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Bürokratieabbau gegen 
die Frankenstärke

Das regulatorische Umfeld und der damit zusammenhängende administrative Mehraufwand für die Unternehmen sind ein wichtiger Standortfaktor. Dieser Auffassung ist unter anderem das Seco in seinem jüngsten Bericht über die administrative Entlastung der Unternehmen vom August 2011. Das Seco kommt im besagten Bericht zum Schluss, dass die Schweiz international gesehen über einen schlanken Verwaltungsapparat verfügt. Mehr noch sei die relativ geringe administrative Last für die Unternehmen ein wichtiger Standortvorteil – in Anbetracht der Tatsache, dass die Schweiz in anderen Dimensionen der Wettbewerbsfähigkeit, namentlich den Produktionskosten, vergleichsweise schlecht aufgestellt ist.

Im Rahmen seiner Wachstumspolitik hat der Bundesrat 2006 ein Massnahmenpaket verabschiedet, um die administrativen Folgen der Schweizer Gesetzgebung zu reduzieren und damit den unternehmerischen Alltag zu vereinfachen. Ziel war, die Wirtschaft um jährlich rund 1 Milliarde Franken zu entlasten. Fast 100 der beschlossenen 125 Massnahmen sind heute voll realisiert, darunter das KMU-Informations-Portal, die Schaffung der technischen Voraussetzungen für die elektronische Lohndatenübermittlung sowie die elektronische Veröffentlichung des schweizerischen Handelsamtsblatts. Weitere 16 Massnahmen sind teilweise vollzogen oder eingeleitet worden. Eine wichtige Massnahme, die Revision der Mehrwertsteuer, ist bekanntlich noch mitten in der Aushandlung.

Trotz dieser, wie es scheint, positiven Bilanz hat der Bundesrat entschieden, dass die administrative Entlastung weitergeführt werden soll, und 20 neue Massnahmen vorgeschlagen. Die entsprechenden Forderungen ebben auch nicht ab. Der Schweizerische Gewerbeverband zum Beispiel hat die Regulierungskosten in der Schweiz quantifiziert und festgestellt, dass diese jährlich 50 Milliarden Franken und damit rund 10 Prozent des BIP betragen. Er fordert einen Abbau dieser Kosten um 20 Prozent oder anders gesagt 10 Milliarden Franken, was dem Zehnfachen des bundesrätlichen Ziels von 2006 entspricht. Gerade im gegenwärtigen Umfeld des starken Frankens und der schwächelnden Weltwirtschaft haben Forderungen nach wachstumsfördernder Entbürokratisierung wieder Aufwind. Auch die Bürokratiestopp-Initiative der FDP.Die Liberalen erhält vor diesem Hintergrund besondere Aktualität.

Die vierte Regulierungsebene im Schweizer Föderalismus

Die Personaldienstleistung ist ein Teil der Wirtschaft, der bislang kaum in den Genuss von Entbürokratisierungsaktionen gekommen ist. Keine der getroffenen oder geplanten über 100 Massnahmen zielen auf die Personaldienstleistung. Dabei ist sie eine Branche, die in besonderem Ausmass von Regulierungs-Mehraufwand betroffen ist. Das sie speziell regulierende Arbeitsvermittlungsgesetz zieht einen Rattenschwanz an Administrationsaufwand nach sich, dessen sich der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des Gesetzes (bzw. seiner späteren Revision) mangels Branchenkenntnissen vermutlich nicht bewusst war.

Eine «vierte Ebene» neben Bund, Kantonen und Gemeinden ist nämlich für den Administrationsdschungel verantwortlich, die Sozialpartner allgemeinverbindlicher Gesamtarbeitsverträge. Der Gesetzgeber hat ihnen de facto die Kompetenz übertragen, den Personalverleih in ihrer Branche zu regeln. Artikel 20 des Arbeitsvermittlungsgesetzes besagt nämlich, dass Personaldienstleister beim Verleih in eine bestimmte Branche verschiedene Bestimmungen des dort geltenden allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsvertrages (GAV) einhalten müssen. Das klingt zwar auf den ersten Blick gar nicht so unvernünftig. Nur, was man wissen muss: Es gibt über 80 verschiedene solcher GAV. Ein Personaldienstleister, der gleichzeitig in verschiedene Branchen verleiht, muss also alle diese Verträge kennen, sich über die regelmässig erfolgenden Änderungen informieren und diese umgehend nachvollziehen. Macht er dabei einen Fehler, läuft er Gefahr, im Rahmen einer Kontrolle mit einer Strafe und Kontrollkosten belegt zu werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass Gesamtarbeitsverträge äusserst komplexe Gebilde sind. Sie sind Resultat oft monate-, wenn nicht gar jahrelanger Verhandlungen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, die häufig nur in einem hochkomplexen und differenzierten Lohn- und Arbeitszeitsystem ihren Kompromiss finden. Selbst die vertragschliessenden Parteien stehen in der Folge immer wieder vor Auslegungsrätseln. Für Aussenstehende, wie Personaldienstleister es sind, ist es um ein Vielfaches schwieriger, einen solchen GAV richtig anzuwenden, geschweige denn achtzig davon.

