Porträt

«Blackberrys sind so etwas wie eine 
firmeneigene elektronische Fussfessel»

Der frühere Ascom- und IMD-Personalchef Bernhard Kolb bewegt heute für das amerikanische IT-Sicherheits­unternehmen Vasco Menschen von Standort zu Standort. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehört die Rekrutierung: Alleine in diesem Jahr soll der joviale Berner weltweit über hundert IT- und Sales-Spezialisten finden.

Während Bernhard Kolb seine gegenwärtigen Aufgaben beschreibt, sieht man ihn im Geist die Ärmel hochkrempeln. Der Berner wirkt zwar gemütlich, vermittelt aber auch den Eindruck, als könne und wolle er richtig zupacken, etwas durchkneten, formen. Diese Gestaltungslust muss es gewesen sein, die ihn vor rund einem Jahr dazu brachte, beim aufstrebenden IT-Sicherheitsunternehmen Vasco die Verantwortung fürs globale HR-Management zu übernehmen. «In einer weltweit tätigen Firma an Top-Position etwas bewegen» – so umschreibt der HR-Manager seine Motivation zu diesem Schritt.

Heute bewegt er vorwiegend Menschen: von Belgien, Holland oder Schweden nach Zürich, von Delhi nach Singapur, von Boston nach Chicago. Die ganze Vasco scheint in Bewegung zu sein, sie dehnt sich aus, erobert auf allen vier Kontinenten neue Märkte – typisch für ein Unternehmen in einer Boom-Branche. Unter den Anbietern und Produzenten von Sicherheitslösungen wie beispielsweise Betrugserkennungs- und Analysemodule oder auch Benutzer-Authentisierungsverfahren zählt Vasco weltweit zu den Grössten. Alleine von ihren Geräten zur Erzeugung von Einmalpasswörtern verkaufte die Firma 25 Millionen Stück. Zu den Kunden des neu in Zürich domizilierten operativen Geschäfts gehören 470 internationale Finanzinstitute, über 2600 Blue-Chip-Unternehmen sowie öffentliche Institutionen in mehr als 100 Ländern. Im noch patrongeführten KMU, das sich derzeit in einen internationalen Konzern mit entsprechenden Strukturen umbaut, ist die Berufserfahrung eines Mannes wie Kolb, der sich in den Bereichen Recht, HR-Management und Organisationsumbau bestens auskennt, höchst willkommen.

Diversität respektieren und arbeitsrechtliche Unterschiede ausgleichen

In arbeitsrechtlicher Hinsicht sei die Arbeit bei Vasco besonders spannend, meint Kolb. Eine seiner Aufgaben ist, für die gegenwärtig 260 und mittelfristig über 400 Mitarbeitenden weltweit Arbeitsverträge zu formulieren, die einerseits den gesetzlichen Bedingungen ihrer Länder entsprechen und andererseits auch aus konzernrechtlicher Sicht den Individuen gegenüber fair sind. Als konkretes Beispiel für die Ansprüche, die aus der Diversität entstehen, nennt Kolb das Thema Altersvorsorge. In Schweizer Arbeitsverhältnissen bekanntlich minutiös definiert, ist sie etwa in China noch gänzlich unbekannt. Dagegen sei in Singapur der Trend zu beobachten – und zu respektieren –, dass Firmen ihre Angestellten bei privatwirtschaftlichen Vorsorgelösungen unterstützen. Noch komplexer werde es, wenn es darum gehe, arbeitsrechtliche Unterschiede auszugleichen, die bei der Versetzung von Mitarbeitenden über die Landesgrenzen hinweg entstehen. Bei Vasco steht zurzeit die Verlagerung und gleichzeitige Stärkung der Kernfunktionen von Brüssel nach Zürich an.

Verschärfend wirkt bei all diesen Überlegungen der Mangel an Fachkräften, der im IT-Sektor seit längerem stark spürbar ist – weltweit. «Walking the thin line» nennen etwa amerikanische IT-Verantwortliche die Aufgabe, die Differenz zwischen den gegenwärtig auf dem Arbeitsmarkt geforderten Löhnen und denjenigen, die langjährigen Mitarbeitenden ausbezahlt werden, möglichst gering zu halten. «Wir bemühen uns, die Löhne an allen Standorten in einer vernünftigen, vertretbaren Bandbreite zu halten», umschreibt Kolb die Aufgabe, verschweigt aber nicht, dass es mitunter sehr schwierig sei, Angebote zu machen, die weder potenzielle Mitarbeitende vergraulen noch die vorhandenen verärgern.

