BGM Special 2020

«BGM braucht einen langen Atem»

Visana bietet ihren Firmenkunden seit über 15 Jahren ein betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM). Welche Erkenntnisse die Analyse der Kundendaten ergeben hat und wie es um das «gesunde Arbeiten» beim Versicherer steht: Wir haben mit Sandra Bittel, der Leiterin des BGM, gesprochen.

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Der BGM-Gedanke ist bei Visana tief verankert. Der Versicherer trägt das Label Friendly Work Space seit fünf Jahren und berät seine Firmenkunden seit 15 Jahren im BGM. Das Angebot findet Anklang. «Wir haben das BGM-Angebot vor acht Jahren noch ausgebaut», erklärt BGM-Leiterin Sandra Bittel. «Entstanden ist ein BGM-Kompetenzzentrum.» Das Angebot der Visana ist breit gefasst. Dazu gehören Analyse, Beratung, Ausbildung, Sensibilisierung, Nachhaltigkeit und Unfallprävention. «Besonders gefragt sind Seminare, Workshops und Beratung, aber auch Referate zu Gesundheitsthemen», sagt Bittel. «Dass digitale Angebote gut ankommen, haben wir bereits vor der Corona-Krise festgestellt.»

Erst kürzlich hat die Versicherung erneut untersucht, inwiefern ihr Angebot einen Einfluss auf die Absenzsituationen und -zahlen in den Unternehmen hat. «Wir haben interessanterweise festgestellt, dass wir den grössten Impact durch ein diversifiziertes Angebot erreichen. Das heisst, fast immer war es eine Kombination aus Seminaren, Referaten, Workshops und dem Einsatz von digitalen Angeboten, die zu den besten Ergebnissen geführt hat», führt Bittel aus. Natürlich müssten die Angebote bezüglich des Inhalts und des Umfangs zum jeweiligen Kunden passen. «Dienstleistungen aus unserem breiten Angebot an die kundenspezifischen Bedürfnisse anzupassen ist seit jeher eine Spezialität der Visana.»

Langfristig denken und handeln

In der Praxis unterscheiden sich Inhalt und Umfang des BGM-Angebots je nach Kunde: «Jedes Unternehmen hat andere Bedürfnisse, die es zu berücksichtigen gilt», erklärt Bittel. «In der Logistik- und Baubranche treffen wir oft auf Mitarbeitende mit körperlichen Beschwerden, während im Gesundheitsbereich eher Themen wie Schichtarbeit oder fehlende Abgrenzung zu Absenzen führen.» Um festzustellen, ob die jeweiligen Massnahmen wirken, setzt Visana auf das Wirkungsmodell BGM von Gesundheitsförderung Schweiz (siehe Grafik). Sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen, habe nicht nur Vorteile für die Belegschaft, sondern auch für das Unternehmen.

Wer denkt, mit ein paar punktuellen BGM-Massnahmen sei die Sache erledigt, ist auf dem Holzweg. «Nachhaltiges BGM braucht einen langen Atem», betont Bittel. «Es braucht einerseits Massnahmen, die bei den Prozessen und Strukturen eines Unternehmens ansetzen, aber auch solche, die für die Mitarbeitenden eine hohe Sichtbarkeit aufweisen und das Thema ins Bewusstsein jedes Einzelnen rücken.» Dann jedoch liesse der Erfolg nicht lange auf sich warten: Die Analysen der Kundendaten zeigten eindeutig, dass sich Massnahmen sowohl auf die Kurz- als auch auf die Langzeitabsenzen auswirkten. Als Beispiel konnte ein KMU seine Absenzkosten dank einer Investition von etwa 9000 Franken innerhalb von drei Jahren um mehr als 50 Prozent senken. «Erfolgreiche BGM-Massnahmen und sinkende Absenzzahlen haben ausserdem einen positiven Einfluss auf die Prämienkalkulation, wodurch sich die Investition doppelt auszahlt», sagt Bittel.

Ein positiver Effekt könne auch im Bereich Case Management beobachtet werden. Die Falldauer bei psychischen Erkrankungen unterscheidet sich laut Bittel stark, je nach Diagnose kann sie bis zu 60 Tage lang sein. Vergleiche von steuerbaren Fällen im Bereich «psychische Erkrankungen» bei Grossunternehmen zeigten indes, dass die Falldauer durch ein systematisches und professionelles Case Management durchschnittlich um 10 Prozent reduziert werden könne. «Das bedeutet, dass Mitarbeitende schneller und vor allem nachhaltiger wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren können.» Case Management sei somit ein klares Kundenbedürfnis.

Mit gutem Beispiel vorangehen

Wasser predigen und Wein trinken funktioniere nicht. «Deshalb nutzt Visana das BGM innerhalb des eigenen Unternehmens und unterstützt Führungspersonen und Mitarbeitende auf dem Weg zu mehr Gesundheit, Motivation und Wohlbefinden am Arbeitsplatz». Das Visana-interne Angebot umfasst verhaltens- wie auch verhältnisorientierte Massnahmen. Dabei stehen besonders die Führungskräfte im Fokus: «Auch unsere Führungsschulungen beinhalten BGM-Seminare.» Für die Mitarbeitenden gebe es Angebote wie Seminare, Stehpulte oder einen BGM-Raum als Rückzugsort. «Nicht zuletzt setzt Visana auf ein systematisches Absenzenmanagement und führt strukturierte Rückkehrgespräche», erklärt Bittel.

Gemäss Befragung zahlt sich das aus: «Die Mitarbeitenden nehmen Visana als Arbeitgeberin wahr, die sich für ihre Gesundheit interessiert und sich dafür einsetzt, dass diese erhalten bleibt.» Ausserdem hätten die Mitarbeitenden immer wieder die Möglichkeit, ihre Anliegen einzubringen, und das Thema BGM sei bis auf Direktionsstufe präsent. Das war nicht immer so: «Dank Durchhaltevermögen und Überzeugungskraft ist uns dies gelungen.» Seit 2015 sind diese Bemühungen nun mit dem Label Friendly Work Space auch offiziell anerkannt.

Checkliste

Fünf wichtige Tipps zum Aufbau eines langfristig wirksamen BGM:

  1. Bestimmen Sie eine oder mehrere Personen, die sich für das Thema BGM verantwortlich zeichnen. BGM kann nicht nur «so nebenbei» aufgebaut, umgesetzt, evaluiert und optimiert werden.
  2. Machen Sie eine sorgfältige Analyse der Ausgangslage. Je genauer Sie wissen, wo die Belastungen und Ressourcen liegen, desto gezielter können Sie agieren.
  3. Formulieren Sie realistische Ziele auf strategischer und operativer Ebene.
  4. Beziehen Sie die Anliegen der verschiedenen Interessengruppen (Geschäftsleitung, Führungspersonen, Mitarbeitende) mit ein und machen Sie Betroffene zu Beteiligten.
  5. Freuen Sie sich an Erfolgen und lassen Sie sich von Rückschlägen nicht entmutigen.

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Online-Redaktorin, HR Today. es@hrtoday.ch

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