Wie irrsinnig das Arbeitsvermittlungsgesetz durch seine Revision im Jahr 2006 wurde, zeigt sich exemplarisch an den Weiterbildungs- und Vollzugsbeiträgen von allgemeinverbindlichen GAV, die temporär Arbeitende und Personalverleiher seither ebenfalls zu entrichten haben. Diese Beiträge sind in jedem GAV anders geregelt. Manche Verträge kennen Beiträge als Lohnprozent. Andere kennen einen Rappenbetrag pro Arbeitsstunde, noch andere Pauschalbeiträge pro Jahr. Je nach Branche muss der Personalverleiher also eine andere Berechnungsweise anwenden. Hinzu kommt, dass diese Beiträge in ihrer Höhe sowie in deren Aufteilung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterschiedlich sind. Diese Unterschiede sind zwar nicht sehr gross, für die korrekte Umsetzung aber sehr relevant. Und gerade das ist das Absurde. Denn wem dient eine solch formalistische Ausführung des parlamentarischen Willens, gleich lange Spiesse bei der Anstellung von temporären und festangestellten Mitarbeitenden zu schaffen?

Die Absicht bei der Revision des Arbeitsvermittlungsgesetzes war, eine mögliche «Verbilligung» der temporären Arbeitskraft gegenüber Festangestellten einer Branche mit allgemeinverbindlichem GAV zu verhindern. Diese, so die Überlegung, könnte daraus resultieren, dass die Unternehmen für ihr festangestelltes Personal einen GAV-Beitrag zu entrichten haben, der bis 2006 für temporäre Mitarbeitende nicht bezahlt werden musste. Es handelt sich dabei nota bene um Beiträge, die für den Arbeitgeber allerhöchstens 0,5 Prozent des Lohnes betragen. Wäre das Ziel nicht auch mit einem Einheits-Beitrag für temporäre Mitarbeitende erfüllt gewesen, der dem Mittel der bestehenden GAV-Berufsbeiträge entspricht?

Besonders pikant daran ist, dass die Absicht der gleich langen Spiesse mit der gewählten Regulierung de facto ins Gegenteil verkehrt wurde. Personalverleiher und temporäre Mitarbeitende leisten heute wie andere Unternehmen und Festangestellte GAV-Beiträge. Sie erhalten dadurch aber nicht bzw. nicht im selben Ausmass wie andere Unternehmen und Angestellte eine Gegenleistung, namentlich Unterstützung beim Vollzug des GAV (für die Arbeitgeber) oder subventionierte Weiterbildungsangebote (für die Arbeitnehmenden).

Für die Personaldienstleistung gilt deshalb exemplarisch, was Hansueli Schöchli in der «NZZ» vom 24.8.2011 pointiert die «Neigung von Regulierungen zum (ewigen) Eigenleben» nennt. Die GAV, die von Personaldienstleistern befolgt werden müssen, vermehren sich, verändern sich und verkomplizieren sich, ohne dass die Personaldienstleister auch nur die geringste Mitsprachemöglichkeit haben.

Der GAV Personalverleih: alter Wein in besseren Schläuche

Natürlich verursacht Regulierung (und ihre Bürokratie), wie Hansueli Schöchli zu Recht schreibt, nicht nur Kosten, sondern (im Idealfall) auch erheblichen Nutzen. Im Falle der Temporärarbeit liegt dieser in der Abfederung der auf Unternehmerseite gewonnenen Flexibilität für die Mitarbeitenden. Flexicurity ist ein Grundsatz, der besonders auch in der Temporärarbeit gelten muss. Dies kann wahrscheinlich nur mit Regulierung sichergestellt werden. Im Falle der Schweiz wurde dabei aber die völlig falsche Form gewählt.