Bei den Verhandlungen vertraut Kolb auf die Erfahrungen, die er als ehemaliger Konzernjurist und Generalsekretär beim Telekommunikationsunternehmen Ascom erworben hat. Sich den jovial wirkenden Berner als eisernen Verhandlungspartner vorzustellen, fällt allerdings schwer. «Konzernrecht ist ein knüppelhartes Geschäft», erzählt Kolb, «wo mit härtesten Bandagen um winzige Details hart gekämpft wird, während alle einander über den Tisch hinweg freundlich anlächeln.» Das Talent dazu müsse einem gegeben sein, sagt er diplomatisch und fügt hinzu, dass er diese Arbeit nicht zwanzig Jahre lang hätte machen wollen.

Förderung der informellen Kommunikation und der Sprachkenntnisse

Der Abgang vom Berner Konzern, dem er 18 Jahre seines Berufslebens widmete, sei eine «ziemlich dramatische Geschichte» gewesen – und sei ihm alles andere als leicht gefallen. Als Sekretär des Verwaltungsrates war Kolb in den neunziger Jahren auch Projektleiter der «Abwehrstrategie» gegen die Müller-Möhl-Gruppe, die mit ihrem Griff zur Aktienmehrheit damals die erste unfreundliche Übernahme in der Schweiz einleitete. «Das Vorgehen des neu eingesetzten Top-Managements war für mich letztlich das Signal, mich nach neuen Ufern aufzumachen», umschreibt Kolb den schmerzhaften Ablösungsprozess.

Unter den heutigen Ascom-Mitarbeitenden gibt es manche, die sich gerne an Kolb erinnern. Er sei immer «angenehm aufgefallen», bekundet etwa einer, der den ehemaligen Personalchef zwar nicht aus direkter Zusammenarbeit, jedoch von gemeinsamen Sitzungen her kennt. In bester Erinnerung seien ihm die kurzen, informellen Gespräche an der Kaffeemaschine, vor oder nach solchen Sitzungen, zu denen sich der Personalchef meist gerne bereit zeigte. Kolb, der im Gespräch alles andere als geschwätzig wirkt, hält nach eigenem Bekunden viel von informeller Kommunikation. «Bei Vasco müssen wir über alle Kontinente hinweg im Gespräch sein», erzählt er, das sei sehr wichtig. Schliesslich müsse man auch für die kulturellen Eigenheiten der Vertreter von 35 Nationen ein Gespür entwickeln – das gehe am besten im direkten Kontakt.

Für seinen letzten Arbeitgeber, das Lausanner Management-Institut IMD, hat Bernhard Kolb Relocation-Projekte für Professoren und ihre Familien durchgeführt. Dort habe er auch erkannt, wie wichtig die Auseinandersetzung mit der Umgebungssprache sei – nicht nur für die Angestellten einer Organisation, sondern auch für deren Partner und Partnerinnen. Er habe allen Zuzügern Französischkurse verordnet, erzählt er und erinnert sich lächelnd, dass es «anfangs etwas Widerstand» gab. Dass das Programm letztlich jedoch gut aufgenommen worden war, dürfte als Zeichen von Kolbs Überzeugungskraft gelten.

Geeignete Kandidaten sollen bereits im ersten Interview gefunden werden

Wichtiger als Relocation ist bei Vasco gegenwärtig die Gewinnung neuer Mitarbeitender. Er müsse in den nächsten zwölf Monaten 100 Fachkräfte finden, sagt Kolb «durchschnittlich acht pro Woche». Gesucht wird auf der ganzen Welt. Zu seiner Unterstützung hat er drei Personen eingestellt, Vollprofis im Recruiting, wie er sie beschreibt, Leute, die in spezialisierten Rekrutierungsfirmen gearbeitet haben und deren Kernkompetenz die Personalsuche ist. «Sie kennen die IT-Branche, ihre grössten Firmen, die wichtigsten Netzwerke.» Bei Vasco setzt man bewusst auf eine interne Rekrutierungsabteilung: «Es hat sich bewährt, Firmenexponenten dafür einzusetzen», erklärt Kolb, «sie kennen die Firma und ihre Kultur perfekt.»

Im Gegensatz zu externen Beratern könnten interne Personal-Recruiter bereits im ersten Interview erkennen, ob eine Person – abgesehen von ihren fachlichen Qualifikationen – vom Typ her in die Firma passe. Profunde «handwerkliche Kenntnisse», wie Kolb sie nennt, etwa im Lesen von Lebensläufen, im Strukturieren von Interviews oder in der Anwendung von elektronischen oder physischen Assessments seien ebenfalls sehr wichtig. «Auf dem Arbeitsmarkt sind gegenwärtig die Arbeitnehmenden in einer stärkeren Position. Man muss sehr schnell und sehr professionell sein, um der Konkurrenz die attraktiven Leute wegzuschnappen.» Konkret bedeute dies, jemanden bereits nach dem ersten Interview zu binden oder schlimmstenfalls den Zweitbesten zu nehmen, um eine offene Stelle überhaupt besetzen zu können.

