitestgehend abhängig ist. Auch die Kirche ist auf qualifizierte und motivierte Mitarbeitende angewiesen. Da kann man es sich nicht leisten, Familienväter und -mütter gegenüber den Ledigen bevorzugt zu behandeln. Da muss das Sozialgewissen für alle schlagen.

Aber wer frisch von der Hochschule kommt, hat in der Regel noch keine Familie. Gehören junge Informatiker und Ingenieure bei der Personalrekrutierung etwa nicht zu Ihrer Zielgruppe?

Die würden nicht zu uns kommen. Fachhochschul- und Hochschulabsolventen streben in die Wirtschaft. Da können sie mehr Geld verdienen als bei uns. Wir bezahlen angeglichen nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Ausserdem lockt die schnelle Karriere. Wir können da nicht mithalten. Unsere Stärken sind zufriedene Menschen an sicheren Arbeitsplätzen. Die Menschen, die zu uns kommen, sind älter und lebenserfahren. Sie haben erkannt, dass Geld und Karriere nicht alles und nicht für jeden da sind. Das desillusioniert, das frustriert, das verbittert viele. Wir wollen das nicht. Deshalb sind unsere Mitarbeitenden zum grossen Teil seit 20 Jahren und mehr bei uns.

Inwiefern entspricht Ihr Primat der Mitarbeiterorientierung dem Bild, das sich die Bewerber von der Kirche als Arbeitgeber machen? Wollen die gerade deshalb in den Schoss der Kirche?

Wenn Bewerber in ihrer Gemeinde sehr engagiert sind, dann wissen sie bestimmt, was sie erwartet. Ihnen ist klar, dass der Druck längst nicht so hoch ist wie in der Wirtschaft und dass es uns mehr auf den ausgeglichenen Menschen ankommt als auf die ausgelastete Maschine. Klar ist auch, dass wir nicht auf Umsätze, Zielerreichungsgrade und Quartalsergebnisse starren. Wem die Kirche vertraut ist, der kennt das alles.

Leider sind Menschen, die zielsicher zu uns kommen möchten, in der Minderheit. Und denjenigen Kandidaten, die mit der Kirche eigentlich nichts am Hut haben und die sich vielleicht nur aufgrund einer aktuellen Stellenanzeige bewerben, ist unsere Kultur meist gleichgültig. Bei ihnen hat die Kirche als Arbeitgeber keine Duftmarke, keinen Employer Brand. Die kommen, weil sie einen Job suchen, egal wo, oder weil sie bei ihrem bisherigen Arbeitgeber unzufrieden sind, wenn der sie als Menschen nicht wertschätzt oder aus anderen Gründen ihre Hoffnungen nicht erfüllt. Schauen Sie sich doch nur in der Wirtschaft um. In den letzten Jahren ist es da sehr kalt geworden.

Bieten Sie Ihren Mitarbeitenden Wärme und Geborgenheit?

Das kann man so sagen. Wir bekommen sogar Bewerbungen von Menschen, die nicht oder nicht mehr der Kirche angehören oder einer nichtchristlichen Glaubensrichtung anhängen.

Lehnen Sie die freundlich ab?

Ja. Die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche, wenigstens aber in einer christlichen Kirche ist klare Einstellungsbedingung. Damit schränken wir zwar unsere Zielgruppe ein, aber wir tun das bewusst und offen. Das verträgt sich mit dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz.

Sorgen Sie für permanente Glückseligkeit am Arbeitsplatz?

Das nun auch nicht. In jedem Betrieb, ob mit einer Handvoll oder mit 1000 Beschäftigten, treten Probleme auf. Auch bei uns gibt es mit Sicherheit irgendwo Konkurrenzangst, Unzufriedenheit, Neid und Mobbing. Hier arbeiten schliesslich ganz normale Menschen. Nur eben nicht für einen Konzern, sondern für eine kirchliche Einrichtung mit gelebten Werten.

Die Leistung Ihres Hauses ist weltweit bekannt. Hat die katholische Kirche Employer Branding überhaupt nötig?

Ganz sicher nicht, wenn man das als imagewirksames Instrument begreift, um seine Rekrutierungsprobleme kurzfristig in den Griff zu bekommen. Ein Arbeitgeber muss in Identität und Image, also in der Innen- wie in der Aussensicht, ein deckungsgleiches Bild abgeben. Nur dann gilt er als stimmig. Etwas nach aussen hin zu versprechen, das nach innen hin nicht gehalten werden kann, ist eine Mogelpackung.

In einem tieferen Sinne jedoch braucht die Kirche das Employer Branding wie jeder andere Arbeitgeber auch. Sie muss dieselben Prinzipien im Umgang mit ihren Mitarbeitenden leben, wozu sie die Menschen seit Jahrtausenden auffordert. Ein grundlegender Widerspruch an dieser Stelle würde die ganze Botschaft unglaubwürdig machen.

Als früherer IT-Manager in einem Weltkonzern hatten Sie vermutlich ein höheres Einkommen und erheblich mehr Macht als heute. Warum sind Sie vor sieben Jahren zur katholischen Kirche gegangen?

Ich habe zwischen meiner Karriere und meinem Familienleben abgewogen, und die Familie war mir wichtiger. In meinem Job im Konzern war ich pausenlos in der Welt unterwegs und ständig in Meetings, das fand ich Klasse. Bis das erste Kind da war. Dann nervte das. In dem Jahr, als meine Tochter geboren wurde, war ich ganze zwei Monate zu Hause. Von den fremden Städten habe ich nichts gesehen und meine Tochter auch nicht.

Wie könnte ein Slogan für die Arbeitgebermarke der katholischen Kirche heissen?

Wir sind authentisch. Wir leben das, wofür wir stehen.

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