Normalerweise bedient sich das Schweizer Parlament bei der Regulierung des Arbeitsmarktes in vorbildlicher Manier des Subsidiaritätsprinzips und überlässt das Meiste den Sozialpartnern, die näher am Geschehen sind. Im Falle der Personaldienstleistung wurde dieses Prinzip nicht befolgt beziehungsweise ad absurdum geführt. Die Festlegung von Löhnen, Arbeitszeiten und Berufsbeiträgen von temporären Mitarbeitenden wurde im Arbeitsvermittlungsgesetz zwar den 
Sozialpartnern, aber den falschen delegiert. Statt den Sozialpartnern der Personaldienstleistung wurde sie den Sozialpartnern der Einsatz-Branchen übertragen. Die temporären Mitarbeitenden sowie die Personaldienstleister wurden, unter Verletzung ihrer verfassungsmässigen Koalitionsfreiheit, übergangen.

Eine zweckmässigere Regulierung der Temporärarbeit mit demselben Nutzen würde über die Sozialpartner der Personaldienstleister-Branche erfolgen – in einem allgemeinverbindlichen GAV für den Personalverleih. Dieser GAV ist ausgehandelt, hat aber noch nicht ganz alle politischen Hürden für die Allgemeinverbindlicherklärung genommen. Das Warten auf eine reibungslosere Personaldienstleistung dauert somit (noch) an. Der noch hängige GAV Personalverleih ist im Vergleich zum heutigen Zustand aus folgenden Gründen die bessere Regelung, ohne das bestehende Arbeitnehmerschutzniveau auch nur im Geringsten anzutasten – im Gegenteil: Er entlastet die Personalverleiher in administrativer Hinsicht, da er die Berufsbeiträge vereinheitlicht und eine zentrale Stelle schafft, wo diese Beiträge abzurechnen sind.

Der Einbezug von bestehenden Branchenregelungen bleibt bestehen, aber nur da, wo er essenziell ist und eine Vereinfachung nicht ohne weiteres möglich ist, nämlich bei den Mindestlöhnen (und den Arbeitszeitbestimmungen). Schliesslich setzt der GAV Personalverleih der bestehenden Ungleichbehandlung von temporär Arbeitenden ein Ende. Heute wird nur rund ein Drittel der temporären Mitarbeitenden von einem allgemeinverbindlichen GAV erfasst. Die übrigen sind in Unternehmen im Einsatz, wo kein allgemeinverbindlicher Branchen-GAV gilt. In Zukunft kommen alle temporär Arbeitenden in den Genuss eines einheitlichen Regelsystems.

Fazit

Und nun zurück zur Eingangsfrage, was die administrative Entlastung – in diesem Fall des Personalverleihs – der Gesamtwirtschaft bringt: Bei den Personaldienstleistern werden Ressourcen frei für ihr eigentliches Geschäft, die Suche, Rekrutierung, Selektion und Platzierung von Arbeitskräften. Die Wirtschaft erhält dadurch rascher die Fachkräfte, die sie braucht und selber häufig gar nicht findet. Die Unternehmen erhalten noch promptere Flexibilitätslösungen für ihre Belegschaft, was letztendlich ihre Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Denn mit ihren Dienstleistungen sind Personalverleiher und -vermittler an der Wurzel des Wirtschaftsgeschehens. Sie besorgen das wichtigste und komplexeste Kapital, die passende Arbeitskraft.

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Myra Fischer Rosinger

Myra Fischer-Rosinger ist Direktorin von swissstaffing, dem Branchenverband der Personaldienstleister. Die Politologin und Volkswirtschaftlerin prägt die Entwicklung von swissstaffing seit 2006. Massgeblich beteiligt war sie an der Einführung des Gesamtarbeitsvertrags Personalverleih, der seit 2012 in Kraft ist. Im Branchenverband swissstaffing sind 300 schweizerische Personaldienstleister organisiert. Der Arbeitgeberverband ist Kompetenz- und Servicezentrum für die Temporärbranche und vertritt die Anliegen seiner Mitglieder gegenüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. www.swissstaffing.ch

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