Ungesunde Arbeitspensen in kleinen Schritten abbauen

Wie steht es um die Work-Life Balance eines Personalchefs, dessen Firma über vier Kontinente verteilt ist und an allen Standorten nach neuen Kräften schreit? Bernhard Kolb hat die Frage kommen sehen und seufzt, sichtlich etwas ratlos. Natürlich sitze er heute sehr oft im Flugzeug, verbringe eine Woche in Asien, die nächste in Australien, eine weitere in Amerika. Als ehemaliger Oberstleutnant profitiere er jedoch von der strengen militärischen Führungsausbildung, insbesondere dem Wissen, wie ein klarer Führungsrhythmus zu etablieren sei. «Nicht blind herumrennen, sondern unterscheiden: Was ist wichtig? Was ist dringend?» Ihm helfe diese Kenntnis, relativ locker auf dem Stuhl zu sitzen, sagt Kolb, gerade heutzutage, «wo doch gäng alles wichtig» sei.
Er habe ein Auge drauf, versichert er auf die neuerliche Frage nach seiner Work-Life Balance. Schliesslich hätten einige seiner Kollegen bereits Bypass-Operationen oder ihren ersten Herzinfarkt hinter sich – das sei ihm Warnung genug.

Zur Erreichung seines persönlichen Wohlgefühls verfolge er sein persönliches Programm, etwas, was er für sich «Steinchen-in-die-andere-Waagschale-Werfen» nennt: gegen die teilweise ungesunden Arbeitspensen Gegensteuer geben, nach Möglichkeit in täglichen kleinen Schritten. Eines dieser Steinchen sei beispielsweise sein bewusster Verzicht auf das Blackberry, die «firmeneigene elektronische Fussfessel». Es nerve ihn auch, wenn die Gesichter seiner Gesprächspartner hinter kleinen Bildschirmen verschwinden und sie mit zuckenden, gekrümmten Daumen vor ihm sitzen. Während er das Kommunikationsgebaren der heutigen Managerguilde gekonnt imitiert, bricht für ein paar Augenblicke das Temperament des Berner Bären durch, man kann sich vorstellen, dass er auf den Tisch klopfen und seine Meinung deutlich kundtun kann. Notfalls zumindest, denn ebenso klar wird in der Begegnung mit ihm, dass er einen zivilisierten, ja harmonischen Umgang vorzieht.

Zwischen trautem Heim und 
dünner Höhenluft

«Am liebsten bin ich zu Hause», sagt er freimütig. «Ich habe weder Schiff noch Ferienhaus.» Mit ansteckender Begeisterung schwärmt er von seiner schön eingerichteten Berner Villa, ihrem Garten, in dem er gerne arbeite, oder dem Teich, in dem er gerne schwimme. Am Samstag, dem einzigen Tag, der ihm heilig ist und der deshalb arbeitsfrei bleibt –, «wenn nicht gerade die Welt untergeht» – sieht man Kolb auf dem Berner Markt, wo er sich mit Freunden und Bekannten trifft. Ein Ziel, das er in den nächsten Jahren gerne erreichen würde, liegt auf dem afrikanischen Kontinent in 5895 Meter Höhe: der Kilimandscharo. Seine Besteigung bietet kaum technische Schwierigkeiten, ist jedoch wegen der Abnahme des Sauerstoffs in der grossen Höhe mit enormen körperlichen Anstrengungen verbunden. Wer den Gipfel schafft, lasse sich kaum voraussagen, erklärt Kolb: «Das ist nichts, was man trainieren oder mit dem Willen alleine beeinflussen könnte.» Ein bisschen vergleichbar mit der Karriere im Top-Management also, wo es neben der richtigen Ausrüstung und Konstitution vor allem die Bereitschaft braucht, einen Fuss vor den anderen zu setzen, stetig, über längere Zeit hinweg. Und wie am afrikanischen Gipfel zeigt sich auch erst nach und nach, ob die Höhenluft erträglich ist. Bernhard Kolb scheint in allen Höhenlagen gut zurechtzukommen.

Bernhard B. Kolb

Zuerst als Rechtskonsulent, dann als Generalsekretär und zuletzt als Head Corporate HR war Bernhard Kolb von 1985 bis 2003 beim Berner Telekommunikationsunternehmen Ascom tätig. 2003 wurde er als Personaldirektor an das International Institute for Management Development  IMD nach Lausanne berufen. Vor seinem Antritt als Director Worldwide HR bei der Vasco Data Security International GmbH war Kolb als Berater für HR-Prozesse für verschiedene börsenkotierte Gesellschaften tätig. Der 1952 geborene Berner ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Töchter. Seine Freizeit verbringt er am liebsten zu Hause; er liest, wandert und schwimmt sehr gerne.

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